Hallo Burkhard,
42bis100 hat geschrieben: ich selbst fühle mich ja schon nach weniger als 10 oder neun Stunden total fertig, wenn ich in Biel im Ziel bin.
Diese Argumentation erstaunt mich immer wieder aufs neue. Denn wie wohl fast alle hier bist auch du auf unterschiedlichsten Distanzen unterwegs und hast die Erfahrung gemacht, dass du nach einem Halbmarathon an der Leistungsgrenze im Ziel fertig bist und keinen Drang verspürst, einen weiteren dran zu hängen. Anfänger auch der Marathonstrecke mögen ähnliche Zweifel hegen, wie zum Teufel sie je nochmal 21.1 km schaffen sollen.
Das Geheimnis liegt natürlich im Tempo. Wir schaffen es, einen Halbmarathon in einem Tempo anzugehen, das es uns erlaubt einen zweiten dran zu hängen. So ist es auch beim 100er. Und genauso machst du das beim 24er. Du läufst die 100km in einem Tempo an, dass du eben nicht nach 10 Stunden total fertig bist. Das geht, das können viele, also du auch. Oder?
42bis100 hat geschrieben:Allerdings: Nach einem Gespräch mit einem Teammitglied der 100-km-Nationalmannschaft kürzlich bekam ich auf die Frage, warum dessen Läufe "nur" bis 100 km betragen, sinngemäß zur Antwort: "Ich bin Läufer und will meinem Sport auch weiter treu bleiben!", womit eben gemeint war, dass für diesen eben nur Distanzen zählen, auf denen man auch ein gewisses Tempo erzielen kann.
Nun, auch wenn er Nationalteam-Mitglied ist, darf er ruhig seine eigene Meinung haben

.
Genau wie ein 24h-Nationalteam-Mitglied (der übrigens auf der 100km Strecke ein gewisses Tempo entwickelte, von dem du und ich nur träumen), der der Meinung ist, Ultralauf fängt ab 6 Tagen überhaupt erst richtig an

.
42bis100 hat geschrieben:Okay, sicher ist Laufen über längere Distanzen nicht mit Pfahlsitzen oder Dauerhalma, oder sonstwelchen Guiness-Buch-Einträgen vergleichbar
Na, die Kurve hast du aber geraaaade noch mal gekriegt...
42bis100 hat geschrieben:Ab welcher Distanz/Dauer hat eine Laufdisziplin noch einen sportlichen Charakter, wobei die Athleten dafür einen noch angemessenen Aufwand betreiben und das gesundheitliche und Verletzungs-Risiko noch vertretbar ist?
Burkhard, wann ist man ein wahrer (tm) Ultraläufer? Wenn man genau diese Frage nicht mehr stellt

.
Es ist eine Binsenweisheit, dass das mögliche Tempo mit steigender Streckenlänge fällt. Dadurch verliert die Disziplin nicht den sportlichen Charakter. Natürlich kann man für jede Strecke versuchen zu definieren, welche Mindestleistung nötig ist, damit man noch von einer sinnvollen Bewältigung sprechen kann (ich überlasse es jemand anderen, an dieser Stelle den 5h-Thread hervorzukehren). Der Versuch, Laufdisziplinen ab einer bestimmten Länge generell den sportlichen Charakter absprechen zu wollen, ist für mich nicht nachvollziehbar.
Was den Aufwand betrifft, täuschst du dich, falls du meinst, der Aufwand stiege kontinuierlich mit der Streckenlänge. Man kann Transkontinentaldurchquerungen machen mit einem Trainingspensum, das so mancher 2h45-Marathoni locker übertrifft.
Die Frage nach dem Verletzungsrisiko impliziert ein weit verbreitetes Dogma, nach dem angeblich das Verletzungsrisiko ab 3h/35km (wie durch Wunderhand) plötzlich "drastisch" ansteigt. Verletzungen bei langen und sehr langen Distanzen sind nicht gottgegeben sondern in aller Regel Folge individueller Fehler, sei es in der Vorbereitung oder im Wettkampf. Das Verletzungsrisiko ist also weitgehend steuerbar.
Was die Vertretbarkeit des Verletzungsrisikos betrifft, könnte man die Frage auch Mittelstrecklern oder Sprintern stellen. Verletzungen sind da gar nicht mal selten. Man könnte auch fragen, inwieweit Fussball vertretbar ist, bekannterweise ist das Risiko (bezogen auf die Dauer der Sportausübung) dort recht hoch. Oder Skifahren, Radfahren... Ich bin mir ziemlich sicher, würde man die Frage mal ohne Scheuklappen objektiv untersuchen, dass Ultralaufen als eine recht sichere Sportart hervor geht.
Grüsse
Michael