Drei Stunden später setzt er mich ordnungsgemäß auf dem Parkplatz aus, wo Pittiplatsch, Schnatterinchen und unser Kamerakind (das seiner Mutter schon über den Kopf wächst) auf mich warten. Schnell noch Kaffee und Cappuchino in einer Boulettenbraterei, bevor es auf Strecke geht. Moppel läßt sich knuddeln und sabbert alles voll, was sie in die Finger bekommt. Ich sage ihr, daß sie schön artig sein und Papi nicht ärgern soll, noch schnell ein Küßchen und schon sind beide verschwunden. Ob ich die 3 Tage ohne mein Dreamteam aushalten werde?
Das Navi meint, wir sind so gegen halb zwei in Münster. Schnattchen ist nicht nur im normalen Leben sportlich, sie fährt auch so. Und während wir noch vor uns hin schnattern, sind wir auf einmal schon in Münster und bestaunen die vielen Fahrräder und das Fahrrad-Parkhaus. Münster ist europäische Fahrradhauptstadt (besser noch als Amsterdam) und hat mehr Fahrräder (300000) als Einwohner (280000), außerdem 260 km Radwege und eben jenes Fahrrad-Parkhaus mit 3000 Stellplätzen und einer Fahrradwaschanlage. In der Ferienwohnung wartet schon Pfälzerwaldläufer mit Gebäck auf uns und mit Schokolade auf Schnatterinchen. Wirklich hinterlistig, so ein Pfälzer!
Schnell ist die Zimmerbelegung geklärt. Der Kleine, der größer als Mutti ist, mault rum, daß er lieber in der Männer-WG wohnen will, aber Schnatterinchen läßt nicht mit sich diskutieren. Pittiplatsch läßt sich von meinem Hinweis, daß ich nachts im Bett laufe, nicht abschrecken und wir beziehen das schönste Zimmer in der Pension. Bevor der gemütliche Teil des Tages beginnen kann, fahren wir noch zum Truppenübungsplatz. Nach einigem Umherirren finden wir auch tatsächlich den Ort des Grauens und sehen die Schikanen zum erstenmal live und in Farbe. Es sieht genauso aus, wie auf den Bildern, nur noch viel schlimmer. Als wir ein paar Hürden nehmen, fällt uns auf, daß die Freunde der Fischer richtig gemein sind: von den obersten Strohballen weht uns ein animalischer Duft aus Jauche und Moder entgegen, das macht das Ganze auch noch schön rutschig. Ich überlege, wann ich meine letzte Tetanus-Impfung bekommen habe. Vor einer Blutvergiftung schützt mich die allerdings auch nicht.
Schnell wird noch eine Fortbewegungsmethode für die Rattenlöcher ausgetüftelt, dann machen wir uns wieder auf den Weg in die Innenstadt und suchen den FF-Service-Point im Mercure-Hotel. Während unsere beiden Chauffeure noch in der Tiefgarage kämpfen, suchen und finden wir den Service Point: ein Raum mit vielen hübschen Mädels und Pastillentütchen, in dem man seinen Chip testen, ein Shirt kaufen oder einfach nur dumm rumstehen kann. Aufkleber für richtig toughe Strongmänner behaupten, daß nur die Harten in den Garten kommen und es nicht auf die Größe, sondern die Härte ankommt. Wir werden sehen.
Abends, in der Pension, bekocht Schnatterinchen die Kompanie mit Nudeln und Spezial-Tomatensoße. Mittlerweile haben sich auch Martinwalkt und Steilküste eingefunden, die WG ist komplett. Mit Ralf83 als Heimschläfer ist das Foritreffen vollständig und wird, wie immer, sehr lustig und sehr laut. Steilküste macht eine Umfrage und gewährt uns Einblicke in seine Dehnübungen mit Astrid. Ralf83 werden Hörner aufgesetzt und alle Herren versuchen, Schnatterinchen zu verführen, mit Schokolade, klappt aber nicht. Was eine echte Strongwoman ist, die läßt sich nicht so einfach mit zartem Schmelz und lila Kühen bestechen und in Schokoladenpapier einwickeln. Fazit des Abends: genudelte Foris, etliche Weizenbiere und Dezibel, zwei leere Flaschen (Wein) und Zapfenstreich um Mitternacht.
Sonntagmorgen. Während Schnatterinchen schon mal strategisch günstig ihr Auto direkt vor dem Truppenübungsplatz parkt, bereitet unser Hamburger ein richtiges Strongman-Frühstück vor: Müsli, Obst und guter, dänischer Trinkjoghurt. Ergänzt durch frische Bäckerbrötchen und guten Kaffee, der dafür sorgt , daß die Foris aus den "Gebrauchten" mal ordentlich in die Puschen kommen, wie Schnatterinchen so sagt. Langsam finden sich alle wieder in der WG-Küche ein. Die Spannung steigt, das Barometer auch. Wird wohl doch nichts mit einem hammerharten Sauwetter-Strongman ....
Viel zu früh sind wir am Truppenübungsplatz. Die Temperatur ist leicht frostig, mein blütenweißes Strongmanshirt ist nicht gerade sehr warm und ich lasse lieber die Jacke erstmal an. Nachdem wir unsere Taschen im Basislager deponiert haben, machen wir uns auf den Weg in Richtung Start. Gleich im Eingangsbereich lungern 3 Strongmänner rum, komisch, die Gesichter habe ich doch schon mal irgendwo gesehen. Und tatsächlich, es sind Junkie Olli, Rohar und Jublu, der noch Verstärkung mitgebracht hat. Jublus Frau fotografiert die ganze Bande in und auf den Rattenlöchern, danach geht’s weiter. Wir sammeln noch Fluppe, pingufreundin und geniesser ein, der am Tag davor mal eben einen Marathon gelaufen ist und aus den Tiefen seiner Taschen die berühmt-berüchtigte Zotter hervorzaubert. Martinwalkt findet einen guten Platz für sein

Dann geht’s los. Wir schleichen uns ins vordere Drittel des Startbereiches, Pfälzerwaldläufer hat Tarnung angelegt und sich den Modder schon mal prophylaktisch ins Gesicht geschmiert. Ich hoffe immer noch, daß ich aus der Sache einigermaßen sauber rauskomme. Punkt 12 passiert garnichts, von hinten wird die Info durchgereicht, daß sich der Start um 20 Minuten verzögert. Holle hat den Überblick und berichtet von der Front, da springen wohl noch einige, verirrte Seelen auf der Rennstrecke rum. Zum Glück ist es in der Masse schön warm, außerdem kommt jetzt auch noch die Sonne raus. Dann, nach 25 Minuten warten, rumst es und der Läuferpulk verschwindet in einer Rauchwolke, die mich sehr an die schlechten alten Zweitakterzeiten erinnert.
Auf den ersten Metern kommen uns schon die ersten Läufer entgegen. Wo kommen die denn plötzlich her, standen die alle vor uns? Am ersten Hindernis, dem Römerwall mache ich gleich die Rolle. Ich plumpse wie ein nasser Sack vom Strohballen und die Frage meines Nachbarn, ob alles o.k. sei, ist mir wirklich peinlich

Dann nähere ich mich mit brennendem Oberschenkel dem Berg der Wahrheit, und glaube, ich sehe nicht richtig! Eine Traube von Läufern klebt wie Ameisen am Berg, das muß man gesehen haben, unbeschreiblich. Jeder schiebt von unten, ich stemme beide Arme gegen Rücken und Hintern meiner Vordermänner und hoffe inständig, daß mir von oben niemand auf den Kopf fällt. Wie alle anderen werde ich über den Gipfel geschoben, um mich danach in den Abgrund zu stürzen. Zum Glück haben meine Uralt-Laufschuhe noch soviel Profil, daß ich nicht auf dem Hintern rutschen muß. Rechts neben mir fliegt gerade einer vorbei, war wohl ein bißchen zu schnell.
Der zweite Berg ist eher harmlos, sowohl im Aufstieg, als auch im Abgang. Kostet aber trotzdem Kraft. Meine Hose sieht schon ziemlich schlecht aus, die Schuhe sind voll Erde, aber die Frisur sitzt und das Shirt strahlt. Dann kommt es ganz dicke. Auf allen vieren durch die Pampe, das große Krabbeln steht an. Meine Bügelfalte ist im Eimer, das Shirt auch, auf Händen und Knien geht’s durch den kalten Schlamm. Ich komme an einem Schuh vorbei, muß wohl jemand verloren haben, von oben johlt das Publikum, klasse, die haben richtig Spaß! Geschafft, ich ziehe die Hände aus dem Matsch (Oh Gott, die Fingernägel sehen wirklich furchtbar aus!) und wanke durch den Modder, während der Schlamm meine Schuhe einsaugt.
Hatte ich schon erwähnt, daß ich mir irgendwo unterwegs den rechten Knöchel aufgeschlagen haben muß? Bei jedem Schritt über den Reifenstapel, der jetzt überquert werden muß, wird mir das schmerzhaft bewußt. Ich mache es wie Schnatterinchen vor mir und hangele mich am Zaun entlang über sämtliche Reifengrößen, von LKW bis Moped ist alles dabei. Direkt vor mir klebt schon Blut an einem Reifen, puh, mir wird gleich schlecht. Endlich kann man wieder normal laufen. Ich habe keine Ahnung, wo ich bin. Dann kommen sie, die 12 Apostel. Später, nach dem Lauf, wird keiner mehr sagen können, wie viele es wirklich waren. Für mich sind es gefühlte 12, jeder ungefähr 1,40 Meter hoch und nur mit Anlauf zu überwinden. Meine Schienbeine sehen jetzt sicher nicht mehr so gut aus. Fix und fertig torkele ich auf die Klagemauer zu, vor der sich schon eine wartende Menge gebildet hat.
Da kommst Du nie hoch, denke ich. Das Ding ist mindestens 6 Meter hoch und ich 1,69 Meter winzig. Hinter mir witzelt einer, daß man jetzt endlich mal einer Läuferin ungestraft an den Hintern fassen kann. Kein Problem, denke ich, wenn du dabei locker 120 Pfund nach oben stemmst, kann ich damit leben. Und dann geht alles ziemlich schnell. Von oben greift jemand meine Hand, von unten werde ich geschoben und schon sitze ich auf dem Gipfel der Strohballen und greife selbst nach der nächsten Hand, die sich mir entgegen streckt, der Witzbold von vorhin. Ich drehe mich um und, uuaahh, da ist ja ein Abgrund. Aber es hilft alles nichts, die nächsten rücken nach, ich muß springen. Ohne die Hilfe der anderen wäre ich hier nie rübergekommen.
Das nächste Hindernis nennt sich Zwickmühle, ein Gewirr von Autoreifen, an Stahldrähten aufgehängt. Mein Vorläufer stürzt sich mutig in die Reifen und schleudert sie links und rechts von sich. Ich könnte jetzt warten, bis sich das ganze beruhigt. Aber eigentlich ist schon alles egal, Augen zu und durch. Erinnert mich irgendwie an ein Livekonzert bei den Pogues vor ein paar Jahren. Weiter geht’s zu den Rattenlöchern. Die erste Betonröhre absolviere ich noch auf Unterarmen und Zehenspitzen. Bei der nächsten versuche ich, den Hintern oben zu lassen, im schlechtesten Fall bleibe ich stecken. Geht aber gerade so und ich komme viel schneller vorwärts. Irgendein gemeiner Hund hat kleine, spitze Steinchen in der Röhre deponiert, sehr unangenehm.
Auf dem jetzt folgenden Zwischenläufchen kann ich mich wieder ein bißchen erholen. Und dann kommt die zweite Klagemauer. Ich springe die erste Stufe an und rutsche jämmerlich nach unten. Dann entdecke ich die Strippen, die die Ballen zusammenhalten und hake einen Fuß ein. Clevererweise hat jemand bei der nächsten Stufe die Strippen entfernt, ich finde absolut keinen Halt. Ich will mich schon auf den Boden werfen und heulen, da kommt die helfende Hand. Mein Retter zieht mich hoch und zeigt mir, wie ich sicher wieder runterkomme. Ich bin überglücklich. Jetzt noch am See vorbeischlittern und schon geht’s in die zweite Runde.
Diesmal gehe ich elegant über den Römerwall, sind doch nur Peanuts im Vergleich zu dem, was ich noch vor mir habe. Wieder an den Bäumen vorbei, dann der Hügel der Wahrheit, diesmal drängelt hier niemand. Auch der zweite Berg ist frei, ich komme gut voran. Die Schlammpackung nehme ich im Eiltempo und den Reifenstapel über den bereits erprobten Weg. Mein Schnürsenkel ist aufgegangen, Mist, kurzer Zwischenstop. Von hinten klopft mir mein Retter von der Klagemauer auf den Rücken und meint, laß doch, lauf weiter. Aber ich möchte mich nicht noch auf die Schnauze packen, wo weit und breit kein Hindernis ist. Die 12 Apostel laufen schon nicht weg. Mittlerweile habe ich eine Technik gefunden, wie ich ganz gut drüber komme, bin aber trotzdem ziemlich fertig. Dann wieder die Klagemauer, neben mir warten Schnatterinchen und Pittiplatsch. Ruckzuck werde ich nach oben gezogen, klammere mich mit einem Arm an meinem Lift fest und ziehe Pittiplatsch nach oben.
Vorm letzten Rattenloch sehe ich Ralf83, der seinen Wikingerhelm nach vorne wirft und sich in die Röhre quält. Am anderen Ende warte ich auf ihn und halte ihm seinen Helm hin, aber er kommt einfach nicht aus der Röhre raus. Ich greife zu und tue so, als ob ich ihn am T-Shirt rausziehe. Das Publikum johlt und klatscht Beifall. Bei der ganzen Aktion hat er seine Startnummer verloren und muß nochmal zurück. An der zweiten Klagemauer finde ich diesmal sofort einen Helfer und bin ziemlich schnell drüber. Jetzt noch Loch Nass, dann habe ich’s geschafft. Vor dem Tümpel zögere ich, vorbei oder durch, das ist hier die Frage. Das Publikum feuert mich an und ich denke, was soll’s, dreckiger kannste jetzt auch nicht mehr werden. Das Wasser ist eiskalt und geht mir bis zum Hintern. Die Schuhe sind jetzt wieder sauber.
Die letzten Meter ins Ziel: das Wasser schwappt in den Schuhen, die nasse Hose rutscht, mir tut alles weh. Aber ich habe es geschafft! Egal in welcher Zeit, ich habe diesen blöden Parcour einigermaßen heil überstanden. Auf dem Weg zum

In der Ferienwohnung haut’s mich dann erstmal um. Hätte ich bloß vor dem Lauf noch was gegessen. Mein Kreislauf bedankt sich schwindelerregend mit Kopfschmerzen und Schüttelfrost und auch die Nudeln vom Vorabend helfen mir nicht mehr. Aber zum Glück weiß Pittiplatsch mir zu helfen und kümmert sich ganz lieb um mich. Und so verpasse ich zwar das Finale der Handball-WM, bin aber zum Abend wieder einigermaßen fit.
Nur heute morgen, als ich meine 10-km-Runde gedreht habe, hatte ich das Gefühl, Oberschenkel wie Claudia Pechstein zu haben und ich dachte, man, das ist echt strong man.