Deutschsprachige Hauptstädte 2013
Vienna City Marathon
Grand Prix von Bern
Berliner Marathon
Diese Zeilen sind auf der Rückseite meines Laufshirtes ersichtlich – was anfangs Jahr noch ein Traum war, wurde nun endlich Realität. Mein Marathon-Debüt durfte ich im Frühjahr in Wien feiern, nur ein paar Wochen später folgte der 10 Meilen Lauf Grand Prix von Bern, an dem Haile Gebrselassie mein persönliches Laufshirt signierte. Dann folgte lange… sehr lange nichts mehr, da leider kein Halbmarathon oder 10 km Wettkampf in meinen Terminkalender passte. So musste ich mich mit meinen Trainingseinheiten begnügen und hungrig auf den Berliner Marathon abwarten.
DER VORTAG
Das verlängerte Wochenende in Berlin, versuchte ich von zu Hause aus so gut wie möglich vorzubereiten. Denn ich wollte vor dem Marathon keinen Stress haben. Ich buchte eine private Ferienwohnung und landete dabei einen Volltreffer. In der Nähe von der Kreuzung Bülow- und Potsdamer Strasse (ungefähr bei der Marathonstrecke KM 37) befand sich unsere Unterkunft in einem schmucken Altbau, deren Deckenhöhe schätzungsweise 4 m hoch ist. Die 2 Zimmerwohnung war gemütlich, da persönlich eingerichtet und die Wendeltreppe des Hauses verschlug uns immer wieder die Sprache. Die Gründerväter kannten damals in der Höhe noch andere Dimensionen – und da war Energieeffizienz ja noch kein Thema.
Mein Laufpartner und ich kamen mit einem kleinem Flugzeug (ein 30ig-Plätzer) am Samstag-Morgen in Berlin an, suchten als erstes unsere Wohnung auf und mieteten uns anschliessend Fahrräder. Flott ging es dann nach Tempelhof, wo unsere Startunterlagen auf uns warteten. Die Messe war recht gross und für meinen Geschmack zu gut besucht. Doch damit musste ich rechnen, schliesslich war Samstagmittag und so mancher kam mit dem Rollkoffer direkt vom Bahnhof oder Flughafen her.
Viele namhafte Marken waren vertreten und schlugen mit Messerabatten um sich. Leider fühlte ich mich zu diesem Zeitpunkt nicht wohl. Die letzten Nächte waren jeweils kurz und mein Körper signalisierte mit Schweissausbrüchen, dass da eine Erkältung an meiner innere Türe rüttelte. So erledigte wir an der Messe nur das Nötigste, assen draussen vor dem Rollfeld noch eine Pasta und ich verzog mich anschliessend zurück, um das Geflüstere meines Kopfkissens aufzusuchen. Am Abend kochte ich mir nochmals Pasta, legte meine Laufausrüstung zurecht und durfte anschliessend eine entspannte und erholsame Nacht verbringen.
Meine 7 Sachen:
- Laufschuhe Supernova Glide 5
- Laufsocken kurz
- Laufhose kurz (Grandprix von Bern)
- Persönliches Laufshirt (von Haile signiert)
- Nummerngurt mit Nastüchern, iPhone und Gels
- Forerunner mit Pulsgurt
- Sonnenhut und -Brille
DER MORGEN
Kurz nach 6 Uhr wurde ich wach. Eigentlich sollte der Wecker Viertel vor 6 klingeln, doch in meiner Geistesabwesenheit, stellte ich den Wecker auf Viertel nach 6. Die Verspätung stresste mich nicht. Denn ich war gut gelaunt – aber auch einwenig nervös. Nach der Morgentoilette zog ich mich an, trank Kaffee und ass Brötchen. Extra für die Verdauung spazierte ich um den Block und durfte dabei den wunderschönen Nelly-Sachs-Park entdecken, welcher einen sehr coolen Spielplatz aufwies (ja, ja – als Vater sieht man dies wieder in einem anderen Blickwinkel).
Um halb 8 Uhr fuhren wir mit den Rädern los und kamen um Viertel vor 8 bei der Läuferzone an. Fahrradfahren ist in Berlin einfach genial – und besonders praktisch, wenn ein Massenauflauf stattfindet! Das Radeln war stets schnell und sicher… und man kann dabei Berlin wunderbar gut erkundigen: wir fuhren nach dem Marathon einige Kilometer ab und durften in den 2 Tagen sehr viel entdecken, für das man wohl sonst mind. das Doppelte der Zeit benötigte. Und die Regeneration bedankte sich.
Die Abgabe der Kleidertasche ging schnell und unkompliziert. Schilder zeigten uns den Weg zu den Startblöcken auf und vor dem Betreten des zugeteilten Blockes wurden unsere Armbänder und Startnummern kontrolliert. Zwischen Eingangskontrolle und Startfeld wurde im Park hemmungslos uriniert und einer lebten das Motto "Nach mir die Sintflut" mit der Erledigung vom grösseren Geschäft klar ersichtlich hemmungslos aus (zum Glück konnte ich noch gerade rechtzeitig mein Blick abwenden *ekel*). Ich stellte mich bei einer Dixiklo-Schlange an und kam schon nach 15 Minuten an die Reihe – ergo ging es doppelt so schnell wie in Wien.
Anschliessend suchte ich mir im vorderen Bereich meines Blockes E einen Platz in der Mitte auf. Die letzten angespannten Minuten vergingen und eine stimmungsvolle Hintergrundmusik, welche mir irgendwie bekannt vorkam (Mass Effect 2 Full Album - YouTube), begleitete uns zum Startschuss, welcher die lebende Legende Haile Gebrselassie abgab.
DER START
Nun ging es endlich los. Sofort machte ich einen System-Check, ob alles an mir in Ordnung war. Besonders mein rechtes Bein kontrollierte ich immer wieder und mahnte meinen Körperteilen zum Teamwork. Zum Glück spürte ich im Bein nur ein ganz schwaches Ziehen – vor ein paar Tagen war dies noch völlig anders. Unter anderem deswegen musste ich die eine und andere Trainingseinheit sausen lassen. Aber was mal war; war mal. Denn auf der Strecke zählte nur das hier und jetzt – und es sah verdammt gut aus.
Die KM-Anzeigen schossen nur an mir vorbei. Meine Pace war überraschend gut. Schon fast zu gut. Doch was ich haben konnte, wollte ich auch behalten – sofern ich mich dabei nicht verausgabte. Stets spielte ich mit dem Gedanken, dass ich auf die letzten Kilometer das zeitliche Polster benötigen würde. So lief ich mein Ding, drückte bei allen 5 Kilometern meinen Forerunners noch zusätzlich manuell ab, was jeweils die KM-Runden-Distanz des Forerunners zum effektiven KM ausglich. So kam es, dass nach der Halbzeit der FR zweimal piepste. Einmal bei seinem gemessenen und einige hundert Meter später den tatsächlichen Kilometerstand – was gegen Ende für die Psyche nicht besonders förderlich war… aber dafür hatte ich jeweils eine realistische Durchschnittszeit.
Am Start irritierte es mich, dass ich keinen Pacemaker sah. So musste ich meinen ursprünglichen Plan kippen (war in Wien ja auch nicht anders) und lief mein Ding. Erstaunt war ich, dass es von Anfang an schnell ging. Ich musste keine krassen Überholmanöver im Zickzackkurs machen und konnte so meist kräftesparend die Ideallinie folgen. Somit hat die Umsetzung der Startblock-Kontrolle geklappt – auch wenn dabei einige unkontrolliert zum falschen Block durchgelassen wurden.
DER LAUF
Ständig versuchte ich mich anhand der Kurven und Geraden, sowie den Sehenswürdigkeiten zu orientieren, wo wir uns in Berlin befanden. Bei KM 16 rief ich mir ab, dass ich nun die Distanz vom Berner GP absolviert hatte und dass ich diese Distanz nur noch anderthalb mal machen musste. Bei KM 19 fiel mir eine grössere Gruppe auf, in der "mein" Pacemaker lief. Ich überlegte mir kurz, ob ich mein Tempo drosseln sollte, oder trotz Gefahr eines Einbruches weiter mein Ding machen sollte. Die Antwort war eigentlich schnell gefallen: die Gruppe war mir zu gross und ich fand gefallen daran, im bisherigen Tempo zu laufen. So liess ich den Pacemaker hinter mir und bekam ihn nie mehr zu Gesicht.
Berlin, ihr seit einfach super! Fast immer und überall bekam man Applaus, aufmunternde Zurufe und musikalische Unterhaltung. Ständig konnte ich wieder etwas neues Entdecken. Das Publikum lebte und bebte, wobei die Dänen u.a. deutlich auffielen. Des öfteren konnte ich auch Schweizer ausmachen, welche meistens schweigend da standen und erst johlten, wenn ich mich erkennbar machte.
Die Aufnahme von Flüssigkeiten klappte recht gut. Ich fing erst bei KM 10 damit an und später nahm ich alle 5 Kilometer ein paar Schlucke von den isotonischen Getränken. Am Nummerngurt hingen bei mir 2 Gels, welche ich nicht im Sinn hatte zu verwenden. Diese waren nur für meine Psyche zuständig und falls eines verloren ging, dann hatte ich noch eine als "psychische" Reserve.
DIE LETZTEN KILOMETER
Bei KM 30 stellte ich zum ersten mal fest, dass eine Sub 3.10 möglich war. Doch ich wusste auch, dass das härteste Stück noch vor mir lag und ich rechnete mir stattdessen aus, dass ich mit einem 5er Schnitt die geplanten 3.15 auch noch erreichen würde. So lief ich mit unveränderten Tempo (Sub 4.30) weiter und wartete stets auf einen Einbruch. Dabei wurden die Kilometer länger und länger. Immer wieder dankte ich meinen Körper für das bisher Geleistete und empfand für die Läufer, welche am Streckenrand schmerzverzehrt liefen oder ihre Beine dehnten, Mitleid. Für jeden gelaufenen Meter war ich nun dankbar. Denn jetzt gab es definitiv kein zurück mehr und wenn etwas passieren sollte, würde ich es unter allen Umständen versuchen ins Ziel zu kommen. Doch zum Glück kam nichts dergleichen. Trotz der Aufforderung "Gib auf / steig ein", welche mehrmals auf dem Boden der Potsdamer Strasse ersichtlich war: dies setzte mir mehr ein Schmunzeln auf die Lippen als den Wunsch aufzugeben.
Der Potsdamer Platz: Schon lange zählte ich die Kilometer rückwegs. Und von hier aus mussten nur noch ein paar Kilometer bis ins Ziel gelaufen werden. Doch meine Batterie neigte sich dem Ende zu. Auf meinem Power Book wäre da jetzt die nette Stimme erschienen, welche mich darauf hinweisen würde, dass der Akku aufgebraucht sei und ich den Computer nun ans Netzteil anschliessen sollte. Doch das Netzteil fehlte mir leider. So verschlechterte sich meine Pace von Kilometer zu Kilometer und zum ersten mal wurde ich regelmässig von Läufern überholt. Dies stresste mich nicht. Denn ich wusste, dass ich meine Arbeit schon getan hatte und ich nur noch ein paar Kilometer durchhalten musste.
Noch 2 Kilometer und meine Uhr zeigte eine 2.59 h an. Die Sub 3.10 war noch möglich! Doch ich konnte mein Tempo nicht mehr steigen. Bei einem Sub 5er-Schnitt lautete meine Devise, nur nicht noch mehr einzubrechen! So bog ich in die letzte Kurve ein und konnte in der Ferne das Brandenburger Tor erkennen. Noch so weit weg… der ermüdender Gedankengang huschte mir durch den Kopf – aber da war noch alles möglich. Wie von Geisterhand erhöhte sich mein Tempo: den Mitläufern erging es ähnlich. Stets konzentrierte ich mich auf mein Laufverhalten, versuchte soviel positive Energie wie nur möglich vom Publikum aufzunehmen. Für ein paar Sekunden konnte ich Fliegen. Aber es war mehr nur ein zögerliches Abheben mit einem folgenden Aufprall, der mich daran erinnerte, dass alles an mir nun auch wirklich platt war.
DAS ZIEL
Ich durchquerte das Brandenburger Tor und lief mit einem Tunnelblick zum Ziel – was links und rechts war, konnte und wollte ich nicht erkennen. Hauptsache das Ziel war nun da und ich konnte mit einer geilen Zeit den Lauf stoppen. Kaum war ich durch, stotterte mein Laufsystem – die Umstellung auf das Gehtempo war für mich anfänglich sehr befremdlich. Und einen kompletten Stillstand ging bei mir vorerst gar nicht. Erst bei der Medaillien-Übergabe gelang es mir dann still zu stehen.
Müde und ohne Kraft schlurfte ich mit einem Plastikumhang, welcher mich vor dem kalten Wind schützte, zu meinem Kleiderdepot. Unterwegs erfreute ich mich an den Erfrischungen, u.a. wie Apfelschnitzen und heissen Tee. Nachdem ich mich umgekleidet hatte, holte ich mir ein alkoholfreies Bier und lief zum Treffpunkt, bei dem ich mit meinem Laufpartner abgemacht hatte. Erst beim zweiten Treffpunkt, zu einem späteren Zeitpunkt, trafen wir uns wieder und liessen uns gemeinsam für ein Siegerfoto ablichten. Mein Laufpartner feierte sein Marathon-Debüt und erlief nach einer halbjährigen Verletzungspause eine sagenhafte Zeit von 3.35 h!
Laufdaten Forerunner:
42.66 km @ 3.09.33 h / ø Pace 4.27
Laufdaten Veranstalter:
Marathon @ 3.09.33 h / Half @ 1:34:07 h
FAZIT
Da dies mein zweiter Marathon war, kann ich noch keine grosse Vergleiche zu anderen Marathon-Veranstaltungen machen. Generell empfand ich diesen von A - Z top. Die Arbeit, welche die vielen Helfer verrichteten, weiss ich sehr zu würdigen. Die Atmosphäre war stets fröhlich – es tanzte der Bär! Einziger Kritikpunkt empfinde ich, dass es keine Pissoire gab. Klar kann man sich mit dem nächsten Busch oder Baum vorlieb nehmen – doch bei den tausenden Läufern musste es danach im Tiergarten tierisch stinken. Einfache Rinnen, wie man es von den Festivals her kennt, würden da Abhilfe schaffen.
Berlin ist eine geniale Stadt. Wer nur in Berlin Mitte war, hat einiges verpasst. Selbst ich habe praktisch nichts gesehen; trotz Streifzug mit dem Rad in die Bezirken Charlottenburg, Prenzlauer Berg und Kreuzberg. Gerne würde ich hier für einige Zeit verweilen… doch die Realität ruft und ich bin bereits schon für den nächsten grösseren Lauf in der Planung.
Berlin Marathon 2013 - Blub
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