Das hörte sich für mich alles ganz gigantisch an: Hermannslauf, erster Wettkampf, 31,1 km, Ehberg, Tönsberg, Lämmershagener Treppen, Sandwege und Kopfsteinpflaster. Für mich Anfänger, nach kaum mehr als fünf Monaten Lauferfahrung und exakt 70 Trainingseinheiten mit insgesamt 650 km, eine echte Herausforderung.
Aber ich habe es ja so gewollt. Als gebürtiger Bielefelder träumte ich schon in meinen Jugendtagen vom „Hermann“. Als ich ernsthaft mit Laufen begann, war er ein nahe liegendes Ziel. Erstmal anmelden, dann sehen ob ich bis zum 30.04. fit genug bin, habe ich mich selbst beruhigt. Und irgendwann saß ich dann auf den Treppenstufen zu Füßen des stolzen Cheruskers. Als Kind war ich das letzte Mal dort gewesen, jetzt war ich 37, hatte selbst drei Kinder und wollte von hier aus nach Bielefeld laufen.
Die Voraussetzungen waren eigentlich ganz gut. Ich hatte so ambitioniert trainiert, wie es ohne Überlastung möglich war. Immer wieder bin ich Berge rauf und runter gelaufen. Ich hörte auf meine Knie, wenn sie zu jammern begannen, ich lief im Training schön langsam, ich hatte mit 77kg fast das angestrebte Startgewicht erreicht, ich war gut ausgeruht.
Andererseits waren die Voraussetzungen ganz furchtbar schlecht. Ich war viel zu früh am Start, es war dort viel zu kalt, da lagen sogar Schneereste herum! Mindestens die Hälfte meiner Energievorräte saugte mir die Kälte schon vor dem Start aus dem Körper. Die längste Strecke, die ich in meinem ganzen Leben gelaufen war, betrug gerade mal 26 km. Zwei Wochen vor dem Start hatten meine Knie darauf hingewiesen, dass sie eigentlich keine Lust mehr zum Laufen haben. Und überall diese drahtigen, kernigen Läuferinnen und Läufer…
Die ersten Kilometer gehen mal mehr mal weniger steil bergab. Ich machte mir Sorgen um meine Knie und stellte mich in der Startgruppe C ziemlich weit hinten auf – ich wollte sehr vorsichtig beginnen. Der Startschuss fiel, die Masse setzte sich langsam in Bewegung und plötzlich lief ich über die roten Matten im Starttor. Ich drückte meine Stoppuhr und war unterwegs!
Die ersten Schritte gingen gut. Keine Spur von der Trägheit der Muskeln, dem widerwilligen Ziehen der Gelenke und Sehnen, wie ich es vom ersten Kilometer der Trainingsläufe gewohnt war. Es lief sich so leicht und locker, als hätte ich mich schon fünf Kilometer eingelaufen. Trotzdem blieb ich vorsichtig, bremste bei Beginn des Gefälles deutlich ab und ließ die anderen langsamen Läufer überholen. Bloß nicht jetzt schon Knieschmerzen bekommen und dann noch 30 Kilometer laufen müssen!
Meine Gedanken in den nächsten drei Stunden lassen sich in einem Satz zusammenfassen: „Das ist ja gar nicht so schlimm, das geht ja ganz leicht“. Der erste „Berg“ war zwar schon eine ordentliche Steigung, die ich aber problemlos laufen konnte. Am schwierigsten war es, die gehenden oder extrem langsam laufenden Teilnehmer zu überholen. Dafür musste ich auch schon mal durch eine Schlammpfütze oder ein Stück über die Böschung laufen. Dann kam auch schon die Panzerbrücke mit der ersten Verpflegungsstation. Ich hatte auf die Sekunde genau eine Stunde gebraucht und lag damit exakt in der Zeitvorgabe für 3:30 Stunden. Danach blieb es eine ganze Zeit flach, der sandige Untergrund war fest genug zum Laufen und ich passte auf, nicht zu langsam zu werden. Aber ich hatte ja das Schlimmste noch vor mir, ich blieb sehr vorsichtig.
Die zweite Verpflegung bei Kilometer 13 kam recht zügig, ich nahm mir zum Trinken genug Zeit und ging dabei ein paar Schritte. Kein Problem, dann wieder anzulaufen, die Beine waren immer noch frisch. Dann kam der gefürchtete und legendäre Tönsberg. Ich lief die erste Hälfte langsam hoch, dann wurde es so steil, dass ich ging. Doch die Steigung war nicht sehr lang, schon bald lief ich wieder an und freute mich über die schöne Aussicht vom Kammweg. Jetzt wurde es sogar sonnig, die Kälte war vergessen, und ganz locker und leicht lief ich weiter. Immer noch vorsichtig – jetzt kam ja das steile Stück runter nach Oerlinghausen.
Es war steil, das Kopfsteinpflaster war unangenehm, aber in der Ablaufrinne für Regenwasser lief es sich problemlos. Die Sieger waren zu diesem Zeitpunkt schon im Ziel, aber das Publikum war trotzdem noch in bester Laune. Immer noch ganz locker ging es aus Oerlinghausen raus. Noch 13 Kilometer. Weder die Knie noch sonst irgendwas machte sich bemerkbar und so langsam wurde ich etwas mutiger. Bergab ließ ich es jetzt rollen, geradeaus und bergauf lief ich so zügig, wie es ging ohne außer Atem zu kommen.
Es kam die Autobahnbrücke, dann die Treppen in Lämmershagen. Hier musste man gehen, weil alle gingen – und gehend machten auch die Treppen keine Schwierigkeiten. Oben konnte ich sofort wieder laufen. Eine Zeit unter 3:30 schien mir jetzt sicher, ich wurde schneller und überholte von da an recht zügig. Der Straßeneinschnitt bei der Osningstraße – noch mal mit Treppen – bremste mich etwas, aber sonst ich wurde immer schneller.
Irgendwann zählten die Kilometerschilder rückwärts: noch vier Kilometer. Von da an bin ich gerannt. Jetzt wollte ich meine Zeit verbessern und möglichst nah an die 3:20 heran laufen. Auf dem letzten Kilometer musste ich für einige 100 Meter noch mal etwas langsamer werden – mir blieb die Luft weg. So schnelles Laufen hatte ich überhaupt nicht trainiert. Aber da war schon das Zieltor, da waren all die vielen Menschen hinter der Absperrung, da war Lärm und ich lief, lief, lief und als ich durch das Tor kam, stoppte ich meine Uhr bei 3:20. Das war ja wirklich gar nicht so schlimm, habe ich noch mal gedacht und nahm meine Medaille in Empfang. Ich war ganz schön außer Atem, doch als ich bei der Zielverpflegung Tee und Banane bekommen hatte, ging es mir schon wieder besser.
Also geschafft! Gut geschafft! So wohl habe ich mich nach keinem anderen langen Lauf gefühlt, es war nie ein Kampf, es hat die ganze Zeit Spaß gemacht. Ich kann es – ein gutes Gefühl!
Gruß, J.R.
2
Sehr schöner Bericht und gratuliere für die Zeit
Da siehste mal, wie gut trainiert du doch warst und die Endorphine am Start haben dann ihr übriges hinzu getan

Da siehste mal, wie gut trainiert du doch warst und die Endorphine am Start haben dann ihr übriges hinzu getan

Blog: Ein ehem. Ultramarathoni beginnt wieder von Vorne
Einen Schritt nach dem anderen gehen. Mal schnell, mal langsam - aber es geht vorwärts.
Einen Schritt nach dem anderen gehen. Mal schnell, mal langsam - aber es geht vorwärts.
4
wirklich nen toller Bericht,
kann Dir in allen Punkten nur zustimmen, es war ja wie bereits erwähnt auch mein erster Wettkampf....
nächstes Jahr wieder dabei??
Gruss
Axel
kann Dir in allen Punkten nur zustimmen, es war ja wie bereits erwähnt auch mein erster Wettkampf....
nächstes Jahr wieder dabei??
Gruss
Axel
5

Hui, nach 5 Monaten schon gleich den Hermann und das in solch einer respektablen Zeit


Herzlichen GLÜCKWUNSCH


6
Herzlichen Glückwunsch zu der tollen Leistung.
Im nächsten Jahr bin ich auch dabei!
Viele Grüße,
Maik

Im nächsten Jahr bin ich auch dabei!
Viele Grüße,
Maik
7
Bestimmt! Und dann sollten wir auch ein Foritreffen planen.bruffl hat geschrieben: nächstes Jahr wieder dabei??
Es läuft ...
8
Schöner Bericht über einen schönen Lauf;macht mir Mut es nächstes Jahr auch zu versuchen.
Herzlichen Glückwunsch zu dieser Leistung.
Gruß Ulla.
Herzlichen Glückwunsch zu dieser Leistung.
Gruß Ulla.
9
Glückwunsch zu deinem klasse Hermann-Einstand und danke für den super Bericht! Vielleicht trifft man sich mal im Teuto oder beim nächsten Hermann
Wernher
Wernher
Garmin: betanien, Strava: https://www.strava.com/athletes/10542641
10
Respekt Respekt!
Ordentlicher Ehrgeiz
Ordentlicher Ehrgeiz

Passion for Running:beten:
Pb:
5.Rintelner Citylauf (5 KM): 20:36 (5.5.05)
6.Rintelner Citylauf (10 KM): 48:23 (11.6.06)
23. Weser Werre Lauf (20 KM): 1:43:44 (9.3.08)
19. Int. Bad Pyrmont Marathon (HM): 1:55:33 (28.7.07)
Ziele 2008:
1. Marathon in Berlin
5 Km unter 20:00 Min
Termine:
28.9.08 Berlin Marathon (M)
Pb:
5.Rintelner Citylauf (5 KM): 20:36 (5.5.05)
6.Rintelner Citylauf (10 KM): 48:23 (11.6.06)
23. Weser Werre Lauf (20 KM): 1:43:44 (9.3.08)
19. Int. Bad Pyrmont Marathon (HM): 1:55:33 (28.7.07)
Ziele 2008:
1. Marathon in Berlin

5 Km unter 20:00 Min
Termine:
28.9.08 Berlin Marathon (M)
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Wahnsinn! Toller Bericht, tolles Ergebnis ... könnte glatt neidisch werden!
Vielleicht probier ich's ja auch mal ... als "Vorstufe zum 1. Marathon".
vg,
kobold
Vielleicht probier ich's ja auch mal ... als "Vorstufe zum 1. Marathon".
vg,
kobold
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Ich würde sagen: ein Marathon ist " die Vorstufe zum Herman". Aber teste mal selbst.kobold hat geschrieben:Wahnsinn! Toller Bericht, tolles Ergebnis ... könnte glatt neidisch werden!
Vielleicht probier ich's ja auch mal ... als "Vorstufe zum 1. Marathon".
vg,
kobold
Gruß
Rolli
13
Ich peile jetzt für den Herbst einen Marathon an. Danach werde ich dann wissen, was die Vorstufe von wem ist...
Auf jeden Fall bin ich froh, dass ich jetzt erstmal nicht mehr so viele Bergläufe machen muss.
Gruß,
J.R.
Auf jeden Fall bin ich froh, dass ich jetzt erstmal nicht mehr so viele Bergläufe machen muss.
Gruß,
J.R.
Es läuft ...