Ich dachte, daß seit Jahrzehnten relativ klar wäre:
- Die langen Strecken (10 km, HM, Marathon) läuft man in relativ der besten Zeit, wenn man ein etwa konstantes Tempo wählt.
- Spitzenläufer machen natürlich auch Tempotraining, um im Wettkampf die Gruppe durch geeignete Tempoverschärfung sprengen zu können oder einen langen Schlußspurt anziehen zu können. (Waldemar Czierpinski beschreibt in seiner Biographie, wie er für den 5-km-Schlußspurt trainierte, der ihm seinen zweiten Olympiasieg dann einbrachte.)
Dennoch hört man immer wieder:
Aber der Paul Tergat ist doch einen negativen Split gelaufen, als er in Berlin 2003 seinen Marathon-Weltrekord von 2:04:55 lief.
Okay, dazu ein paar Anmerkungen. Paul Tergat (Sieger in 2:04:55) und Sammy Korir (Zweiter in 2:04:56) lieferten sich ein packendes Duell auf den letzten Kilometern. Bei exzellenten äußeren Bedingungen liefen sich beide in einen Rausch, und der Sieger mußte dabei eben klar Weltrekord laufen. Dennoch - selbst unter diesen außergewöhnlichen Bedingungen betrug der negative Split "nur" 50,44% zu 49:56% (1:03:01 zu 1:01:55).
Von Paul Tergat habe ich gelesen, daß er vor dem Start mit dem Brechen des damals bestehenden Weltrekords von 2:05:38 geliebäugelt hat. Zu diesem Zweck bremste er dann seine Zugläufer auf einen Halbmarathon von 1:03:01 ein; d.h. er rechnet damit, auf der zweiten Hälfte wenn alles bestens läuft etwa 25-30 Sekunden schneller werden zu können. (Was dann einem negativen Split von geerade mal 50,2% zu 49,8% entsprochen hätte.) Einsichtig ist natürlich, daß er das über einen guten Schlußspurt realisieren wollte. Und seine Aussage, daß er den Weltrekord wohl kaum umgekehrt (erste Hälfte in 1:01:55) geschafft hätte, belegt meiner Ansicht nach nicht viel mehr als daß man seinen Schlußspurt nicht an den Anfang verlegen kann...
Für mich ergibt sich daraus eigenlich nur die Erkenntnis, daß ich auch weiterhin meine Läufe mit etwa konstantem Tempo plane. Klar: Wenn alles perfekt läuft, kann ich am Schluß noch etwas das Tempo forcieren. Und bei einem großen Stadtmarathon muß ich auch ein oder zwei langsame erste Kilometer einkalkulieren, wenn sich das Starterfeld nur zögerlich in Bewegung setzt. (So bin ich auch selber schon zu negativen Splits bei meinen besten Läufen gekommen.)
Aber eine Wissenschaft möchte ich aus dem negativen Split nicht machen.
Gruß, Christoph.