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von Schnucki
Ja,dann scheine ich ja einen halbwegs erwachsenen Mann zu haben.
Jedenfalls seit einiger Zeit.Am Anfang meines Läuferdaseins war das keineswegs einfach.Zunächst wurde das Ganze mit Wohlwollen betrachtet.Als mein Mann dann merkte,daß ich es ernst meine und immer mehr Zeit darauf verwendete,sogar theoretisch mich damit befaßte,kam Skepsis auf.Schlimm wurde es,nachdem ich 30 kg Gewicht verloren hatte.Auf jeder Feier oder anderen gesellschaftlichen Ereignissen,wenn mich Leute sahen,die mich länger nicht gesehen hatten,wurde ich natürlich gefragt:"Wie hast Du das gemacht?" Gerne und mit Begeisterung gab ich Auskunft.Das nervte meinen Mann auf die Dauer.Dazu kam dann,daß meine Veränderung nicht nur körperlicher natur war,sondern mein Gefühl dem Leben gegenüber,anderen Menschen und mir selbst, veränderte sich in rasanter Weise und dies äußerte sich wiederum in einer positiv veränderten Ausstrahlung ,die sehr stark auf andere Menschen(und in spezieller Weise eben auch auf Männer) wirkte.
Damit war mein Mann zunächst überfordert.Einerseits fand er die Veränderungen,die in und an mir vorgingen ziemlich klasse,denn meine Ausstrahlung prallte auch an ihm nicht ab,andererseits kam ihm das alles ziemlich gespenstisch vor und es machte sich große Verunsicherung bei ihm breit.
Da mein Mann aber,wie gesagt,halbwegs erwachsen ist,dazu noch ziemlich klug und der liebste Mensch der Welt,finden inzwischen bei ihm auch Veräderungen statt.
Inzwischen ist er derjenige,der das Thema Laufen in Gesellschaft anspricht(was ich schon tunlichst zu vermeiden versucht hatte).Als ich meinen ersten Halbmarathon gelaufen hatte,war er ziemlich stolz und verkündete allen,die es wissen wollten,oder auch nicht,die Superzeit(so super war die gar nicht).
Aber das Beste an allem ist,daß er,der immer gesagt hat:"Laufen?Das ist nichts für mich." Jetzt immerhin seit einigen Wochen auf's Laufband geht und walkt,und zwar ohne,daß ich irgendwas in der Richtung vorgeschlagen hätte,das hätte ich niemals gewagt.Und das finde ich schon fast gespenstisch.
Ein paar Mal war ich zwischendurch drauf und dran das Laufen aufzugeben,aber es war schon so wichtig für mich geworden,daß ich es doch nicht tat, und mein Mann war klug genug das zu erkennen und Verständnis zu entwickeln.All das führte dazu,daß unsere Beziehung gefestigter,inniger,offener,spannender und freier geworden ist.
Wenn ich das jetzt hier selber so lese,was ich geschrieben habe ,hört sich das Letzte ziemlich schwülstig an,aber ich laß' das jetzt so,es trifft schon den Kern und hoffe es macht Dir Biggi,und allen anderen,denen es ähnlich geht MUT,MUT und nochmal MUT.
Und vielleicht ändern sich manche Dinge,von denen man glaubt sie seien so sicher wie der Tod,doch noch.
Liebe Grüße Ulla.