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Rund um den Baldeneysee: 60. Marathon Essen; 09.10.22

Rund um den Baldeneysee: 60. Marathon Essen; 09.10.22

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Am 09.10.22 startete ich zum 2ten Mal nach 2016 bei der ältesten deutschen Marathon-Veranstaltung,- und zwar in Essen, "Rund um den Baldeneysee".
Es war ein Jubiläumslauf, denn er fand bereits zum 60ten Male statt.
RW hat hier zwar auch schon kürzlich drüber berichtet, aber dennoch möchte ich hier gerne meine persönlichen Erfahrungen schildern.
Noch immer hat der Lauf einen fast familiären Charakter, denn die ganz grossen Massen darf man hier nicht erwarten. Das liegt zum Teil auch daran, dass er terminlich genau zwischen den beiden grossen deutschen Marathon-Veranstaltungen in Berlin und Frankfurt liegt und zudem nur 1 Woche nach dem Köln-Marathon.
Dennoch bietet Essen eine reizvolle Alternative zu diesen Events, was sicher auch an der Strecke liegt: Die Marathoni`s müssen zweimal um den See laufen plus anfangs noch auf einer Wendepunktstrecke ca. 8km zurücklegen, denn eine Runde um den See ist nur ca. 17km lang.
Wurde vorher aber alles amtlich vermessen.
Die Strecke ist ziemlich flach, nur gelegentlich gibt es mal kurze, leichte Steigungen. Sie dürfte aber dennoch nicht ganz an die schnellsten deutschen Strecken wie in Berlin, Frankfurt, Düsseldorf oder Hannover heranreichen.
Der markanteste Teil führt über eine ältere lange Seebrücke, deren Untergrund massive Holzbohlen sind!
Übrigens: Im Jahre 1984 hat den Lauf ein gewisser Martin Grüning (Chefredakteur RW Deutschland) gewonnen, in der beachtlichen Zeit von 02:18,22h!
Rekordhalter mit 4 Siegen ist Elias Sansar (LG Lage-Detmold).
2016 lief ich hier eine 03:13,35h,- allerdings erst in meinem zweiten richtigen Laufjahr.
Die Anmeldegebühr war vergleichsweise günstig: Frühbucher zahlen für den MRT-Einzelstart nur 35 €; danach geht es aufwärts bis max. 59 €.
Also liebe Veranstalter in Berlin, Frankfurt und anderswo: Es geht auch anders (bzw. günstig)!

In Essen startete ich 4 Wochen nach dem Münster-Marathon,- sicher nicht ideal, aber machbar. Damit hatte ich schon mehrmals nicht die schlechtesten Erfahrungen gemacht. Würde sowas aber dennoch nicht bedingungslos jedem weiterempfehlen.
In Münster lief mein Rennen alles andere als optimal: Ich hatte mich dort wirklich überschätzt, bin zu schnell angelaufen; d.h. habe mich zu sehr mitreissen lassen (auf sub-3 Std. angelaufen!) und dann auf der 2.Hälfte übel eingebrochen, so dass am Ende nur die für mich enttäuschende Zeit von 03:13,12h heraussprang,- sehr deutlich über meiner PB.
Allerdings hatte mich 5 Wochen zuvor auch noch eine leichte Zerrung geplagt, die mich doch etwas zurück geworfen hatte.
Nach Münster konnte ich nach einer knapp einwöchigen Regenerationsphase aber noch gut weiter trainieren, so dass ich recht zuversichtlich auf Essen blickte.
2 Wochen vorher z.B. gelang noch ein ordentlicher 33km-Lauf mit 13km Endbeschleunigung; dazu 3 solide Tempodauerläufe über 16km etc.
Der Umfang ging nochmal bis 110 WKM hoch,- aber danach habe ich natürlich planmässig getapert.
Ob es dann wirklich genug Tapering war,- hm, da kann ich nur spekulieren oder mutmassen. Ich orientierte mich am Tapering-Verfahren nach Greif/Hottenrott (2012), was sich eigentlich immer bewährt hatte.

Die Nacht vor dem Lauf bekam ich leider nur sehr wenig Schlaf: Ganze 03:40h ! :peinlich:
Carboloading betrieb ich wie immer recht gewissenhaft, aber die ziemlich grosse Portion Polenta mit Rosinen am Vorabend um 19.00h war eigentlich zu spät angesetzt. Danach musste ich unbedingt noch einen 3km-Verdauungsspaziergang machen!
Vor 24 Uhr kann ich aber ohnehin nicht einschlafen, was auch an meinen Arbeitszeiten liegt, die oft erst am späteren Abend beendet sind.
Also mein Bio-Rhythmus ist da entsprechend getaktet.
Um 4:15h klingelte der Wecker, und danach gab es ein leichtes Frühstück mit 3 Scheiben Weissbrot m. Honig; Zuckerrübensirup; Marmelade und Schokoaufstrich.
Es waren aber nun noch mehr als 5 Std. bis zum Start, so dass ich mir noch etwas Verpflegung mitnehmen musste (Banane, Datteln u. noch 1 Weißbrotscheibe m. Schoko), welches ich dann im Zug bis ca. 2,5 Std. vor Start verzehrte.
Mein WK-Gewicht lag dann aber doch nur so um die 62,5kg,- das war im Soll. Im Training geriet ich zwar auch schon mal unter die 60kg-Grenze, aber dass erschien mir dann doch etwas zu wenig zu sein bei 178cm Grösse.

Ich reiste also mit der Bahn an, die zum Glück (wieder) relativ pünktlich fuhr. Am Tag zuvor hatte es noch wegen eines Sabotageaktes ein riesengrosses Chaos mit vielen Ausfällen gegeben,- vor allem in Norddeutschland.
In Essen nach ca. 90 Min. Fahrzeit am HBF angekommen, erstmal grosse Irritation: Die geplante S-Bahn, die mich eigentlich zum Startort am Baldeneysee bringen sollte, fuhr diesen Ort heute gar nicht an!
Jetzt kam schon etwas Panik auf,- zumal Busse dort auch nicht hinfuhren,- und ein teures Taxi wollte ich jetzt nicht nehmen, höchstens im Notfall.
Ich hatte aber Glück: Auch andere Läufer standen bereits fragend vor den Anzeigetafeln und suchten auf ihren Smartphones nach Infos.
Einer rief seine Frau an, die in Essen lebte und dann glücklicherweise schnell mit dem PKW kam und uns mitgenommen hat! :zwinker5: Danke nochmal! Am Baldeneysee um ca. 8:30h angekommen, lag dieser noch komplett in dichten Nebel gehüllt,- nur ganz fahl schimmerte die Sonne hindurch!
Mit 8 Grad war es auch noch ziemlich kühl, so dass ich etwas wartete mit dem Umziehen; an der Uferpromenade entlang schlenderte und Handy-Fotos-und Videos machte.
Eine kleine Jazz-Band sorgte bereits für Stimmung, und immer mehr Teilnehmer trudelten ein.
40 Min. vor Start wurde es dann aber Zeit zum Umziehen: Ich entschied mich für Kurz/Kurz, da es bis zum Mittag noch wesentlich wärmer werden sollte. War auch eine gute Entscheidung, und die meisten praktizierten das so.
20 Min. vor Start nochmal 0.6l Wasser getrunken (mit L-Carnitin u. etwas Salz versetzt) und ein letztes Mal aufs` Dixie. Danach war aber kaum noch Zeit zum ordentlichen Einlaufen,- dass war wirklich nicht gut.
Pünktlich um 10h strahlte die Sonne vom blauen Himmel und der Nebel hatte sich aufgelöst. Der Essener Bürgermeister hielt die Ansprache und gab den Startschuss.
Am Start wohl so um die 400 Teilnehmer,- also noch recht überschaubar und deutlich weniger als in Vor-Corona-Zeiten.
Ich reihte mich in die Gruppe um den 03:15h-Pacemaker ein und lief dann in dieser noch einige KM mit. Das schien mir diesmal defensiv genug zu sein, auf jeden Fall deutlich defensiver als noch in Münster. Die Beine brauchten aber ohnehin noch eine Weile, um richtig auf Betriebstemperatur zu kommen.
Na ja, so richtig frisch fühlten sie sich jetzt auch nicht an, und in Hüfte u. Rücken zwickte es noch etwas, daher blieb ich eher skeptisch.
Ich hoffte aber, zumindest eine sub-03:10h laufen zu können,- zwar immer noch deutlich über PB, aber das erschien mir realistisch zu sein und ich wusste, dass ich das drauf hatte.
Erstmal also die 8 Zusatz-KM auf der Wendepunktstrecke laufen, auf der einem bald auch schon die Spitzenläufer entgegen kamen, daher mussten wir uns möglichst rechts halten, worauf ein Ordner auch vehement hingewiesen hatte.
Meine Pace pendelte sich bald im Bereich etwa zwischen 4:35 und 4:25/km ein, was mir ganz angemessen erschien.
AB KM 15 lief es auch mal um die 4:20/km, und nun begann bis ca. KM 30 meine beste Phase, in der ich diese Pace sehr konstant halten konnte.
HM-Zwischenzeit ca. 01:33h lag eigentlich im Plan. 3 Min. langsamer als in Münster.
Ich überholte jetzt allmählich immer mehr Läufer, was schon motivierend war. Mit 2 Läufern lief ich eine Weile mit, wechselte mich in der Führung ab, ehe ich mich dann doch langsam absetzen konnte, ohne zu stark zu forcieren.
Nun war ich meistens allein unterwegs, und direkt an der Uferstrasse bekam ich doch auch mal etwas Gegenwind zu spüren, der sich aber noch in Grenzen hielt.
Die Stimmung an der Strecke war sehr gut, und bei KM 31 griff ich zum ersten Mal an einer Verpflegungsstelle zu ISO und Wasser, wobei ich ein paar Schritte gegangen bin.
Natürlich wurde es jetzt muskulär härter, aber das kennt man ja schon. Auf jeden Fall hatte ich noch immer ganz gute Reserven,- wesentlich mehr als noch in Münster zu diesem Zeitpunkt.
Die Passage über die alte See-Brücke war schon was Besonderes, hier wurde auch eine Zwischenzeit genommen und ein Moderator peitschte uns nach vorn. Auch die Fotografen platzierten sich hier,- sowie auch an anderen Stellen.
Ab und zu bekam ich mal leichte Seitenstiche, die aber zum Glück wieder verschwanden. Hüfte und Rücken machten sich auch bemerkbar,- aber auch dass kannte ich schon vom Training her und war jetzt nicht so wild.
Merklich zäher wurde es erst so ab KM 36,- nun ging es eigentlich nur noch darum, irgendwie durchzukommen und zu kämpfen, also mentale Stärke zu beweisen, die sich spätestens nach dem Rennsteig-Ultra im Frühjahr deutlich verbessert haben dürfte.
Von hinten kam nun keiner mehr, ausser mal ein Staffelläufer, aber die brauchen ja auch nur viel weniger KM zu rennen.
Ich überholte dann noch eine junge Frau, es war die Dritte der W-Gesamtwertung (also am Ende lagen nur 2 Frauen vor mir).
Bei KM 38 nochmal Trinken, auch etwas Cola. Hier ging ich wieder einige Schritte, und das war folglich auch der langsamste KM mit 4:48.
Danach wieder etwas flotter, aber unter 4:35/km kam ich freilich nicht mehr, die Gräten wurden doch arg schwer und muskulär wurde es nun äusserst hart,- aber wundert das einen?
Dennoch diesmal nicht wirklich eingebrochen: 2. Hälfte nur 2:22 Min. langsamer als die Erste,- also damit kann ich noch leben.
Einen negativen Split hatte ich bisher nur ein einziges Mal erreicht: Bei meinem allerersten Marathon 2015 in Münster, wo ich aber auch extrem vorsichtig und nur auf Ankommen angelaufen bin.

Der Zieleinlauf an der Uferpromenade war schon grandios, die vielen Zuschauer pushten einen noch super, und an der Ziellinie schrie der Moderator mir schon entgegen, verlangte meinen Vornamen, den ich ihm auch tatsächlich noch laut zurufen konnte.
Mit der Zeit von 03:08,22h war ich letztlich doch ganz zufrieden, auch wenn sie für mich jetzt nicht überragend war und deutlich über PB. Aber immerhin Mindestziel erreicht und diesmal taktisch keinen groben Fehler gemacht.
Von meinen 11 offiziellen Marathon-Wettkämpfen, die ich seit 2015 gelaufen bin, war es jetzt der fünftbeste,- na ja, man wird halt auch nicht jünger und die Saison war schon nicht ohne: Im Frühjahr die harte Vorbereitung auf den Rennsteig-Ultra und dann der WK selbst hat schon mächtig Körner und Substanz gekostet, und im Sommer merkte ich dann bei 2 eher mässig verlaufenen Wettkämpfen über 10km, dass ich besonders auf der reinen Tempoebene etwas verloren hatte, also der Speed nicht mehr so gut war. Meine Bestform hatte ich bereits beim 50.Hermannslauf Ende April, wo ich nicht von ungefähr eine recht deutliche PB laufen konnte. Bis zum Rennsteig-Ultra konnte ich die Form dann noch ganz gut konservieren.

Im Zielbereich nahe dem Regattahaus am See dann erstmal ordentlich aufgetankt und lange mit extrem steifen und schmerzenden Beinen hin-und hergegangen. Zwischendurch auch mal etwas die Waden gedehnt,- hatte Angst, dass ich noch nachträglich Krämpfe bekommen könnte, was mir schon mal passiert war.
Ich holte meinen Kleiderbeutel ab und verzehrte noch einen grossen Proteinriegel, Banane und Kürbiskerne.
Ich kam dann später am Ufer, schön in der Sonne sitzend, noch ins Gespräch mit einem ca. 60jährigen Läufer, der mir sein Leid klagte:
"Bei KM 40 bekam ich plötzlich üble Wadenkrämpfe und bin nur noch gehend ins Ziel. Sowas ist mir noch nie passiert ..."
Ich versuchte ihn wieder etwas aufzubauen. Bei einem Marathon kann eben alles passieren und es gab auch mal wieder einige Teilnehmer, die ganz aufgeben mussten.

Bei der Siegerehrung in der warmen Nachmittagssonne dann frohe Botschaft: Ich erreichte den 3.Platz in meiner AK (55)!
Gesamtplatz 32, auf den ich mich im Rennen noch vorgearbeitet hatte, nachdem ich anfangs nur so um Platz 60 gelegen hatte.
Es gab ein paar schöne Sachpreise, u.a. ein Boule-Set, was mich doch überrascht hatte. Plus ein Sechserpack alkoholfreies Bier.
Die Veranstalter haben sich wirklich nicht lumpen lassen.
Allerdings musste ich nun alles wieder allein zurück zu Bahn befördern: Der extra Gepäckbeutel wog ca, 9kg! :peinlich:
Zumindest fuhr jetzt wieder planmässig die S-Bahn zurück zum HBF, von wo aus ich um 18.30h die Rückreise antrat.

Ein wahrlich ereignisreicher und mehr als anstrengender Tag, der sicher unvergesslich bleiben wird!
PB Marathon: 02:57,20h (Münster, Sept.2019) HM-Splits: 01:28,34 / 01:28,46; AK-Platz 6
50.Hermannslauf April 2022: 02:16,37 (31,1km Trail, ca. 520 HM; 700M. Gefälle); AK-Platz 4 (von über 400 in AK 55)
49.Rennsteig-Supermarathon Mai 2022: 06:47,56h (73,9km, 1835 HM) Gesamtplatz 46; AK-Platz 3
60. Marathon Essen, Okt. 22: 03:08,22h (AK-Platz 3)

PB Halbmarathon: 01:25,10h (Nov. 2019, DJK-Halbmarathon Gütersloh)
PB 10km: 39:00 (März 2020; Trainingslauf); 9,2km: 35:51 (Isselhorster Nacht)
Rothaarsteig-Trail-Marathon (835 Höhenmeter), Okt. 2019: 3:18:00h (AK-Platz 1; Gesamt-Platz 11)



"Wenn du nicht anfängst, besser werden zu wollen, hörst du auf, gut zu sein!" (Martin Luther)

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Hallo Det,
toller Bericht und Glückwunsch zur guten Zeit!
ich lese seit geraumer Zeit mit und habe auch deinen Beicht vom Rennsteig genossen.
Baldeney-MRT stand auch auf meiner Agenda,wurde dann aber Ende Juni/Anfang Juli von Corona durchkreuzt.
Aktuell trainiere ich rund um den Hermann für einen 10er in der Heimat Wiedenbrück, Christkindllauf am 2.12.
Nächstes Jahr natürlich wieder Hermann.
Gleich geht es auf eine Runde ins Heidental.
Grüße aus Detmold,
Robert

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@ Det

Auch von mir noch Glückwunsch zum Finish und AK-Platzierung. Und danke für den schönen Bericht. :daumen:
movingdet65 hat geschrieben:Allerdings musste ich nun alles wieder allein zurück zu Bahn befördern: Der extra Gepäckbeutel wog ca, 9kg! :peinlich:
:hihi: Das ist doch mal ein schönes Luxus-Problem. :zwinker2:
5 km - 21:44 (09.09.2023 - Tierparklauf)
10 km - 44:40 (16.10.2022 - The Great 10K)
HM - 1:39:18 (28.08.2022 - Die Generalprobe)
25 km - 02:02:00 (15.05.2022 - S 25)
M - 03:38:13 (25.09.2022 - BM)
50 km - 04:32:07 (17.03.2024 - Werderseelauf)

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Schöner Bericht vom Essenmarathon!
Ich bin ihn 3-mal gelaufen und habe mich an vieles in deinem Bericht erinnert. So scheint da wohl fast immer am Marathonmorgen Nebel vorzuherrschen. :D

Gute Renneinteilung übrigens!

Bernd
Das Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf www.sgnh.de
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