Hallo,
Werner Sonntag hat in einer Rezension Runner´s World 10/2001) über eine Buch von Sebastian Roth mit dem Titel "Kompensatorisches Laufen als sozialpädagogische Hilfestellung in der Suchtkrankenhilfe" zu dem Thema Laufsucht folgendes geschrieben
(sorry, wenn es zu lang ist):
..."Sebastian Roth, ein junger Sozialarbeiter, angehender Suchttherapeut und aktiver Langstreckenläufer, hat in diesem Jahr mit seiner Diplomarbeit eine kompakte Erörterung vorgelegt.
Darin macht er zunächst einmal deutlich, wie sehr der Begriff „Sucht" schillert, so sehr, dass ihn die Weltgesundheitsorganisation durch „Abhängigkeit" ersetzen möchte.
Ich finde, dass damit ein schillernder Begriff nur durch einen anderen schillernden ersetzt würde.
Ein Arbeitnehmer ist abhängig von seinem Arbeitgeber, aber damit ist er nicht arbeitssüchtig; ein Christ ist abhängig vom Christentum, und wahrscheinlich sind wir Läufer abhängig vom Laufen; wir merken es, wenn wir ein paar Tage nicht gelaufen sind.
Aber damit sind wir noch nicht süchtig. Nicht einmal diejenigen, die jede Woche einen Marathon oder auch zwei laufen, kann man als süchtig bezeichnen; selbst exzessives Laufen bleibt eine freie Entscheidung, sie kann jederzeit ohne Entzugserscheinungen rückgängig gemacht werden. Eventuelles Missbehagen, weil man nicht laufen kann, ist nicht entfernt mit dem Zustand nach der Absetzung von Drogen zu vergleichen.
Nicht bestritten werden soll, dass ein exzessives Lauftraining dieselben Folgen wie eine Sucht haben kann, nämlich zu Problemen in der Familie und im Beruf oder, wenn notwendige Pausen zur Ausheilung einer Verletzung nicht eingehalten werden, zu einer Selbstschädigung führen kann. Wer Ultraläufern vorhält, an ihnen zeige sich ein Merkmal der Sucht, nämlich die Verstärkung der Dosis, kennt die Realität nicht. Extreme Herausforderungen nimmt man gewöhnlich nur ein oder wenige Male an; sie lassen sich nicht beliebig wiederholen.
Wer scheitert, fällt keineswegs wie ein Drogenabhängiger ohne Droge psychisch in ein Loch, sondern sucht sich ein neues Ziel. Auch Sebastian Roth lehnt die Annahme einer Laufsucht ab.
Der von ihm zitierte Professor Wolfram Schleske unterscheidet zwischen positiver und negativer Abhängigkeit. In seiner Sicht ist das Laufen als eine gesunde Gewohnheit, die das Selbstwertgefühl und das Selbstvertrauen, das Wohlbefinden und die Handlungsfähigkeit erhöht, unter den Begriff „positive Abhängigkeit" einzuordnen.
Ein starkes Argument gegen die behauptete „Laufsucht" ist: Man kann ja wohl nicht eine Sucht durch eine andere bekämpfen. Das wird zwar manchmal salopp so dargestellt, aber wenn man Parallelen zu medikamentösen Therapien zieht - erinnert sei an die Rücknahme eines cholesterinsenkenden, aber wahrscheinlich krebsauslösenden Medikaments -, wird der Denkfehler deutlich.
Man darf nicht den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Laufen ist eben nicht der Beelzebub, es hat außer vielleicht einem orthopädischen Risiko keine Nebenwirkungen.
Welche Herausforderungen an den therapeutischen Beitrag des Laufens gestellt werden, machen diese Zahlen deutlich: In Deutschland leben etwa 2,5 Millionen behandlungsbedürftige Alkoholkranke, bis zu 1,4 Millionen Menschen sind medikamentenabhängig, und etwa 100000 Menschen sind abhängig von illegalen Drogen".....
Vielleicht gibt es ja gar keine Laufsucht,oder doch?
Wenn es sie gäbe, wer würde das schon zugeben bzw. diese "bekämpfen"? Sollte man das überhaupt?
Oder ist Sportsucht was ganz anderes als Laufsucht?
Viele Grüße
wirdschon
Unsere gesicherten Erkenntnisse von heute sind die großen Irrtümer von morgen.