Renn-Schnecke hat geschrieben:
@ Manu : Ich habe es schon vor einer Weile aufgegeben, im Auftrag der deutschen Sprache zu missionieren - irgendwann werden wir uns (wieder) über Gestik und Mimik oder Sprachfragmente ("Ich Tarzan - Du Jane) verständigen. Anfänge davon kann ich jeden Tag in der U-Bahn hören, wenn sich ein paar Jugendliche "unterhalten" : "Escht cool Older, hast Du geile Karre !" - "Jo, escht heavy !" - Auf-die-Brust-Trommeln - "Kann ich geile Chicks checken !"

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Du wirst es nicht glauben: Die da so reden - sie *wollen* gar nicht, dass du sie gut findest. Du könntest Ihnen wirklich weh tun, wenn du Ihnen ernsthaft zu verstehen gibst, dass du sie gut findest. Das ist die Natur einer Jugendkultur - ob man sie mag oder nicht: Sie will sich ja gerade von so vernünftigen Menschen wie dir absetzen. Offensichtlich schaffen die Jungs das ganz gut. Ich glaube nicht, dassdie Gesellschaft oder die Kommunikation, geschweige denn die Sprache, daran leiden oder zerbrechen werden.
Als ich so Jung war hab ich auch eine Menge Stuss erzählt - dafür ist man doch jung, oder? Man sollte daran aber keine Untersuchung über den korrekten gebrauch von Sprache und Grammatik festmachen.
Mir war immer so, als sei Sprache etwas dynamisches, sich veränderndes ... deshalb bin ich immer wieder über Sprachwächter verwundert, die genau diese Eigenschaft der Sprache offensichtlich nicht wahrhaben wollen und die entsprechenden Symptome kritisieren. Manchmal sogar die Menschen, welche eine Sprache verwenden, an der die Symptome sichtbar werden.
Human find ich das nicht ;-)
Ich hab letztens gemerkt, wie alt ich geworden bin, als ich in einer Diskussion über die "Jugenkultur" auch erst argumentiert habe, wie flach ich die finde ... dann hab ich gemerkt wie flach unsere Jugendkultur damals war (die 80er, hallo, das *war* flach). Trotzdem hats mir damals was bedeutet. Und ich war froh, dass die alten Säcke das nicht nachvollziehen konnten (und etwa New Order für Nazis gehalten haben, prust - das war ein Spass). Dabei hab ich gemerkt (sicher nicht als Erster ;-) ), dass es eben genau die Funktion von Jugenkulturist, dass die Jugend sie gut findet und die alten Säcke nicht.
Was hat das mit den Dialekten zu tun? Naja, die Sprachwächterhaltung scheint mir hier die selbe und die Funktion des Codes/Dialekts auch: Abgrenzung und Definition von Gruppenzugehörigkeit. Ist ja was schönes. Im Leben.
Nebenbei ist es ja so, dass eine der "höchsten" literarischen Gattungen, die Poesie, eben gerade oft einen Dreck um Regeln der Grammatik und Rechtschreibung schert.
Vorletzter Gedanke: Manchmal bin ich als mittleuropäischer, hie und der der Schnelllebigkeit zuneigener Mensch auch froh, wenn die meldungen schnell kommen. Das darunter die Sprache leidet, nehme ich gerne in Kauf. Wenn es mich nachhaltig interessiert, lese ich am nächsten Tag einen längeren, ausführlich recherchierten Hintergrundartikel in einwandfreiem Deutsch in einer der Tageszeitungen. Unterschiedliche Funktionen der Meldungen und redaktionellen Inhalte bringen andere Bearbeitungsprozesse und damit unterschiedliche Qualität mit sich.
Letzter Gedanke: Ich kenne jemanden, der schneidet Filme. Als er damit angefangen hat und Filmstudent war, konnte man mit ihm - natürlich - nicht ins Kino gehen. Er hat sich so sehr über sein "Fach" identifiziert, dass er natürlich nicht konsumiert hat, wie ich, sondern immer den Cutter (oder Editor) raushängen liess. Lästig. Irgenwann auch ihm, er konnte ja nicht mal mehr unbelastet fernsehen. Weil da die Schnitte ja auch für den ein oder anderen Laien unfilmisch und grausam sind. Inzwischen schneidet er gut und erfolgreich. Jetzt hat er es nicht mehr nötig, den Sittenwächter über seine Cutterkollegen zu spielen und mir damit die Filme zu verderben.
Gruß,
Markus