Die Woche vor Bertlich hatte ich ich frei, da ich Überstunden und Ferien in meiner alten Firma abbauen musste. Zwischen Kisten packen und div. Abklärungen die scheinbar kein Ende nehmen (die Schweiz liegt definitiv weit ausserhalb Europas) packte ich meine Klamotten für den Lauf.
Ob es am Vollmond lag, oder am Wiedersehen mit Sylke nach zwei Wochen, oder an der Vorfreude soviele liebe Menschen wieder zu treffen, ich weiß es nicht, jedenfalls schlief ich schlecht und oberflächlich. Zusätzlich wollte ich den M auch noch in PB laufen. Mit sub 3,15 hatte ich mir doch einiges vorgenommen.
Die Reise nach Marl und in die Pension dauerte verlief verhältnismäßig planmäßig. Abgesehen von einem 20 minütigen Anstehen an einem Flughafenschalter der DB in Düsseldorf, der nur mit einer Nase besetzt war. Und einer S-Bahn die in Essen partout nicht kommen wollte. Dafür stand dort erst ein leerer Zug, fuhr eine andere S-Bahn ein und wieder weg. Nicht wenige Leute standen da und fluchten. Zum Glück hat die DB ja nichts dazu über Lautsprecher gesagt, so das wir alle an dem fröhlichen Rätselraten, ob die S9 denn noch kommt oder nicht, teilnehmen konnten.

Wie dem auch sei mein Schätzchen traf mich am Bahnhof in Marl und wir fanden die Pension sehr schnell. Nach dem ersten Hallo und Abendessen beim Ivan verabschiedeten wir uns als erste, vor allem weil ich doch etwas geschafft war und mein Ziel vor Augen hatte. Wieder war ich in der Nacht sehr unruhig und angespannt und als dann irgendwelche längeren Diskussionen draußen vor der Tür losgingen (ich weiß immer noch nicht was da war) lag ich wieder wach. Irgendwie hab ich danach gar nicht mehr richtig gepennt.
Morgens beim Aufstehen der erste Schock beim Blick ins Freie, flatternde Fahnen auf der gegenüberliegenden Straßenseite und nasse Straßen. Oh weh nicht mein Wetter, denk ich so für mich und versuche gleich das ganze mental zu verarbeiten, um nicht negativ in den Tag zu gehen.
Nach einem wenig aufschlußreichen Frühstück, irgendwie wollte sich niemand so recht an den Vorabend erinnern

Dannach ging es zur Halle, wo unzählige Hallos, und ach schön wiederzusehen und wer bist du denn, ah ja, schön mal kennenzulernen etc. auf uns warteten. Die Zeit verinnt im nu und schon bald brach eine Horde LA-Foris zum ersten Start auf.. Nach dem wir die 15 Km-Läufer auf die Strecke geschickt hatten, lief ich mich etwas ein. Zum Wind gesellte sich nun auch noch Nieselregen. Ursprünglich wollte ich sogar ohne Jacke laufen aber nun war war ich froh das ich sie dabei hatte.Ein letztes Mal suchte noch schnell die Toilette auf. Da ich beim Zürich M doch während des Laufs pinkeln mußte weil ich zuvor Kaffee getrunken hatte, ließ ich ihn diesmal die ganze Woche schon weg. Ich wechselte meine Startnummer noch schnell ans Band, so das ich die Jacke allenfalls ausziehen konnte.
Rasch verabschiedet von meiner Freundin und nach einem Trillerpfiff und kurzer Zeit fiel der Startschuß, ohne das sonst übliche Abzählen der Sekunden. Wir liefen flott los und wie immer hatte ich gefühlsmäßig keine Ahnung wie schnell ich da loslief. Den ersten Km stoppte ich bei 4,31 was genau so mein Tempo sein sollte. Wie erwartet verriss es das Feld stark und ich rannte bald alleine. Vor mir bildete sich eine kleine Gruppe zu der ich aufzuschliessen beschloss, aber schön langsam. Kleidung und Temperatur erschienen mir in Ordnung und mein Schritt ebenso, auch wenn ich immer was tun musste dafür. Es bildete sich vorübergehend eine Vierergruppe mit der ich zusammen an etlichen Foris vorbeizog, die zum Teil etwas leidvoll dreinblickten (warum auch immer)

So ging es etwa bis zur ersten Zieldurchquerung die mit 1,03,24 natürlich zu schnell war, jedoch nicht besorgniserregend. Nach der kurzen Zuschauerpassage im Startbereich und einen Luftkuß meiner Süßen, ging es wieder ab in die Einsamkeit auf der Strecke, die zu der Zeit von wenigen Läufern bevölkert war. Ich arbeitete immer noch, kein Rollen, kein Dahingleiten wollte sich einstellen. Meine Zeiten pendelten sich bei 4,40 ein, und weit vorne sah ich immer noch gewisse Fixpunkte von Läufern an denen ich mich orientierte. Ich stampfte dahin und konzentrierte mich auf die nächste Marke HM die ich in 1,36 erreichte. Von nun an blies der Wind kräftiger und meine KM Zeiten sanken, ich hatte plötzlich nur noch kalt. Wir waren wieder auf besagter Schlaufe auf der hauptsächlich die Marathonis liefen. Allein im Wind lief ich ins Nichts, meine Klarheit im Kopf war in Wirklichkeit eine Leere, mein Geist am Ende, es war alles zuviel. Ich viel in ein tiefes Nichts, so schwarz wie die Kohle unter mir tief im Erdinnern. Formulare, Steuererklärungen (man muß alle Steuern bezahlt haben bevor man die CH verlassen darf) Tierüberführungungsbestimmungen (ich nehme meinen Kater doch mit) Bestätigunmgen hier, Arbeitsamt da, Transport abklärungen dort usw. hatten ein gewaltiges Loch in mein Gehirn gefressen. Ich hatte absolut keine Substanz mehr. Die Kilometerzeiten klettern auf über 5 Minuten und mir war schnell klar wie der letzte Teil aussehen würde, falls ich diesen durchzieh. In der Nässe und Kälte mich noch durchzuquälen, mich womöglich noch ernsthaft zu erkälten, wollte ich einfach nicht mehr. Ich zog die Kilometer noch bis zum Anfang Halle durch und lief einfach geradeaus, statt rechts in die letzte Runde abzubiegen. Bei 2,09 kurz vor dem KM28 ist Schluss. Es lag keine Bitterkeit beim Ausstieg nur traurige Ent-täuschung. Es ist das erste Mal das ich aus eigener Initiative aus einem Wettkampf ausstieg (beim Frankfurter M bin ich mal mit einer Freundin ausgestiegen). Sylke stand wieder an derselben Stelle und ich lief frustriert in ihre Arme, froh über ihr Verständnis.
Es bleibt ein schales Gefühl etwas nicht fertig gemacht zu haben, welches ich eigentlich hasse. Lange will ich mir nicht eingestehen, dass ich eine Leistung vollbracht habe und bin nur frustriert über meine Muskelschmerzen. Mein Kreuz ist komplett steif. Wo ich normalerweise laufen geh wenn ich Rückenschmerzen habe,bekomme ich nun welche von dem. Nicht gut, ich lief total angespannt. Ich weiß, ich habe die 3.15 drauf- nächstes Mal. Erst brauch ich mal wieder etwas Ordnung in meinem Leben.
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Spike
Startnummer 95 beim Rennsteig SM
Bertlich Starterliste