
Weil mir für diese unverzichtbaren Dinge eines Best Agers das nötige Kleingeld (und die verständnisvolle Ehefrau


Ich hatte entgegen, meines sattsam üblich gepflegten Understatements, meinen Traum vorab preisgegeben. Nämlich den Traum, einmal im Leben vor Erreichen der Ü50 Marke die SUB 40 Schallmauer zu durchbrechen. Auf einem Kurs der amtlich vermessen und flach ist, könnte es bei Idealbedingungen und mit etwas Glück reichen. So war mein Kalkül. Schließlich war im letzten Herbst beim 10ner von Bönnigheim die Uhr knapp unter 41 Minuten stehen geblieben. Und die Pleidelsheimer Strecke war 2012 für mich der Auftakt einer stetigen 10 km Zeitverbesserung. Das ich damals von Steigungen und windigen Abschnitten gequält wurde hatte ich in einem lokalen Anflug zerebraler Altersdemenz

Doch die Erinnerung kehrt schlagartig zurück, als ich aus dem Auto aussteige. Ganz so wie es Kachelmanns Erben prognostiziert haben. Vergleichsweise warm, aber windig. Und ich spüre ein erstes Unbehagen ob der Streckenführung über die windanfälligen Wege rund um die Autobahn. Um das Dejavu zu komplettieren nutze ich wieder die letzte kleine Parklücke in der etwas abgelegenen Wohngegend und laufe mich schon mal etwas zwangsläufig warm zum Start. Auch das letztjährige Outfit kommt wieder zum Einsatz. O.K. frisch gewaschen seit damals und obenrum drüber kommt mein giftgrünes Laufshirt mit Kampfansage: „Tschüss Wellness……“ Alles nichts Neues und auch die Autobahnbrücke ist nicht tiefer gelegt worden. War das wirklich so ein kurzer Steilanstieg. Ich hätte wohl doch nicht so viel von meinem hassgeliebten Laufbahn-Intervalltrainings machen sollen und dafür öfters Hügelläufe. Wei o wei, was hab mir da mal wieder selbst eingebrockt. Aber jetzt ist es zu spät, die mediale Kampfansage an subversive Tempobolzereien, elegant in visionäre Worthülsen zu verpacken. So nach dem Motto: Eigentlich hatte ich gar nicht damit gerechnet es heute schon mit einer derartigen Herausforderung aufnehmen zu dürfen. Insofern wäre es nicht verwerflich sich heute in erster Linie an die große Aufgabe mit dem nötigen Respekt heranzutasten und den Lauf zuvorderst immer getragen in der Hoffnung die Früchte des maximalen Erfolgs zu gegebener Zeit zu ernten. Sonntagsrede par exellence also. Und das bereits am Samstagnachtmittag.
Leider steht mir in dieser schweren Stunde heute keiner bei. K. und noch ein paar der interneten Community schonen sich für das Läufle in Magstadt morgen und wissen die samstägliche Freizeit mit sinnvollerem zu nutzen. Auto wienern, Haus und Hof putzen, Bäume stutzen, Garten umgraben oder überladene Einkaufswagen unfallfrei zur Kasse bugsieren sind ja auch entspannender als eine erbarmungslose 10 km Hetzjagd gegen die Uhr mit hochrotem Kopf und rasselnder Lunge.
Nach kurzer Einlaufphase stelle ich mich keck in die dritte Reihe. Vor mir die lokalen Laufritter, die für das nichtlaufende Volk anmoderiert werden. Hier könnte man sich jetzt gemütlich machen. Auch der Sound von „Pirates oft he caribean“ bringt mich nicht in Wallung. Oder doch? Wie heißt der Film nochmals auf Deutsch. „Fluch der Karibik“, upps ich werde doch hier nicht untergehen. Es wird runter gezählt wie beim Knock Out eines angeschlagenen Boxers. Solange das nicht mir gilt. Es geht endlich los. Ein Stück noch die Straße vor und dann in einem Linksschwenk Richtung Felder. Auf der langen Gerade empfängt mich erstmals der Wind. Wie eine unsichtbare Wand drückt er mich zurück und gibt mir das Gefühl mich auf einem Laufband abzustrampeln. Verflixt, ideales Segelwetter für Piraten und Freibeuter. Ich dagegen rudere wie ein Galeerensklave mit den Armen. Kurs, Nord-Nord-Ost. Volle Kraft voraus. Autobahnbrücke in Sicht. Wie eine Insel ragt Sie empor. So klein machen wie’s geht, rät mir mein innerer Motivator. Was an Leistung fehlt versuche ich mit dem cw-wert wett zu machen. Kilometer 1, 3:52. In Anbetracht der Windspiele noch gar nicht so schlecht. Aber jetzt kommt die Tücke mit der Brücke.
Nicht nachlassen sagt der Einpeitscher in mir, mit dem Wind kämpfen auch die anderen. Und wenn es schon nix wird mit dem Verdrängen des SUB 40-Traumatas, dann sollte wenigstens eine gute AK-Platzierung mit einer Zeit unter 41 Minuten rauskommen. Im Gegensatz zum Vorjahr werde ich nun ja bereits in der M50 gewertet und da ist die Konkurrenz etwas gnädiger mit den Zielzeiten für vordere Plätze. Also versuchen das Beste aus den Gegebenheiten zu machen. Die Autobahn ist jetzt überquert. Schneller wäre ich wahrscheinlich auf dem direkten Weg über die stark befahrene Straße gewesen. Naja, wenn‘s nicht rüber gelangt hätte wär das aber meine letzte Chance auf einen Angriff auf die SUB 40 gewesen. Nein, kein schöner Gedanke hier im wahrsten Sinn des Wortes unter die Räder zu kommen und die gestalterische Form einer Boulette eines bekannten Burgerbräters anzunehmen. Auf der anderen Seite angekommen wechseln wir die Laufrichtung. Der Autobahn wird nun stramm in nördlicher Fahrtrichtung gefolgt. Der Wind kommt von schräg vorn. Ein Königreich für ein paar Windschattenhasen. Hilft nix, Windangriff auf voller Breitseite Augen zu und durch. Irgendwann geht auch dieser Abschnitt zu Ende. Hoffentlich, denn 4:19 sprechen eine deutliche Sprache. „The times they are a-changin“.
Weiter. Scharf links bergab. Endlich Rückenwind. Diesen „Wind of Change“ braucht es aber auch, denn es geht nur kurz unter der Autobahn durch. Und dann kommt er. Dieser fiese Stich kurz vor Kilometer 3. Hier verfliegen meine Träume vollends. Gnadenlos sagt mir die Uhr, dass ich mich im Abwind befinde. 4:05. Meine großen Sprüche entlarven mich als Windbeutel. Gewinnen kann ich hier außer Erfahrung wohl nichts mehr. So zerzaust der Wind meine Ambitionen auf einen Saisonauftakt nach Maß. Maßlos überschätzt habe ich mich wenn das so weitergeht bis zum Ende der ersten 5 km Runde. Um dann die windige Angelegenheit zu wiederholen.
Der Weg führt nun in südwestlicher Richtung über die Felder bis zu einem Strecken-Kreuzungspunkt bei Kilometer 4. Hier lässt sich, bei leichtem Gefälle endlich wieder Tempo aufnehmen. 3:48, so müsste es bleiben. Der Ortsrand wird wieder erreicht und eine Schleife zum Start/Ziel Bereich gelaufen. Der Kurs, der einer liegenden Acht ähnelt wird nun nochmals durchlaufen. Vorher unbarmherziger Tempocheck bei Halbzeit. 20:28. Autsch, das tut weh. Denn ich bin mir bewusst, schneller wird die zweite Runde wohl nicht. Der K(r)ampf mit den Windmüh(l)en wird nicht einfacher werden im zweiten Akt der sich anbahnenden Tragödie.
Ich werde den Naturgewalten trotzdem die (kahle) Stirn bieten, komme was wohle. Ich werde stehen wie der Sturm in der Brandung. Und wie. 4:01, 4:23, 4:28, 4:21 heißt die unrühmliche Bilanz bis Kilometer 8. Nur noch ein kurzes Aufbäumen bei Kilometer 9 (3:56). Obwohl ich jetzt eine Häsin (die spätere 2.der Frauenwertung und 1. der AK 35) mit ihrem privaten Zugläufer vor mir habe. Wer weiß ob ich ohne die beiden nicht einfach stehen geblieben wäre, denn nicht nur physisch blies mir zwischenzeitlich ein scharfer Wind um die Ohren. Auch psychisch war bei mir die Luft raus. Der letzte Akt durch den Ort (4:02) und dann endlich Schluss mit der Schmach. Bei 41:49 hatte mein Schweinehund die Schlacht, dank seines Gefährten für sich entschieden. Der Wind, der Wind, das teuflische Kind. Nicht mal einen Blumentopf konnte ich heute gewinnen in Form einer Medaille für die ersten drei der Altersklasse. Platz 4. „Genial daneben“. Eben.

Einzig aufbauend, dass ich jetzt im Ziel feststellte, den vor mir laufenden Privatcoach zu kennen. Armin Härle, der mich beim Solitudelauf 2012 als Katis Pacer zu einer für mich sagenhaften SUB 90 über die Halbmarathondistanz getragen hatte. Dort werden wir uns wohl auch dieses Jahr begegnen. Beide in der Rolle eines Tempomachers. Das wird dann wieder eine ganz neue Erfahrung für mich. Hier bleibt die Erkenntnis. SUB 40. Es gibt noch viel zu tun. Und das ungeliebte Stadion werde ich schneller wiedersehen als erhofft. Vielleicht sollte ich vorm nächsten Mal auch einen Windkanal aufsuchen. Sonst lautet wieder die eingangs erwähnte Antwort auf die Frage: SUB 40 nix geht – wenn: „Vom Winde verweht“.
Grüssle Klaus