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Der Heartbeat Ultra am 22.11.2025 – eine Herzensangelegenheit

Der Heartbeat Ultra am 22.11.2025 – eine Herzensangelegenheit

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Zwar hatten wir schon seit längerer Zeit den Termin für den Heartbeat Ultra im Kalender stehen, doch irgendwie kam der Anmeldung immer wieder etwas in die Quere. In der einen Woche haben die Kinder Läuse, in der anderen Magen-Darm, in der nächsten erfordert die Arbeit ein, zwei zusätzliche Abendschichten, der normale Alltag eben. So mussten wir am Tag des Anmeldeschlusses mit Bestürzung feststellen, dass der Lauf bereits ausgebucht war. Nur durch einen sehr glücklichen Zufall und das Engagement der wunderbaren Veranstalterin Jennifer Romanowski konnten wir zwei Tage später überraschend doch noch nachrücken. Die Freude war groß, nicht zuletzt, weil wir zum Anliegen dieses Laufs eine besondere Beziehung haben.

Schon im vorigen Jahr waren wir auf den Heartbeat Ultra aufmerksam geworden, der im nicht allzu weit entfernten Fulda in diesem Jahr zum dritten Mal stattfinden sollte. Es handelt sich dabei um einen Spendenrundlauf, bei dem Geld für Kinder mit angeborenem Herzfehler gesammelt wird, genauer: für Kinder mit univentrikulärem (‚halbem‘) Herzen. Kinder, die mit dieser besonders schweren Fehlbildung des Herzens auf die Welt kommen, sind nicht lebensfähig. Nur ein mehrschrittiges Operationsverfahren, die sog. Fontan-OP (benannt nach dem Herzchirurgen Francis Fontan), ermöglicht ihnen ein Überleben. Da dieses Verfahren noch nicht sehr alt ist und die Herzfehler, die damit palliativ behandelt werden, so komplex wie selten sind, gibt es noch viel Ausbaubedarf, was die Versorgung und auch was die Forschung anbelangt. Deshalb hat sich der Heartbeat Ultra zum Ziel gesetzt, gemeinsam mit dem Verein Fontanherzen e.V. Spenden für die Errichtung eines interdisziplinären Kompetenzzentrums zu sammeln.

Da auch unsere älteste Tochter mit einem solchen ‚halben‘ Herzen zur Welt gekommen ist, liegt uns der Lauf besonders am Herzen. Doch wir hatten unterschätzt, wie bekannt und beliebt er in seinen drei Jahren schon geworden ist (was fantastisch ist); umso glücklicher waren wir, doch noch vor Ort starten zu dürfen. Der Lauf selbst ist so organisiert, dass man vor Ort in Fulda oder auch virtuell auf der ganzen Welt starten kann. Im Zeitfenster von 06:00 bis 21:00 Uhr kann man so viele 6-Km-Runden laufen oder auch wandern oder spanzieren, wie man kann und mag, bis maximal 112 Km – in Anlehnung an den Notruf. Vorher hat man sich Sponsoren gesucht, die einen durch Spenden, entweder pro Runde oder unabhängig davon, unterstützen. Auch unsere Startgebühr ist eine Spende, ebenso wie alle anderen Einnahmen, die während des Laufs generiert wurden. So konnten Gigi und ich noch bevor wir unsere durch den oben geschilderten Alltag heruntergerockten Leiber auf die Stecke brachten schon auf ein stattliches Sümmchen blicken und dem Lauf mit der größten Entspanntheit entgegensehen.

Am Morgen des 22. Novembers herrschte in Fulda arktische Kälte. Als wir um kurz vor neun an den Start gingen, stand die Sonne tief im Dunst und es waren es -8 Grad. Die Leute, die bereits auf der Strecke waren, hatten gefrorene Bärte und Wimpern, die Haare starrten vor Kälte. Das Einatmen fühlte sich an, als würde man Eiswürfel schlucken, aber wir waren auf das Wetter gut vorbereitet und mit ausreichend Schichten bekleidet. Der Anblick der Fuldaer Auen war atemberaubend. Wir liefen durch eine verzauberte Frostlandschaft mit kleinen Seen und Bachläufen, an denen man sich gar nicht sattsehen konnte. Meine Befürchtung, dass ein Rundenlauf irgendwann dröge werden könnte, stellte sich als völlig grundlos heraus. Im Gegenteil, es war wunderschön, fast meditativ, dort immer wieder aufs Neue seine Schleifen zu ziehen. An den Streckenposten standen über die Maßen gut gelaunte Helfer und Helferinnen, die mit Musik, Glocken und Rasseln für Stimmung sorgten. Und diese Stimmung war allerorts zu spüren. Es hat uns sehr berührt zu sehen, wie viele Menschen sich für herzkranke Kinder wandernd, laufend und spazierend auf den Rundkurs begeben, und auch, wie viele Leute im Vor- und Nachhinein gespendet und unterstützende Worte geschickt haben. Wenn man Glück hat und es der Gesundheitszustand des Herzkindes gerade zulässt, verdrängt man gern die Härten und die Ängste, die schon durchlitten wurden. Es tut gut, zwischendurch vergessen zu dürfen und insgeheim freuen wir uns über einen Alltag, der aus Entlausung von drei Kindern, der Wäsche von vollgekotztem Bettzeug oder durchgearbeiteten Nächten besteht, denn es ist, in jenen Momenten, kein Alltag am Krankenhausbett, auf der Intensivstation, den wir auch nur zu gut kennen. Manchmal funktioniert unsere Verdrängung aber vielleicht auch ein wenig zu gut und der Lauf hat uns durch seinen Anlass auf schöne Weise einen wichtigen Teil des Lebens unserer Ältesten, aber auch ihrer Geschwister und von uns selbst in Erinnerung gerufen.

Gigi und ich schwebten also beglückt durch das märchenhafte Weiß. Da wir nicht wirklich im Training waren, hatte ich mir keine großen Ziele gesteckt. Irgendetwas zwischen 25 und 30 Km sollte aber drin sein, denn ich hoffte, der Körper würde sich an die Hitzequalen des Ahrathons im Juni erinnern, gegen die übrigens das Laufen bei Minusgraden die reinste Wohltat war. Doch vor allem das Konzept, dass man starten und aufhören, Pause machen, aber auch wieder anfangen konnte, wann man wollte, hat sich für uns und sicher auch viele andere als sehr motivierend erwiesen. Die ersten drei Runden sind Gigi und ich zusammen getrabt und hatten nach den stressigen letzten Wochen endlich mal wieder Zeit, ein wenig zu quatschen; dann habe ich ihn ziehen lassen und gut in meinen Rhythmus gefunden. Die 6-Km-Runden endeten jeweils im Stadion, wo man sich an einem hervorragenden Buffett mit warmem Tee, Kuchen, Nudeln und weiteren Leckereien laben konnte. Ein witziges und extrem ausdauerndes Moderatorenteam sorgte für Unterhaltung und verbreitete eine wohlige Atmosphäre im Stadion. Nach vier Runden zwickten bei mir zwar schon die Waden (ich hatte aber auch bekloppterweise meine Trailschuhe angezogen, die nicht so gut gedämpft sind), aber ich fühlte mich ansonsten gut und nach einem Becher Tee ging es munter weiter. Nach der 5. Runde dachte ich, ach komm‘, schnapp‘ Dir noch einen Tee und gehe halt noch eine Runde, das hält warm. Das Wetter war noch immer bombastisch – klirrend kalt, aber sonnig. Also machte ich mich zur 6. Runde auf, nach ein paar Schritten wieder laufend.

Und dann ist es ja so eine Sache, wenn bis zum Marathon, den man ursprünglich gar nicht anvisiert hatte, nur noch EINE Runde fehlt. Die 7. Runde nahm ich also auch noch mit. Das Zwicken in den Waden war da, wurde aber auch nicht ärger und immer noch fühlte sich hier jeder frostige Kilometer körperlich besser an als jeder Meter bei über 32 Grad Hitze am Weinberg. Nach der 7. Runde traf ich Gigi, mit dem ich zwischendurch immer mal wieder abklatschen konnte, auch im Stadion wieder. Er hatte bereits seine 8. Runde hinter sich und schielte auf die 10. Nach 7 Runden und 42 Km dachte ich eigentlich, es wäre gut jetzt. Ich bin bislang noch nie weiter gelaufen und hatte mir schon meine dicke Winterjacke übergezogen und einen Kaffee in der Hand. Doch irgendwie war es immer noch so schön und nett alles und dadurch, dass ganz unterschiedliche Distanzen gelaufen wurden, immer noch Leute starteten und in Bewegung waren, alles auf angenehme Weise im Fluss. Also zog ich kurzerhand die Jacke wieder aus und machte mich an eine weitere Runde. Jetzt spürte ich meine Beine – und auch alles andere – deutlich, war aber auch freudig aufgeregt, weil ich mich, was die Distanz angeht, auf Neuland vorwagte. Und immer wieder half der Gedanke, dass man ja einfach gehen könnte, wenn es nicht mehr laufen sollte, und dass man sein Ziel Runde für Runde selbst immer wieder neu festlegen kann. Am Ende bin ich in 9 Runden 54 Kilometer gelaufen. Gigi kam wenig später, ebenso glücklich und ebenfalls mit persönlichem Streckenrekord, nach 11 Runden mit 66 (Komma 6, the number of the beast) Km ins Ziel. Währenddessen lief auch ein Läufer über die Ziellinie, der die 112 Km beendet hatte, und wurde mit großem Jubel empfangen, eine andere Teilnehmerin hatte gerade marschierend die 100 Km geknackt und noch in der Umkleide habe ich viele getroffen, die sich gerade aufwärmten, um dann ein weiteres Mal auf die Strecke zu gehen. Nur noch eine Runde! Als wir uns auf den Heimweg machten, war der Lauf noch längst nicht beendet. Bis 21:00 Uhr wurde noch gelaufen, gewandert und gefeiert.

Der Heartbeat Ultra ist eine sehr professionell und liebevoll organisierte Veranstaltung für einen guten Zweck. Er bietet ein bombastisches Lauferlebnis, an dem jedermann teilhaben kann, und verhilft dabei Kindern mit Herzfehlern zu mehr Sichtbarkeit. Gespendet werden kann natürlich immerzu, auch unabhängig von einem Laufevent, aber die eigene Leidenschaft zum Laufen zum Anlass zu nehmen, etwas Gutes zu tun, mit Menschen in Kontakt zu kommen und Teil einer wichtigen Sache zu sein, ist ein sehr schönes Gefühl. In diesem Sinne kann ich nur jeder und jedem empfehlen, sich einmal auf der Homepage des Laufs umzutun (https://www.heartbeat-ultra.de) und im kommenden Jahr die Augen offen zu halten, wenn die Anmeldungen freigeschaltet werden. Für uns steht fest: Wir kommen auf jeden Fall wieder, denn egal, was man im Jahr sonst für (Lauf-)Pläne hat: Eine Runde geht immer. Nächstes Jahr wollen wir aber nichts dem Zufall überlassen und werden uns, sobald es geht, SOFORT einen Startplatz vor Ort sichern. Doch auch an die Möglichkeit der virtuellen Teilnahme möchte ich noch einmal erinnern – und nicht zuletzt natürlich auch an die Option, auch jetzt noch zu spenden.

Gigi und ich haben zusammengerechnet mit 29 Spenden 1430 Euro an den Heartbeat Ultra spenden können, die zu 100% an den Verein Fontanherzen e.V. weitergeleitet werden (https://www.betterplace.org/de/projects ... content=bp) . Wir danken allen Spenderinnen und Spendern von Herzen für ihre Großzügigkeit und Anteilnahme, die in Kilometern nicht aufzuwiegen ist – Ihr seid großartig!

Alles Liebe
Eure Momo

Re: Der Heartbeat Ultra am 22.11.2025 – eine Herzensangelegenheit

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Dein Laufbericht hat mich berührt, ich kann nur bewundernd schauen wie du und dein Partner das alles irgendwie managen, soviel Güte und Gelassenheit mit dem Schicksal ein behindertes Kind im Alltag intensiv betreuen zu müssen und trotzdem noch die Kraft finden für sein eigenes Seelenheil - als Ausgleich für den ganzen Streß - einen Ultra laufen zu wollen. Und dabei - trotz aller Anstrengung - Kraft und neue Energie sammeln könnt für die schwierigen Dinge und die Ungewißheit, die dann zuhause wieder auf euch warten - statt entspannt den folgendend harten Tag auf der Couch zu chillen. Chapeau.

Ich und meine Frau haben selbst ein gehandicaptes Kind großgezogen. Aber nur ich habe mir die Freiheit herausgenommen ab und an mich zu verdrücken um einen Ego-Lauftrip durchzuziehen. Meine Frau teilt mein Hobby nicht und hat freiwillig verzichtet. Dafür bin ich ihr heute unendlich dankbar dafür, weil es alles andere als selbstverständlich war. Zwischenzeitlich ist mein Sohn erwachsen und lebt in einer Wohngruppe - und wir beide konnten Verantwortung abgeben. Ich wünsche euch beiden, dass euer Kind sich so weiterentwickelt, dass ihr eines Tages sorgenfreier eure Auszeiten nehmen könnt
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