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Berglauf Thyon-Dixence (CH) [Bericht]

Berglauf Thyon-Dixence (CH) [Bericht]

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Hier ein kurzer Erfahrungsbericht zu meinem ersten Berglauf, dem Thyon-Dixence im schönen Wallis.

Im Zuge meiner Halbmarathonvorbereitung habe ich schon früh nach einem geeigneten Lauf während der Ferienzeit gesucht um meinen Trainingsplan etwas aufzupeppen. Da ich mich mehrmals im Jahr im Wallis aufhalte, kam ich auf die Idee dort mal nach einem Lauf zu schauen und wurde schließlich bei besagtem Berglauf fündig.

Der Lauf startet auf 2095 m ü. M. im futuristisch anmutenden aber mittlerweile etwas abgenutzen Thyon 2000 (liegt im Skigebiet 4-vallees). Der Lauf führt am den rechten Ausläufer des Val'd'Herens entlang auf den Stausee "Grande Dixence" zu. Der Zieleinlauf befindet sich direkt auf der Staumauer auf 2365 m ü. M. Die Gesamtstreckenlänge ist mit 16,3 km angegeben und enthält zwei größere Steigungen über 300-400m. 70% der Strecke besteht aus (teilweise recht abenteuerlichen) engen Bergpfaden, der Rest aus normalen (breiteren) Wanderwegen. Der höchste Punkt liegt auf 2420m ü. M. etwa ein Kilometer vor dem Ziel.
Bei schönem Wetter ist der Lauf ein echtes Erlebnis und für jeden Genußläufer wärmstens zu empfehlen (Bin selber zwar keiner, genieße die Landschaft aber auch), da man die ganze Zeit auf den Stausee zuläuft und einen Blick auf mehrere Viertausender hat (Dent Blanche, Matterhorn, etc...). Nähere Info gibts unter http://www.thyon-dixence.ch.

Da ich bisher noch keinerlei Erfahrung mit Bergläufen hatte habe ich mich natürlich hier im entsprechenden Forum ausführlich schlau gemacht was denn da zu beachten wäre (Danke nochmal an alle Tipp-Gebenden :daumen: ).

Vor dem Lauf habe ich mir das Streckenprofil vorgenommen und anhand der Steigungen den Lauf geplant. Für die Steigungen habe ich dabei 8 min/km angesetzt, für Gefällstrecken 5min/km und für halbwegs ebene Streckenteile 4,5 min/km. Dabei kam ich insgesamt auf eine Zielzeit bei ca. 1:45, was ziemlich genau der Hochrechnung anhand meiner Halbmarathonzeit von 1:36 entsprach.

Der Lauf sollte am So den 7. August 2005 stattfinden. Um mich an die Höhe zu gewöhnen bin ich bereits Freitag angereist (Habe so auf 1500 m. ü. M. gewohnt). Dummerweise hatte ich bereits am Freitag den Anflug einer Erkältung die im Verlauf des Wochenendes noch schlimmer wurde, so dass ich dem Sonntag mit sehr gemischten Gefühlen entgegensah. Das Wetter war am Freitag noch wunderbar, am Samstag Mittag jedoch begann ein rasanter Abstieg, was die Laune zusätzlich nach unten trieb.
Als ich Sonntag morgen um 7:00 Uhr aufstand waren die Voraussetzungen denkbar schlecht: Regen, dichte Wolkendecke, leichter Nebel, 7°C auf 1500 m.ü.M. und meine Erkältung befand sich auf ihrem Höhepunkt. So ein Mist
:eek: . Nach einer heißen Dusche und entsprechender Befreiung der Atemwege faste ich jedoch wieder neuen Mut und fuhr zum Start hoch, deswegen war ich schließlich hauptsächlich hier!
Oben betrug die Temperatur etwa 5°C. Da es im Zielbereich auf dem Stausee eher noch etwas frischer ist beschloß ich meine GoreTex-Jacke erstmal anzubehalten. Um 10:00 sollte der Lauf starten, die erste Gruppe, Kategorie Touristen, war bereits um 8:00 Uhr gestartet. Zielschluß für beide Gruppen um 13:00 Uhr.

Als um 10:00 Uhr der Startschuß fiel, hatte ich bereits eine halbe Packung Fisherman's Friend extra stark weggelutscht. Das Wetter zeigte leider keine Besserung. Frischen Mutes setzte sich die Gruppe von ca. 250 LäuferInnen in Bewegung.

Die führt ab Start leicht bergauf auf Wanderwegen wo Überholen noch problemlos möglich ist. Nach den ersten 1,5 km und 80 Höhenmetern wird auf einen engen Bergpfad gewechselt, wo überholen so gut wie garnicht mehr möglich ist (außer durch willenloses herumgehoppse über Alpenrosen und Fingerhüte sowie andere üppige Vegetation). Es ist also ratsam sich auf dem ersten Teil der Steigung dort im Feld einzureihen wo man beim Anstieg sein Tempo wiederfindet, sonst behindert man andere bzw. wird unnötig aufgehalten. 200 Höhenmeter und 2 km später erreichte ich schließlich den ersten "Höhepunkt" des Kurses, "Termeno Ro" auf 2360m bei km 3,3. Dieser Punkt liegt etwas oberhalb einer Hochebene mit kleinen Seen auf die man dann hinunterläuft. Um das teilweise sehr langsame Tempo (z.T. schnelles gehen mit Puls bei 90%) beim Anstieg wieder wett zu machen begab ich mich dann im halsbrecherischen Tempo bergab neben dem Weg über das Gras in Richtung des ersten Verpflegungspostens auf 2180 m bei km 5,5 ("Essertse").

Dort angekommen offenbarte ein Blick auf die Uhr, dass ich sehr gut in der Zeit lag (34:40 anstatt planmäßig 36:40), also gönnte ich mir drei Minuten Pause um meinen Hals und meine schmerzenden Stirnhöhlen mit heißen Getränken zu pflegen (Das war richtig gut bei dem kalten Wetter :daumen: ). Und weiter gings auf das 6 km lange Mittelstück ohne nennenswerte Steigungen.

Der Weg wurde nun wieder zu einem schmalen Bergpfad wo es links sehr steil runter ging und rechts sehr steil rauf (teilweise auch Felswände). Für diesen Streckenteil hatte ich eigentlich einen Schnitt von 4,5 min/km vorgesehen, da wußte ich allerdings noch nicht wie dieser beschaffen ist: Durch den erhöhten Publikumsverkehr und den Regen des vormittags war er sehr matschig und teilweise sogar glitschig. Ab und zu mußte man über Felsbrocken steigen und an zwei Stellen das felsige Bett zweier Gebirgsbäche überqueren. Aufgrund des starken Gefälles war hier überholen gänzlich unmöglich (und aufgrund der Wetterlage auch gefährlich), so dass der Schnitt knapp unter 5 min/km lag. Man mußte sich auf diesem Wegstück sehr konzentrieren seinen Fuß auf die richtige Stelle zu setzen um Umknicken oder Hängenbleiben zu vermeiden. Der Vorteil war dass mein Puls hier bei entspannten 75% lag und ich so Energie für den finalen Anstieg sammeln konnte. So ging es im Wesentlichen weiter bis km 12, wobei zwischendurch noch eine Verplegungsstation (wieder mit Heißgetränken) war.

Anmerkung zwischendurch: Es gibt insgesamt drei Verpflegungsstationen entlang der Strecke, bei km 5,5, km 8,5 und km 13. Das sind genau die Stellen im Kurs wo der Weg mal breiter ist und man die Strecke mit dem Geländewagen erreichen kann. Außerdem sind an jedem Posten und noch zwei anderen Stellen Ärzte "stationiert".

Bei km 12 auf 2150 m ü. M. begann schließlich der finale Anstieg. Es ging jetzt relativ steil bergauf, so dass ich grade noch, ein sehr langsames Tempo, laufen konnte (Puls bei 90%). Auf 2250 m ü.M. erreichte ich schließlich den letzten Verpflegungsposten bei km 13. Hier nahm ich mir nochmal zwei Minuten Zeit zum Verschnaufen da nach Streckenplan jetzt das steilste Stück vor mir lag.

Als ich kurz nach dem Posten um die Ecke kam und den Anstieg in begann, sah ich endlich entfernt zwischen den Wolken die Staumauer auftauchen, auf der die Ziellinie zu erahnen war (Die würde man bei gutem Wetter die ganze Zeit bewundern können). Ein Blick auf die Uhr sagte 1:08. Wow :daumen: , da komme ich ja noch locker unter 1:40 an, dachte ich - das war wohl ein Irrtum wie sich noch herausstellen sollte.

Aber jetzt gings erstmal steil nach oben (ca. 90 m auf 500m). Das ganze gestaltete sich als der besagte Bergpfad der sich in 10m breitem Zick-Zack-Kurs (Serpentinen) die Hangfalllinie hoch schlängelte. Jetzt war bei bestem Willen nur noch an gehen zu denken (Hier ist niemand mehr gelaufen). Oben angekommen auf ca. 2350 m ü. M. hatte man dann schon einen Blick auf das Ziel, etwa auf dem selben Niveau - jetzt konnte ja nicht mehr so viel kommen - nur noch starke zwei Kilometer, außerdem sollte es jetzt nochmal ein bißchen bergab gehen, bevor es vor dem Ziel nochmal etwas hochgeht.

Nachdem ich um die Ecke gebogen war ging es erstmal genauso runter wie es eben hoch gegangen war - ein steiler Zick-Zack-Kurs, nur dass dieser zusätzlich wegen des Wetters eine Matschpiste war: Schlitterpartie steil bergab (ca.50m runter). Als ich unten angekommen war und nach oben sah erreichte mich dann der mentale Schock des Tages :eek: .

Irgenwo am Horizont 5000m höher als ich sah ich die Kette aus Läufern über der Hangkante verschwinden :help: , obwohl hier ein relativ grader Weg schnurstracks zum Stausee führte (Wie sich herausstellte waren es dann doch nur ca. 150 Höhenmeter auf ein Kilometer). Das hatte ich nicht erwartet :nee: ...

Eine lange, behäbige, qualvolle Weile mit weichen Oberschenkeln später befand ich mich endlich auf dem höchsten Punkt der Strecke, 2420m und blickte hinab auf die Staumauer, die grade halb in einer Wolke verschwunden war - Jetzt gehts nur noch runter - Juhu. Das letzte Stück der Steigung war wieder ein normaler breiter Weg, aufgrund der allgemeinen Erschöpfung meiner Oberschenkelmuskulatur ging ich aber erstmal weiter. Die Spezialisten die mich jetzt im Laufschritt überholten, sollte ich gleich wieder einholen, die blieben nämlich oben stehen :hihi: .

Schließlich ging es in drei großen Serpentinen auf einer Schotterstraße nach unten, um dann schließlich nach rechts von hinten kommend auf die Staumauer einzubiegen - Zielsprint in den Nebel :D ! Nach zweihundert Metern tauchte ein Schild im Nebel auf: Noch 300m. Zielsprint wurde unterbrochen. 300m später war ich ziemlich fertig und nach Luft schnappend in 1:49:56 im Ziel. Da hat sich das letzte Stück doch etwas gezogen :tocktock: .

Nachdem ich meinen Rucksack an der Gepäcksammelstelle gefunden und mein Erinnerungs-Shirt in Empfang genommen hatte und mit der Seilbahn runter zum Fuß der Staumauer gefahren war, konnte ich den Lauf während der Rückfahrt mit dem Bus zum Start (ca. 60min, sehr enge Straße) Revue passieren lassen.

Fazit:
- Bei gutem Wetter ist das ein wunderschöner Berglauf, den man jedoch aufgrund seiner relativ harmlos wirkenden Eckdaten leicht unterschätzt (Bin am nächsten Tag bei Bilderbuchwetter das erste Drittel nochmal abgewandert, war toll)
- Bei schlechtem Wetter eher was für Cracks.
- Die Startgebühr von 25,- SFR geht voll in Ordnung (Bußtransfer, Seilbahn, T-Shirt, Verpflegung)
- Wenn ich die Strecke vorher schon gekannt hätte, wären warscheinlich 5 Minuten weniger drin gewesen, weil man dann die breiten Teile kennt und entsprechend Pace nachen kann.
- Bei Regen und schlammigen Wegen könnten sich Trailschuhe lohnen
- Nix für Leute mit Höhenangst oder solchen, die noch nie einen Bergpfad gesehen haben
- Die teilweise engen und felsigen Wegstücke erfordern etwas Vertrauen in die eigene Zielsicherheit was das Aufsetzen der Füße betrifft
- Die 5,- SFR für die Versicherung bei Unfall (Helikopter, Behandlung etc.) sind gut angelegt
- Von der Belastung etwa mit einem Halbmarathon vergleichbar

Sollte ich nächstes Jahr Lust und Zeit haben, laufe ich gerne wieder mit, wenn das Wetter gut ist auf jeden Fall! Das lässt sich auch gut mit einem anderen Berglauf in der Gegend größeren Kalibers kombinieren: Sierre-Zinal (30km).

Viele Grüße,
Maxim

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Hi Maxim,
Danke für den schönen Bericht! Das hört sich ja wirklich so an, als müsste man sich den Lauf merken. Die Gegend ist ja auch allegmein zum urlauben nicht schlecht...

Viele Grüße

Michael

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Toller Bericht.

ich bin ja nicht so der Gebirgsfreak, aber deine Beschreibungen haben mir gut gefallen. :daumen:

Und Glückwunsch zum unfallfreien Ankommen!

Heike
Èinen Marathon beenden viel mehr Leute ohne Hirn als ohne Schuhe.

Wowww, Klasse-Bericht und tolle Leistung !

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Die Lahme_Ente hat Recht, dies ist ein wirklich spannender Bericht, verleitet richtig zum Mitlaufen, vielen Dank mhrab und Gratulation zu der hervorragenden Zeit ! :daumen:

Nach deinem Profil zu urteilen gehörst Du zu den schnelleren Läufern im Forum. Waren da auch langsamere Läufer dabei und konnten finishen, damit meine ich alle über 2h HM- Läufer ? Wie war das mit den Touristen, die sind zwar 2h vor dir gestartet, aber habt ihr die nicht eingeholt oder haben die behindert, wenn teilweise Überholen unmöglich war ?

Der Lauf scheint, wie es in der Schweiz üblich ist, sehr gut organisiert zu sein. Ausschreibung ist alles auf Französisch, kommt man da ohne Französischkenntnisse auch über die Runden ?

Freut mich, daß dir der Berglauf gefallen hat. Ich halte solche Bergetappen mit mittleren HM für weitaus anspruchsvoller, als die doppelte Strecke in der Ebene. Ich freu mich auf deine nächsten Laufberichte und wünsch dir einen erfolgreichen HM !

Gruss
Guenthi

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Guenthi hat geschrieben:Die Lahme_Ente hat Recht, dies ist ein wirklich spannender Bericht, verleitet richtig zum Mitlaufen, vielen Dank mhrab und Gratulation zu der hervorragenden Zeit ! :daumen:
Merci vielmals, wie der Schweizer sagen würde...
Guenthi hat geschrieben:
Nach deinem Profil zu urteilen gehörst Du zu den schnelleren Läufern im Forum. Waren da auch langsamere Läufer dabei und konnten finishen, damit meine ich alle über 2h HM- Läufer ? Wie war das mit den Touristen, die sind zwar 2h vor dir gestartet, aber habt ihr die nicht eingeholt oder haben die behindert, wenn teilweise Überholen unmöglich war ?
Die meisten "Touristen" waren schon im Ziel, einige wenige haben wir allerdings auch überholt. Der schnellste Tourist hatte dieses Jahr ein 1:32er Zeit, also nur 20 min langsamer als die Spitze im normalen Lauf.
Ich habe meine HM-Zeit vorher mal 1,16 genommen um meine Zielzeit zu schätzen, was recht akkurat war. Das kannst Du ja auch machen um einen Anhaltspunkt zu erhalten...
Wenn Du unter 3h bleibst kannst Du um 10:00 starten, ansonsten um 8:00.
Preislich und was das drumherum betrifft ist es wohl egal.
Die langsamsten Läufer hatten Zielzeiten um 3:35 (natürlich dann bei den Touristen).
Guenthi hat geschrieben: Der Lauf scheint, wie es in der Schweiz üblich ist, sehr gut organisiert zu sein. Ausschreibung ist alles auf Französisch, kommt man da ohne Französischkenntnisse auch über die Runden ?
Es gibt auch eine deutsche Variante der Ausschreibung als PDF zum Herunterladen (reglement deutsch).
Nach meiner Erfahrung spricht etwa die Hälfte der Menschen in der französischen Schweiz deutsch, man kommt also ganz gut zurecht (Ich selber spreche kein französisch, allerdings verstehe ich ein paar Brocken).
Gesperrt

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