da ich inzwischen viele tolle Läuferberichte gelesen habe wollte ich auch endlich mal einen schreiben.Da eignet sich der erste Wettkampf doch super für

Mein erster Halbmarathon
Endlich ist der Tag gekommen, auf den ich mich Monate lang vorbereitet habe. Es ist der 29.03.2015, mein Wecker klingelt sehr früh gegen 7:30 Uhr, geplante Abfahrzeit ist 8:48 Uhr. Ich bin mörder aufgeregt, meine bis jetzt längste Strecke waren nur 15 km, mein langer Lauf musste ausfallen, weil ich ja 4 Wochen vorher umgeknickt war und den Fuß vorher nicht zu stark belasten konnte, so dass es nur für 8 - 12 km Läufe reichte.
Zum Frühstück gabs ne Banane, einen Kaffee und eine Zigarette (die wollte ich eigentlich gar nicht!!)
Isabel und ihre Freundin Steffi begleiten mich, wir kommen vor die Tür und es regnet, verdammt... der Regen sollte doch erst nachmittags losgehen!! Aber ok, angekommen im Startbereich und der Regen hatte sich gelegt.
Ich betrete den Startbereich gegen 9:40 Uhr, vorher hatten wir noch einen Treffpunkt vereinbart, ca. bei Kilometer 10, kurz vor dem Erfrischungspunkt. Jut, ich muss pinkeln, gibt ja genug Dixiklos, und trotzdem hab ich ca. 25 Minuten mit Warten verbracht, eh ich drauf kam. Gut inzwischen wars 10 Uhr also Start in 5 Minuten. Als ich im Bereich für die Läufer der Startergruppe "F" (Läufer, die zum ersten Mal mit rennen oder mit einer Zielzeit von mehr als 2 Stunden, 15 Minuten) ankam, hörte ich die Durchsage "Wegen technischer Problemen verschiebt sich der Start um einige Minuten". Verdammt nochmal, es wurde 10:05 Uhr (geplante Startzeit) und da ging erst der Startschuss für die Rollstuhlfahrer los, das dauert bestimmt noch ne halbe Stunde, dachte ich mir. Aber nein, es wurde 10:15 Uhr tatsächlich gestartet, hm gut dann werd ich ja in 20 Minuten auch endlich loslegen können *freu*.
Es wurde 10:45 Uhr, ich steh inzwischen seit 50 Minuten hier auf der Stelle und keinerlei Bewegung im Feld, wtf, ich hab ne kurze Hose an und eine dünne Regenjacke bei 8° Außentemperatur. Neben mir 6 Dänen die nur am Rumlachen sind und sogar den Helene-Fischer-Song "Atemlos" mitsingen können. Inzwischen hab ich mir alle mal genauer angeschaut, die um mich standen, ältere Frauen/Männer und viele Übergewichtige. Da dachte ich mir schon, ich glaub, die werden mir größtenteils im Weg rumstehen.
10:50 Uhr, oohh was ist da los? Es bewegt sich! Langsamen Schrittes ging es zum ca. 500 m entfernten Start. Es wird 11 Uhr und ich kann endlich loslegen, im Kopf geht mir noch rum, dass ich eigentlich ne halbe Stunde früher durch wollte, um meine Verabredungen an der Strecke nicht all zu lang warten lassen zu müssen. Egal ich renne los, geplant sind etwa 2 Stunden und 12 Minuten, was einen Schnitt von 6:20 pro Kilometer wäre. Ich wunderte mich, dass man doch direkt vom Start aus so gut durchlaufen konnte. Kilometer 1 war geschafft, ich schaue auf die Uhr und sie sagt 6:06, ok bisschen schnell fürn Anfang, aber noch im Rahmen. Inzwischen kommt mir das Feld doch sehr langsam vor und ich hüpfe von links nach rechts um irgendwie bissl schneller durchzukommen und fühl mich auch super dabei, die Blicke der anderen spürte ich förmlich in meinem Rücken.
Für den zweiten Kilometer hab ich 6:10 gebraucht, aber was ist das?? Da fangen die ersten schon an, in den Spazierschritt über zu gehen, alter Schwede, bei Kilometer 2!!! Und es war nicht nur einer, es waren mehrere. Aber ok, ich kenne ja die genaueren Umstände nicht.
Kilometer 2 - 5
Es kamen immer wieder Verengungen der Straße, die das Überholen unmöglich machten und so musste ich dann leicht genervt in der für mich zu langsamen Masse mitrennen. Puhh, mir wurde langsam warm, also aus mit der Regenjacke, zusammengeknüllt und in die Hand genommen. Das für mich erste Highlight war direkt hinter der Goldelse, genau bei Kilometer 5, eine Trommelgruppe, die nen absolut genialen Sound drauf hatten mit nem genialen Bass, wow hier wär ich gern stehen geblieben und hätt gern ne halbe Stunde einfach nur zugehört. Aber nein, ich muss weiter, es waren genau 30 Minuten um, als ich über die 5-Kilometer-Marke kam. Alex, sei nicht zu übereifrig, spar dir die Kraft besser ein, du willst nicht weiter hinten einbrechen (ich war ca. 90 Sekunden zu schnell an diesem Punkt).
Kilometer 5 - 10
Verdammt bin ich gut drauf!! Ich kam mir vor wie der absolute Spitzensportler. Inzwischen ist mein Minutendurchschnitt auf unter 6 Minuten gekommen und ich ließ gefühlt alle hinter mir, der Marathon im September kann kommen!! Aber was ist mit der Zeit? Gefühlt lief ich das Tempo wie im Training, aber die Uhr sagte was anderes, egal ich fühl mich super und werde das Tempo beibehalten, eventuell sogar noch steigern, so gut wie ich mich gerade fühle. Ich hätte fast den ersten Erfrischungspunkt bei Kilometer 6 vergessen, ich habe mit viel mehr Gedränge gerechnet, aber ich kam zum Stand und ein Ordner sagte "Hier für dich, Alexander" und reichte mir ein Wasser. Woher kennt der meinen Namen, fragte ich mich 5 Minuten lang, bis ich drauf kam, dass der Name ja klein unter der Startnummer steht

Kilometer 10
Ich hab doch mein Power-Gel noch in der Tasche , ich habs vorher nie getestet, aber egal, Energie ist nie verkehrt. Also runter mit der ekelhaft süßen Masse, die dank des Wassers von Isa auch ganz gut runter ging. Den Erfrischungspunkt konnte ich mir dann sparen und bin mittig schön durchgerannt und hab wieder 10 Sekunden eingespart, astrein! Meine Uhr sagt mir inzwischen einen Kilometerdurchschnitt von 5:47 an, wow wenn ich das halten kann, kommt ja ne super Zeit raus.
Kilometer 13
Ich hänge mal wieder auf einer der zahlreichen Straßenverengungen hinter der immer noch sehr "langsamen" Masse fest und mich quatscht von rechts ein extrem braun gebrannter Mann an, wie furchtbar er es findet, das er nicht durchkommt. Ich stimmte ihm zu und wir wursteln uns zusammen von links nach rechts durch kleine Lücken durch. Die Straße wird wieder etwas breiter und wir quatschen ein bisschen, er ist Italiener und 55 Jahre alt, der schon lange in Berlin wohnt und einige Halbmarathons gelaufen ist. Er ist eigentlich Läufer aus Startblock "D" (Läufer, die weniger als 1 Stunde 50 Minuten für den Halbmarathon benötigen), aber weil es zu voll war, musste er hinten bei mir im "F" Bereich starten. "Endlich hab ich einen Hasen", sagte er zu mir und ich dachte mir nur, das glaub ich nicht. Ich hielt noch ne Weile mit, eh er dann langsam aber sicher vor mir in der Masse verschwand. Leichte Atemnot machte sich bemerkbar, weil ich einfach kein Startblock "D" Läufer bin, dennoch bescherte er mir den schnellsten Rennkilometer mit 5:30

Kilometer 14 - 18
Ich komme inzwischen richtig gut am Läuferpulk vorbei und kann schön mein Renntempo laufen, der Minutendurchschnitt schwankt auf diesen 4 Kilometern zwischen 5:35 und 5:48.
Kraft tanke ich mental in dieser Phase, weil schon so viele Läufer nicht mehr können und nur noch zum Ziel spazieren. Krass, ich rechne bissl und freue mich schon auf ne Zielzeit unter 2 Stunden und 6 Minuten. Meinem Körper geht aber so langsam aber sicher die Kraft aus und ich frag mich, ob die das 18 Kilometer Schild abgebaut haben, mein rechtes Knie schmerzt und meine Hüfte fängt auch langsam an, unangenehm zu werden. Ahhh, das ist es ja (das Schild), also ist ja Sandra und Mum nicht mehr all zu weit entfernt.
Kilometer 19
Ich hab noch gar kein Wort über die ganzen tollen Zuschauer am Rande erzählt, SUPERGENIAL! Gefühlt hab ich mit 30 Kindern abgeklatscht, die sich alle total freuten und die Menge an sich, wo wirklich ein Großteil nur am Klatschen und Anfeuern war, waren wirklich riesig und nur daher kommt am Ende diese (für mich) tolle Zeit zustande.
Ca. bei Kilometer 19 kam ich dann endlich an die Stelle wo Mum und Sandra auf mich warteten. Rechts an den Hochhäusern, wo Maik früher gewohnt hat, sagten sie mir, da stehen sie. Als ich dann die Straße lang rannte, erkannte ich dann tatsächlich das Haus von ihm und erkannte die beiden dann auch schon 100 Meter vorher, weil auch an der Stelle nicht viel Publikum war und riss die Arme hoch, als ich Sandra mit der Kamera auf mich gerichtet sah. Ging auch in diesem Fall wieder sehr flott, Wasserflasche überreicht (wenn auch nicht so professionell wie von Steffi) und weiter gings. Ich kann das gar nicht richtig beschreiben, aber diese 5 Sekunden reichen wirklich für einen Motivationsschub. Im Nachhinein sehe ich auch, dass ich in diesem Kilometer ziemlich "eingebrochen" bin mit "nur" 6:02 für den Kilometer 19.
Kilometer 20
Motivationsschub und siehe da, wieder ne gute 5:45 Zeit.
Aua, aua mein Knie!!! Inzwischen laufen 1/3 des Feldes nur noch und ich kann das an der Stelle sehr gut nachvollziehen, weil ich mich auch fürchterlich fühle. Aber den Kilometer schaffe ich auch noch.
DER LETZTE - KILOMETER 21
Meine Beine sind wie eingeschlafen und schwer wie Blei, mir geht die ganze Zeit nur durch den Kopf "Ach du Scheiße, Marathon wär jetzt noch ne Runde", das würde ich nie im Leben schaffen. Und das war wirklich ein Kilometer, der wirklich kein Ende nehmen wollte, ich kam mir trotz der ganzen Leute, die nur noch liefen, vor,als ob ich rückwärts laufe.
Zieleinlauf, ich stelle meine Uhr um, von Kilometertempo auf tatsächlich gelaufene Zeit. Viele setzen zum Schlussspurt an, die Zuschauer stehen in 5er Reihen links und rechts und brüllen einen ins Ziel. WTF 2 Stunden 3 Minuten und 42 Sekunden. 100 Meter vor dem Ziel, positiv geschockt von der Zeit wollte ich jetzt unter 2 Stunden und 4 Minuten bleiben und sprintete los wie ein Irrer. Im Ziel stoppe ich die Uhr und tada 2:03:55! Ich bin fick und fertig

Im Ziel wurde man direkt weiter gebeten, obwohl man sofort umfallen könnte, aber gut, weiter gehts, links gabs wieder Wasser, von dem ich 2 mal nippte und da sah ich dann endlich den Bierstand

Total verschwitzt merkte ich dann erst den richtig kalten Wind, der über mich zog, als wär ich oberkörperfrei, 50 m weiter gabs dann Plastikumhänge, die vor dem Wind schützten.
Wo sind die Glücksgefühle? Ich habs geschafft in ner (für mich) Top-Zeit und trotzdem hab ich mich kaum gefreut, war nur genervt von der Enge und der Kälte. Die Glücksgefühle kommen hoffentlich später.
Also wieder zum Startpunkt, wo ich Isa verabschiedet hatte in der Annahme, dass sie dort stehen würde (wir haben uns allerdings keinen Treffpunkt vorher vereinbart....).
Kurz 2 Minuten gewartet, hm nee hier ist sie nicht, mir ist kalt und ich versuchs an nem anderen Fleck, wo wir auch 15 Minuten vor Start rumstanden. Tadaaa


Entkräftet gings dann nach Hause, wo ich mich auf Essen und ne kochend heiße Badewanne freute. Angekommen und siehe da GLÜCKSGEFÜHLE, endlich! Meine Beine, meine Knie, meine Hüfte tun weh, aber das ist Siegerschmerz!!
Danke, dass ihr an der Strecke wart und mich motiviert und mit Flüssigkeit versorgt habt. Ohne euch wär ich nicht so schnell ins Ziel gekommen <3
Auf den Marathon im September (ach du heilige...)
