
Es gibt verschiedene Startgruppen: Anfänger, Feuerwehrlauf, Fortgeschrittene Läufer, Profis & Elite sowie Spaß- & Funläufer. Und wo soll ich mich nun anmelden? Als stufenaffiner Dauerläufer der eine stetig, beständige Gangart bevorzugt. Die Teilnehmerliste ist noch ziemlich übersichtlich. Der einzige echte Profi für Treppentürme ist Thomas Dold. Der wird aber in seiner eigenen Liga außer Konkurrenz starten. Da mir das Zeitfenster 12:30 – 13:30 am besten reinpasst entscheide ich mich völlig unbescheiden für die Gruppe der Profis & Elite.

Um kurz vor Mittag bin ich am Bahnhof. Die Startgruppe der Fortgeschrittenen ist gerade beim Anstehen an den beiden Treppenhäusern. Diese befinden sich schräg gegenüber voneinander im Turmbereich und führen bis zur Dachterrasse in der 10. Etage. Thomas Dold hat bis dahin bereits eine Zeit von 59:04 Sekunden vorgelegt. Bis zu meinem Start habe ich ja noch etwas Zeit, denn ich mit Smalltalk mit rumstehenden Läufern verkürze. Mein Licht nicht unter den Scheffel stellend habe ich - ganz und gar nicht zufällig oder gar unauffällig – mein Finishertrikot vom Mt. Everest Marathon mit der 19:08:23 Zielzeit auf dem Rücken, angezogen. Von meiner Großspurigkeit, auf langatmige Laufspektakel derart dekadent hinweisen zu müssen, ist aber wohl nur das Zeitmess-System beeindruckt, so dass es unmittelbar vorm geplanten Starttermin, kurzzeitig seinen Geist aufgibt. Eine geschlagene Viertelstunde später als geplant kann es nun losgehen. Da ich zumindest einmal erster sein will heute, schaue ich mir kurz an welches Treppenhaus in präferiere und stelle mich dann vorne an. Ein kurzes „Los“ und ich renne durch die Tür und über die untere Zeitmessung. Die Treppe empfängt mich und ich nehme die ersten beiden Stufen ich in einem Rutsch.
Die Besonderheit ist heute nicht nur das „echte“ Hochlaufen sondern auch der Linksdrall, der sich durch die gewendelte Treppe ergibt. Noch fliegen die Etagen nur so vorbei und gleichzeitig verfliegen mit ihnen auch meine Luftreserven. Noch schaffe ich es mein mutig angesetztes ICE Hochgeschwindigkeitstempo zu halten. 5, 6, 7A! - 7B und schlagartig schlägt der Drehzahlbegrenzer nach rechts zurück. Auch der unterstützende Griff zum roten Handlauf kann nicht verhindern, dass mein linker und rechter aufs Gas drückender Bleifuß urplötzlich zum „schwer wie Blei“-Fuß werden. Beißen – ‚Ist nicht mehr weit‘, diese alte Dauerläuferphrase hilft nicht wirklich. Schwer wird nun nicht nur die Atmung, sondern auch die Beine, für die ab jetzt jede Stufe eine Überwindung Ihrer persönlichen Hemmschwelle darstellt.
Endlich die 8 und vorbei am Eingang zum Bistro. Und weiter Versuchen das nun zwangsweise gemäßigte Lauftempo halbwegs zu halten. Noch 2! Ende in Sicht. Der Ausstieg zur Dachterrasse erfolgt über ein paar gerade Stufen. Am Schluss der heißersehnte Zielbalken. „Geh“mächlich wie ein Bummelzug erreiche ich die Treppenkante und sehe wie mein Gegner auf der anderen Seite gerade jubelnd die „herzergreifende“ Sache beendet. Frischluftschnappend bis zum Anschlag erreiche ich den Anschlag in Form eines roten Buzzers. Erst mal kräftig durchatmen und die gute Höhenluft einatmen. Dass in Stuttgart bis gestern Abend Feinstaubalarm ausgerufen war vergessen wir dabei mal lieber schnell.
Danach heiß es: Oben bleiben“. Nein nicht der ganze Bahnhof, wie von S21 Gegner bei den Montagsdemos skandiert, sondern nur solange bis die nächsten Läufer hoch kommen. Erst dann gibt es eine kurze Pause in der wir die obersten 2 Etagen zu Fuß hinuntergehen müssen, da der Aufzug nur bis zur 8. Etage reicht. Die Beine fühlen sich dabei ganz merkwürdig an. Irgendwie weich und labbrig. Und obwohl es noch 2 Wochen bis Ostern sind gehen ich wie auf Eiern. Im Bistro auf Etage 8 ist Wasser und Obst bereitgestellt. Thomas Dold lehnt entspannt am Fenster und fragt wie es uns gefallen hat. Da er uns als nächste Steigerung den Frankfurter Messeturm-Run wärmstens empfiehlt, nutze ich die Gelegenheit ganz dezent auf Alternativen wie den Wildbader Stäffeleslauf hinzuweisen und erwähne nebenbei ganz zufällig und unbescheiden meine bereits absolvierten Großtaten und verteile ungefragt Insidertipps an die arglos unbelasteten Unwissenden um mich herum. Auch dem zertifizierten Treppenmaster Dold bleibt nix anderes übrig als gute Miene zum bösen Spiel zu machen und meinen Monolog scheinbar teilnahmsvoll zu folgen. Damit ich endlich Ruhe gebe und meinem Redeschwall ein Ende bereitet wird verspricht er mir artig mal über einen Start in Wildbad nachzudenken. Na also ein Anfang wäre damit doch schon gemacht. Schließlich wäre er nicht der erste, für den der Besuch dieser Treppe als Triebfeder für weiteren „aufsteigenden Blödsinn“ gedient hat.
Als ich mir am Start das ausgedruckte Ergebnis meines bisher kürzesten Wettkampfes (1:37:85 - Minuten wohlgemerkt) anschaue stelle ich erstaunt fest, dass mein Gegner eine schlechtere Zeit hatte als ich, obwohl er augenscheinlich vor mir oben war. Wie das? Gibt es zwischen den beiden Treppenhäusern einen Zeitkiller durch eine differente Messstrecke? Oder ist beim Absturz des Systems die Zuordnung der beiden Treppenhäuser vertauscht worden? Egal die Zeit ist heute eh irrelevant. In der kleinen Startgruppe der selbst ernannten Profis erreiche ich zwar einen akzeptablen 6. Platz. Da sich in den anderen Startgruppen aber einige wohl bewusst falsch eingeordnet haben (Hinweis: Ausschlaggebend war hier wohl der Hinweis in der Ausschreibung, das die ersten 3 jeder Gruppe Preise erhalten) bin ich gesamt betrachtet bescheidener 41. von 122 Startern geworden. ‚Schuster bleib bei deinen Leisten‘. Meine Leidenschaft gilt ausdauernden Aktivitäten


