heikchen007 hat geschrieben: 08.01.2024, 13:52
Lieber Udo,
ich wünsche dir noch ein gesundes und läuferisch schönes Jahr 2024.
U_d_o hat geschrieben: 08.01.2024, 10:04
...Muss nicht Marathon oder weiter sein. Es gibt unendlich viele schöne Läufe unterhalb dieser Distanzen...
Gilt das aber (theoretisch) nicht auch für dich??? Wenn du selber sagst, dass die 2. Runde keinen Spaß mehr macht, warum dann nicht nur eine Runde absolvieren?! Es gibt ja z.B. auch viel tolle Halbmarathons in schöner Landschaft.
Hallo heikchen,
natürlich gilt das vollumfänglich auch für mich. Und genau dahin, auf diese aus der Sicht des Marathonis so genannten "Unterdistanzen", werde ich mich in inzwischen absehbarer Zeit wieder zurückziehen. Allerdings - und das ist der Knackpunkt - brauche ich dafür keine offiziell veranstalteten Läufe. Es ist so: Das personell umfängliche "Event", Läufe mit vielen Teilnehmern, reizt mich schon sehr lange nicht mehr. Berlin mit Zigtausend war mein Marathonanfang. Vielleicht wird Berlin mit Zigtausend irgendwann auch mal mein Marathon-Schlusspunkt sein. Mit dieser Idee liebäugele ich ebenso, wie mit der den Schlusspunkt mit der Mutter aller Marathons, ebendem von Marathon nach Athen zu setzen. Ich komme darauf noch mal zu sprechen - äh... schreiben, hinterm *. Wenn Berlin, dann jedoch dezidiert nicht der Zigtausend wegen - viele wollen dort gerade wegen der Zigtausend hin-, sondern eher trotz der immensen Menschenmenge. Wenn Berlin, dann weil es das innige Verhältnis "Marathon-Udo" rund abschließen würde - in meinem Empfinden jedenfalls. Ansonsten fliehe ich der Menschenmenge eher. Grundsätzlich und beim Laufen erst recht. Ich fand zum Laufen, weil es der Sport ist, den ich minimal ausgestattet und völlig unabhängig von Ort, Infrastruktur, "Mitspielern" und
zu jeder mir genehmen Zeit ausüben kann. Nur kam mir die Faszination der langen Strecke in die Quere. Marathon - boah, wie geil ist das denn! Und danach: 100 km weit und kein Ende! Zum Durchdrehen auf- und erregend sich so lange und zu solchen Anstrengungen zu überwinden. Jedenfalls war es das für mich (und andere wie ich weiß). Und hier wieder etwas ganz Wichtiges für meine gegenwärtige Situation: In der Anschauung aus dem Jetzt voraus ins Kommende ist ein Spartathlon, ein Mauerweglauf, jede andere Längstdistanz für mich immer noch der Mond, auf den ich mich gerne schießen würde. Nur geht das nicht mehr. Dabei würde ich verlieren, was mich immer antrieb: Die Freude am Laufen.
Wenn ich einen Schritt zurücktrete und anschaue, was noch geht, dann stelle ich fest: Marathon geht noch. Weiter und anstrengender geht auch noch. Wenn erst mal der Winter vorbei ist, der mich durch bloßes Stattfinden läuferisch (!) fertigmacht, energetisch ausleert. Wer meine Laufgewohnheiten von vor einigen Jahren anschaut, der wird feststellen, dass ich mich dem Winter weitgehend entzog, was Marathon oder weitere Strecken angeht. Eine Ausnahme bildete die Jahreswende 2017/18, weil ich den Olympian Race von Archea Nemea nach Olympia im Sinn hatte und der findet schon im Mai statt. Schon vor sechs/sieben Jahren konnte ich 180 km und ein paar tausend Höhenmeter, davon etliche Kilometer miserable Wegstrecke nicht mehr binnen weniger Wochen aus dem Ärmel schütteln. Also vergewaltigte ich mich und lief im Winter sogar Ultra. Ich kam vordem im Winter immer ganz weit runter, was meine Reichweite (Ausdauer) angeht. Und trainierte mich dann im Laufe des Frühjahrs super erfolgreich auf, bis es für super weit reichte. Diese Strategie schien mich zuletzt vom stets mental präsenten Wunsch/Ziel des Weitlaufens zu entfernen. Also dachte ich um und entschied über den Winter hinweg Marathon zu laufen, hin und wieder, um nicht zu tief mit meiner Ausdauer zu sinken. Denn das ist ein wesentliches Merkmal des Laufens im Alter: Jeglicher Aufbruch, egal ob Wiederbeginn nach erzwungenem Stillstand (Krankheit/Verletzung) oder Emporhieven auf ein weittragendes Niveau der Ausdauer, fällt von Mal zu Mal - heißt: mit den Monaten/Jahren - beständig schwerer. Also Marathon im Winter - ist schwer, aber geht.
Ich trat einen Schritt zurück, um anzuschauen, was noch geht. Viel leichter ginge zum Beispiel ein Silvesterlauf über 10 km ein paar Kilometer von hier. Dort sammelte sich vor ein paar Tagen wieder (fast) alles, was in der Region läuft. Was auch ginge wäre die Winterserie meines Vereins, dessen 10km-Lauf und Halbmarathon im Frühjahr - alle Läufe in herrlicher Waldumgebung. Auch ein klein wenig legendärer Halbmarathon in einer Nachbarstadt wäre machbar, diverse andere kürzere Wettkämpfe in Stadt und Land, die ich mit dem Auto in maximal Stundenfrist erreichen könnte. Da gibt es nur einen Umstand, der dem im Wege steht: All diese Läufe reizen mich nicht. Reizten mich übrigens noch nie. Wenn ich den einen oder anderen absolvierte - früher -, dann weil mein Marathontrainingsplan einen "scharf" gelaufenen Wettkampf vorsah. Oder, weil ich Silvester mit meiner Frau zusammen laufend feiern wollte. Mit besonderen Menschen würde ich nach wie alles Offizielle und Inoffizielle laufen, egal wie kurz. Mit anderen Worten: Ich werde sicher wieder zur kürzeren Distanz zurückkehren. Weil ich muss, weil es das sein wird, was dann noch geht. Aber eben nicht im Wettkampf, nicht im Rudel. Die große Menge ist meinem Wesen fremd. An ihr konnte ich mich immer nur kurz berauschen, etwa beim Startvorgang bei eingespielter suggestiver Musik. Ansonsten bin ich meiner Natur nach ein Einzelgänger, der sich allerdings freut nicht allein in der Laufwelt zu sein. Der deshalb auch gerne zu kleinen Marathons fährt, wo er anderen seltsamen Vielläuferwesen begegnen kann ... Gell, Schauläufer?
Wenn ich schreibe, dass es unendlich viele schöne Läufe unter Marathonweite gibt, dann schreibe ich das nicht im interesse-freien Raum des Forums, noch in einem alle Läuferseelen ansprechenden Sinn. Das Wort richtete sich unmittelbar an Simone und mittelbar als eine Art Fensterrede an alle, die sich auf solchen Pisten mit Vergnügen tummeln. Deswegen muss das nicht für mich selbst gelten, ich fühle/denke dabei im übertragenen Sinne. Meine fachlich motivierten Beiträge in diesem Forum, wenn ich versuchte dieser oder jenem bei einem läuferischen Problem weiterzuhelfen, speiste sich überdies immer aus einem mir sehr wichtigen, zentralen Gedanken: Laufe das, was deiner Natur entspricht. Und laufe es so, wie es dir Freude macht. Obwohl ich der Menge fliehe, weil sie mir eher lästig ist, als mich trägt, verstehe ich aber doch, dass es für viele genau das ist, was sie zum Laufen brauchen. Dass sie, wenn sie mir einsam im Wald begegnen, sich genau dorthin wünschen, weil ihnen unter vielen anderen die Bewegung mehr Freude bereitet. Manch einer von ihnen wird sich in mich nicht einfühlen können, wenn es um den Umstand stundenlangen Alleinlaufens geht. Schon Stunden gelaufen und nun weitere Stunden ohne eine Menschenseele zu treffen (vom Versorgungsposten abgesehen). Mit sich allein gegen die inneren Widerstände anrennen. Doch genau das war immer die Seele meines späteren Läuferlebens. Alles andere war auch schön, aber willkommene Zugabe.
Heute nehme ich viele Menschen in Kauf, wenn ich glaube einen Lauf als Vorbereitung zu brauchen. Oder in einer fremden Stadt, vor allem im Ausland, deren Flair ich dann mit jedem von abertausend Atemzügen tief inhaliere. Auch das ist immer noch schön, wenngleich ich die "Verfügbarmachung"* solcher Laufwelten unterdessen aus Gründen der "Wiederverfügbarmachung" von erträglicher Umwelt deutlich reduziert habe. Wie dem auch sei: Jede Läuferin/jeder Läufer sollte für sich klar erkennen, was und wie zu laufen ihm die meiste Freude bereitet und danach seine Ziele aussuchen.
Dir alles Gute heikchen
Gruß Udo
*) Der Vater/die Mutter aller Marathons ist einer der letzten brennenden Wünsche, die ich mir noch in meinem Läuferleben erfüllen möchte. Derzeit steht die Lebenssituation Flugreisen diametral entgegen. Meine Laufpartnerin vieler Jahre, die nimmermüde Vierpfotenfrau Roxi, ist inzwischen alt und gebrechlich und sie - wie früher völlig reuelos möglich sie für ein P-/paar Wochen in liebe Hände zu geben - bringe ich nicht übers Herz. Früher war's ihr egal, die etwas verpeilte Roxi dieser Tage würde darunter sehr leiden. Ich will ihr Loyalität und Treue, die sie mir auf Laufstrecken und auch sonst entgegenbrachte, u.a. auf diese Weise entlohnen. Wann also von Marathon nach Athen laufen? Es wäre schon "geil", damit den Schlusspunkt zu setzen. Nur ist die Gefahr die, vor diesem speziellen Schlusspunkt vom Schicksal überholt zu werden, und nicht mehr so weit laufen zu können. Ich habe es geschafft das "Ende" von Strecken weiter als ... na ja sagen wir halt: so weit wie 100 Meilen Mauerweg in Berlin selbst zu setzen. Noch mal geschafft und dann selbstbestimmt damit abgeschlossen. Ich kann mich aber nicht darauf verlassen, dass das mit dem "Marathonende" auch so laufen wird. Also vielleicht doch so bald als möglich (wobei mir die Möglichkeit es endlich zu tun definitiv das Herz brechen wird) nach Marathon und von dort nach Athen laufen? Mal sehen ... ich brüte drauf rum.
**) "Verfügbarmachung" im Sinne der "Verfügbarkeit von Welt" wie sie der Soziologe
Hartmut Rosa in seinem
Büchlein "Verfügbarkeit" beschreibt.