Meerbuscher hat geschrieben:
Reinhard Miegel findet man dann auch noch an anderer Position in den Zeitungsbeiträgen wieder, als Sprecher des "Bürger Konvents" - eines in meinen Augen sehr eigenartigen Vereins, der sich selbst "politisch neutral" und "nicht einseitig" nennt, aber im Grunde nur das standardisierte neoliberale Gedankengut verbreitet.
Mag sein, dass der wehrte Herr ein wenig neoliberal rüberkommt. Aber was ist mit der Gegenseite? Sommer, Engelen-Kefer, Bsirske und Co.? Glaubst du, wenn es nach denen ginge, ginge es unserem Land besser?
Ich habe mal eine interessante Radiosendung mit Herrn Miegel gehört und ich fand seine Ansichten durchaus nachdenkenswert. Uns geht die einfache Arbeit aus. Das findet in unserem Land schneller statt, als in anderen Ländern, wo einfache Arbeit billiger ist. Irgendwo logisch. Aber das ist nur die halbe Wahrheit.
Deutschland ist ein Land, welches nicht bereit ist, für einfache Arbeit Geld auszugeben. Ich will jetzt nicht einen Lobgesang auf die Tütenpacker in den USA anstimmen, aber die gibt es in den USA. In den USA gibt es auch Menschen, die dir für ein paar Cent den Tank füllen. Und wenn ich das sage, höre ich schon in Gedanken die Bedenkenträger, dass der Sprit hier so teuer ist, da drücke ich dem Tankbefüller nicht auch noch ein paar Cent in die Hand. Stimmt. Aber in den USA hat sich der Spritpreis im letzten Jahr fast verdoppelt und die Autos verbrauchen deutlich mehr. Die geben also am Ende sogar mehr für Sprit aus, als wir in Deutschland.
Aber in den USA ist die Bereitschaft einfach größer, Dienstleistungen zu bezahlen. Hier hat man praktisch alles wegrationalisiert, was das Produkt verdeuert. Und das sind nun mal die Dienstleistungen. Das geht teilweise soweit, das Lieschen-Müller für kleines Geld ein für sie komplizierten PC kauft und der Hersteller sich anschließend verabschiedet. Lieschen-Müller hat dann zwar für kleines Geld einen PC erstanden, aber weiß nicht, wie sie damit umgehen soll. Entweder, sie fragt ihren schlauen Enkelsohn, der das dann macht, oder sie bezahlt für teures Geld einen Experten, der ihr den PC zum fliegen bringt. Rate mal, was die Regel ist. Der Enkel machts für ein Taschengeld. Gesamtwirtschaftlicher Effekt maximal eine paar Turnschuhe oder eine Jeans, sponsort by Oma.
Ergo, Deutschland ist nicht bereit, für Dienstleistungen Geld auszugeben. Der Tütenpacker oder Tankbefüller in den USA hat das Pech, nicht qualifiziert genug zu sein, eine gut bezahlte Arbeit nachzugehen (was hier auch der Fall ist), aber das Glück, eine negative Einkommenssteur geltend machen zu können (was hier nicht der Fall ist, Stichwort Kombilohn). Sein spärliches Gehalt wird in den USA also von staatlicher Seite aufgemöbelt, in Deutschland darf er sich nicht mal was dazuverdienen, sonst wird ihm die wenige Stütze gestrichen (etwas überspitzt formuliert, aber so ist es).
Womit wir wieder beim Thema sind. Die Schere zwischen Arm und Reich in den USA wird größer. Wird sie es hier etwa nicht? Ist all das, was hier einige an den USA bemängeln hier trotz diverser Regularien etwa nicht der Fall? Noch mal die Frage: Gibt es hier keine Korruption, gibt es hier keine Ghettos, gibt es hier niemanden, der nicht krankenversichert ist, gibt es hier keine Altersarmut (noch nicht in dem Maße, aber sehr bald), gibt es hier keine Arbeitslosen (immerhin liegt die Quote hier bei um die 10%, in den USA irgendwo bei 5,6%) usw. usw? Haben wir ein wirtschaftliches Wachstum von um die 5%? Und das seit Jahren? Ja, ich weiß, die Blase platzt bald. Angeblich soll sie das schon seit Jahren. Tut sie aber irgendwie nicht. Der Ami ist halt optimistisch, verschuldet sich bis über beide Ohren (ohne Planungssicherheit) und konsumiert was das Zeug hält. Der Deutsche verkriecht sich ängstlich in seine 4 Wände, spart, was das Zeug hält und jammert, dass die Wirtschaft nicht zum Fliegen kommt.
All das, was man den USA vorwirft, gibt es hier leider auch und das in fortschreitendem Maße. Und das trotz, oder gerade wegen teilweise abenteuerlicher Regularien und Vorschriften.
Heute morgen im Morgenmagazin wurde das ganze Drame mal wieder richtig schön deutlich. Nahe Nürnberg entwickelt sich gerade ein sehr dynamisches Industriezentrum, welches sich vornehmlich mit Energien (in jeglicher Form) beschäftigt. Es entstehen neue Arbeitsplätze, es wird geforscht, eins ergibt das andere und immer mehr Unternehmen siedeln sich dort an. Kurz gesagt, es brummt. Und 2 Minuten später eine Live-Schalte zur AEG-Demo mit der Speerspitze IG-Metall (deren Mitglied ich mal war). Jammer, seier, polter. Das übliche Gelaber von geldgeilen Managern, die sich die Taschen vollstopfen und den Hals nicht genug kriegen und auf der anderen Seite die armen, gebeutelten Arbeitnehmer, die angeblich doch nicht so teuer sind, wie die Polen (und obendrein will die IG-Metall auch noch 5% mehr Lohn). Kurz, die IG-Metall will veraltete, nicht mehr konkurrenzfähige Arbeitsplätze erhalten, anstatt mutig nach vorne zu schreiten und zuzusehen, dass all die AEGler (die mein vollstes Mitgefühl haben) einen zukunftsfähigen Arbeitsplatz bekommen.
Mir tun die AEGler ja auch leid. Aber die Zeiten sind halt einfach vorbei, wo ich mit 15 beim Daimler meine Ausbildung beginne und mit 65 dort in Rente gehe. Ich kann darüber jammern und mich bockig stellen oder ich kann mich dem stellen und das Neue halt als Herausforderung sehen. Wo steht denn geschrieben, dass man bei ein und der gleichen Firma 40 und mehr Jahre beschäftigt sein muss?
Ich fand es ja auch schofelig von Northhydro (die haben ein hochprofitables Aluminiumwerk nahe Hamburg geschlossen), dass sie den Laden einfach dicht gemacht haben. Aber mir ging noch viel mehr auf den Keks, schlappe 3 Monate das Tagebuch von einem Aluwerker im Hamburger-Abendblatt lesen zu müssen, das vor Mitleid nur so tropfte. Statt die Arschbacken zusammen zu kneifen jammerte er 3 Monate rum und sprach von Hoffnung. Ja mei, hätte er die 3 Monate genutzt und sich mal Gedanken darüber zu machen, was er alternativ auf die Beine stellen könnte, hätte er die Zeit sinnvoll genutzt. Ich hoffe, er hat wenigstens Geld vom Hamburger Abendblatt bekommen, sonst wäre es vertane Zeit.
Es gibt halt einfach Jobs, die sind wenig zukunftsfähig. Die gab es schon immer (Stichwort Vermittlungsstelle beim Telefon). Ich krieg immer wieder die Krise, wenn junge Leute heute noch eine Ausbildung im Kohlebergbau beginnen. Die gehören eingesperrt! Ja, die Wahrheit tut manchmal weh, einer Tätigkeit nachzugehen, die irgendwann nicht mehr gefragt ist. Aber das, was ich gelernt habe, ist auch nicht das, was ich heute tue. Ich habe mich halt angepasst. Eher unbewusst und oftmals gar nicht freiwillig, aber die Realitäten haben sich einfach geändert. Da musste auch ich mich ändern. Und das tun viele tagtäglich, ohne es wirklich zu merken und anscheinend einige nicht, die meinen, ein Recht darauf zu haben, 40 Jahre lang eine Platine in einen Kasten zu schrauben, was ein Computer oder Pole inzwischen einfach billiger hinkriegt.