Heiler hat geschrieben:Hallo Achim
Hormonsysteme lassen sich aber nicht mit Muskeln vergleichen.
Die Bauchspeicheldrüse ist u.a dafür ausgelegt, Insulin bereitzustellen.
Jetzt hat sich die Ernährung des Menschen aber besonders in den letzten 200 Jahren stark verändert.
Insbesondere durch das Mahlen des Mehls, und durch die Möglichkeit, für Jeden erschwinglichen Fabrikzucker in großen Mengen herzustellen.
Eine Mahlzeit eines Menschen hat NIEMALS in der Geschichte die Mengen an konzentrierten Kohlehydraten enthalten wie sie es durch die heutige Ernährung tut. Bis vor 200 Jahren war Mehl Vollkornmehl, raffinierter Zucker war eine teure Spezialität.
Das heißt die Insulinmenge, welche der Körper bereitstellen musste war deutlich geringer.
Und die Häufigkeit auch. (Denn das ständige Naschen und trinken von zuckerhaltigen Sachen war auch nicht üblich).
Dies entsprach und entspricht in etwa der physiologischen Arbeit der Bauchspeicheldrüse.
Die Beanspruchung einer Bauchspeicheldrüse eines heutigen Westeuropäers ist ein zig-faches.
Nach jahrzehntelanger Fehlernährung nimmt sie Schaden und die Stoffwechsellage verschlechtert sich.
Gruß Rolf
Hallo Rolf,
ich lese deine Beitrage eigentlich recht gerne, und ich denke, dass du dich auch sehr mit diesem Thema beschäftigt hast, aber auf einige Dinge möchte ich dich doch mal aufmerksam machen.
Nur vorab ... auch wenn ich u.a. Biochemie studiert habe, und auch auf dem Gebiet der Medicinal Chemistry gearbeitet habe, weiß auch ich nicht alle aktuellen Entwicklungen auf diesem Gebiet ... mal abgesehen davon, dass wir sowieso selbst heute nur ganz rudimäntär wissen, wie unser Stoffwechsel überhaupt abläuft, und sehr viele Wirkketten noch gänzlich unbekannt sind.
Ich finde gut, dass du immer die Literatur zitierst ... allerdings habe ich manchmal das Gefühl, dass damit auch - vielleicht unbeabsichtigt von dir - andere Meinungen herabgewürdigt werden sollen. Ich bitte zu bedenken, wenn du die Literatur so in den Raum stellst, dass
a) nicht jeder Zugang zu dieser Fachliteratur hat
b) nicht jeder auch die fachliche Verständnis hat, die Orginalliteratur zu verstehen
c) diese meist in Englisch geschrieben ist, was nicht jeder in der nötigen Qualität beherrscht
d) und die Qualität vieler Studien schlicht unzureichend ist.
Aus den vielen Beiträgen lassen sich zwei Halbwahrheiten isolieren:
a) Industriezucker wäre schädlich
b) Industriezucker und Kohlenhydrate wären für die Insulinresistenz verantwortlich
Wenn man zu a) nachfragt, bekommt man alle möglichen Antworten, aber eine wirkliche kausale Wirkkette bekommt man nicht. Klar ... es ist eine isolierte Substanz ... aber durch eine gesunde Mischkost lassen sich die fehlenden Bestandteile ersetzen.
Die allerdings häufigste Antwort führt uns zu b) ... nämlich dass der häufige und hohe Blutzuckeranstieg für die Insulinresistenz verantwortlich ist.
Nur weil etwas oft gesagt wird und in vielen Büchern steht, heißt es noch nicht, dass dies die Wahrheit ist. Es gibt da einen Zusammenhang ... darum konnte man eine statistische Korrelation zwischen Zuckerkonsum und Insolinresistenz finden ... aber die Gründe liegen ganz woanders. Gerade auf diesem Gebiet ist die Wissensentwicklung geradezu rasant ... und ich versuche einfach mal, den aktuellen Wissenstand wiederzugeben.
Wenn man sich die Studien näher anschaut, stellt man fest, dass die Menschen, die viel Zucker konsumieren, auch sonst gerne essen ... und gewichtsmäßig deutlich über dem Durchschnitt liegen. Bekannt ist schon seit langem, dass Übergewicht und Diabetes mehr miteinander korrelieren, als wenn man den Zuckerkonsum zugrunde legt.
Es ist nicht der schwankende Blutzuckerspiegel, der letztlich zur Insulinresistenz führt, sondern die Menge des Körperfettes. Verantwortlich sind zwei Mechanismen:
1) Körperfett produziert, wie man immer mehr entdeckt, eine Unzahl von Botenstoffen und Faktoren, die an sehr vielen Stoffwechselvorgängen regulierend eingreifen. Was das Insulin angeht, sind dies u.a. die Adipokine. Die Menge, die von diesen Adipokinen produziert wird, steigt mit der Zahl und Größe der Fettzellen an ... und diese Stoffe führen dazu, dass Insulin immer schlechter an die entsprechenden Rezeptoren andocken können.
2) Durch die gefüllten Fettspeicher steigt der Fettsäurespiegel im Blut immer mehr an. Auch dies führt zu einer Verminderung der Insulinwirksamkeit ... allerdings ist diese Wirkkette noch nicht völlig verstanden, auch wenn man weiß, dass die Ursache in Substanzen liegt, die die Leber produziert.
Was ist der Grund, warum der Körper dies macht?
Die Fettspeicher des Körper sind voll ... weitere überschüssige Nahrung würden die ohnehin überfüllten Fettspeicher kaum noch verkraften. Da die Zahl der Fettzellen ab einem gewissen Alter ziemlich konstant ist, führt weiteres Fett nur zu größeren Fettzellen, die dann platzen oder "Überlaufen" ... ab einer gewissen Größe sind diese nicht mehr in der Lage, weiteres Fett aufzunehmen. Was macht der Körper also? Es soll keine Glucose mehr in die Zelle, mit der weiteres Fett synthetisiert werden würde ... d.h. die Wirkung von Insulin muß abgeschwächt werden. Dazu produziert die Zelle diese Adipokine. Dies führt zu einem Anstieg des Fettsäurespiegels im Blut, was zur Produktion weiterer insulinhemmender Faktoren in der Leber führt.
Jetzt wird auch klar, warum man zunächst die Kohlenhydrate dafür verantwortlich machte ... viel Nahrung führt zu einem hohen Blutzuckerspiegel ... und letztlich zu viel Fett. Allerdings ließe sich der gleiche Effekt auch erreichen, wenn ich Zucker weglassen würde, aber ansonsten auch der Völlerei fröhnen würde.
Um deinem Bedürfnis nach Literatur zu entsprechen

... ein netter populärwissenschaftlicher Artikel über das Körperfett und einem Teil der oben von mir erwähnten Botenstoffen findet sich in der "Bild der Wissenschaft 9/2006".
Summa summarum ... Industriezucker ist - in normalen Mengen genossen - nicht mehr oder weniger schädlich wie jedes andere Lebensmittel. Wichtig ist vielmehr, in einer gesunden Mischkost in der Summe all die Dinge aufzunehmen, die der Körper braucht.
Vielleicht konnte ich ja bei manchem ein neues Türchen aufstossen, was die Thematik angeht ... die "Gläubigen" allerdings lassen sich selbst durch fundierte Fakten nicht von ihrem "Glauben" abbringen.
Im Übrigen ... ich freue mich immer darüber, wenn auch bei mir neue Türchen aufgemacht werden

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Gruß,
Achim