Habe ich mal für den "Persönlichen thread" in Hübis Forum verfasst
Laufgeschichte: Wie ich zum Laufen kam
In den 50er und 60er Jahren hieß das Dauerlauf. Meine ältere Schwester, damals sehr sportlich, sagte: Wollen wir ein bisschen am Strand laufen? und dann rannten wir einfach barfuß bei Ebbe auf dem festen Sand an der Weser lang, so lange wir Lust und Puste hatten. Oder wir machten eine längere Strandwanderung, bei der wir immer wieder ein Stück rannten. Das hat mir schon als Kind Spaß gemacht.
An irgendwelche Quälereien im Sportunterricht, über die so viele einen Horror vorm Laufen entwickelt haben, kann ich mich nicht erinnern; Laufen war gar nicht angesagt, außer Kurzstrecken oder der einen oder anderen Aufwärmrunde.
70er Jahre: zu Studienzeiten schlug mal ab und zu jemand vor, man könne doch mal einen Waldlauf machen, aber ich kann mich nur an einige wenige Versuche erinnern; lieber tummelte man sich auf den neu entstandenen Trimm-Dich-Pfaden, deren hölzerne Überreste man heute noch hier und da vor sich hin faulen sieht.
1975 kam ich nach Berlin und wohnte in Gatow. Dort machte ich die ersten etwas ernsteren Versuche, regelmäßig zu laufen, da ich direkt an Wald und Feld wohnte. Ich mochte es immer noch, mich draußen in der Natur zu bewegen; Spazierengehen fand ich allerdings schon immer wenig unterhaltsam.
Also Laufen. Allerdings war ich der Meinung, ich müsste bei jedem Training etwas länger und womöglich auch etwas schneller laufen als zuvor, denn sonst wäre da ja kein Trainingseffekt!! Konsequenz: meine Lust blieb immer mehr auf der Strecke, es wurde immer schwerer, sich aufzuraffen, der Spaß blieb aus. Erklären konnte ich mir das nicht, denn rein subjektiv hatte ich gar nicht das Gefühl, mich so furchtbar anzustrengen.
Eine Kollegin schlug vor, doch mal einen regelmäßigen Lauftreff an der Krummen Lanke einzurichten. Ich war, glaube ich, nur einmal dabei, ich kann mich erinnern, dass die Gruppe in einem für mich viel zu hohen Tempo losrannte und ich die 2,6 km dieser Runde nur mit Hängen und Würgen schaffte. Weitere Laufversuche gab es nun erstmal nicht mehr.
1978-1984: Es kamen die Schwangerschaften, die Zeit mit zwei kleinen Kindern – ans Laufen habe ich gar nicht gedacht, ich hatte zuviel Anderes um die Ohren.
Im Sommer 1984 zogen wir in unsere jetzige Wohnung an der Rheinstraße. An einem Sonntag Ende September sitzen wir beim Frühstück, und ich glaube, es war ziemliches Mistwetter, regnerisch. Zufällig gucke ich raus: wieso stehen denn da Leute an der Straße? Viertelstunde später: da stehen ja immer mehr Leute, und nun sperren sie auch noch alles ab, was ist denn los heute? Das Treiben unten wird immer reger, es wird immer voller, wir wundern uns immer noch, was das wird. Ach so, war da nicht was von Marathon angekündigt?
Und dann taucht aus Richtung Innsbrucker Platz, aus Dunst und Regen, das Führungsfahrzeug auf, mit den Spitzenläufern im Gefolge (oder gab es damals schon Rollis??), und hinterher erst einzelne Läufer, dann strömen immer mehr und mehr vorbei. Es geht den ganzen Vormittag (dabei waren es in dem Jahr wohl noch nicht mal halb so viele Läufer wie jetzt!).
Das Erleben und Zuschauen traf einen Nerv bei mir. Von dem Moment an war ich marathon-zuguck-begeistert! Der Gedanke, mitzulaufen, kam mir nicht im entferntesten, aber ich war von Stund’ an Fan der Veranstaltung. Jedes Jahr stand ich nun unten vorm Haus zum Anfeuern und war immer ziemlich sauer, wenn widrige Umstände mich zwangen, am Marathontag woanders als an der Strecke zu sein.
1990 liefen auch mein Schwager und Schwägerin mit. Ich beklatschte sie an der Rheinstr., radelte dann schnell rüber zum Wilden Eber und, nachdem sie durch waren, zurück, um mit der U-Bahn zum Ziel am Ku-Damm zu fahren und sie dort ein letztes Mal anzufeuern. Am Wilden Eber sah meine Schwägerin so seltsam grünlich im Gesicht aus, ich bekam einen Schreck und dachte, es könne ihr ja bei dem Aussehen nur furchtbar elend sein. Sie strahlte aber ganz fröhlich, winkte mir zu und lief flott weiter. Später stellte sich heraus, dass die Schwämme einen grünen Aufdruck des Sponsors hatten, der leiiider nicht wasserfest war!
Aber weiter mit meiner Laufgeschichte! Hans und ich liefen nun regelmäßiger im Volkspark. Immer so ein Ründchen, nie viel. Und auch nicht so oft. Und nur in der schöneren Jahreszeit. Den Kilometer zum Park fuhren wir mit dem Auto.
Irgendwann kurz nach einem BM meinte Hans, ob wir da nicht auch mal mitlaufen sollten, das sei doch bestimmt toll. Ich wies das weit von mir; Begründung: erstmal müssen wir es schaffen, regelmäßig zu laufen, bevor wir uns solche exzentrischen Ziele durch den Kopf gehen lassen!
Während eines Urlaubs in Holland liefen wir auch gelegentlich und hatten uns eine Runde in der Nähe unseres Bungalowdorfs ausgeguckt. Es dauerte ca. 20 Minuten, sie abzulaufen. Einmal war Hans alleine gestartet. Irgendwann wunderte ich mich, wieso er gar nicht zurück kam, und begann mir Sorgen zu machen. Ich schwang mich aufs Rad und fuhr die Runde ab, um zu gucken, ob ihm etwas passiert war. Aber da kam er ganz fröhlich angetrabt, war schon auf der 2. Runde und verkündete stolz: „Weißt Du was, man muss GANZ LANGSAM laufen, dann hält man viel länger durch!“

So verging die zweite Hälfte der 80er Jahre mit Gelegenheitsjoggen und großer Begeisterung für den Marathon als Zuschauerin. 1989 im Sommerurlaub in Schweden liefen wir ein paar Mal durch den Wald und sprangen hinterher zur Erfrischung in unseren Haus-See, das Gelände war recht hügelig, und ich hatte nach drei- oder viermal wieder keine Lust mehr, wohl aufgrund des typischen „Zuviels“.
Aber 1989 brachte die Wende, nicht nur politisch! Nach dem Urlaub fiel mir auf einem Wühltisch ein Buch in die Finger „Richtig joggen/ dauerlaufen“ von Franz Wöllzenmüller. Neugierig blätterte ich darin herum, fand das Anfängerprogramm und war wie vom Donner gerührt: SO LANGSAM muss man das Training aufbauen?? Gehpausen?? Mehrere Trainingseinheiten lang immer das gleiche?? Mir ging ein ganzer Lampenladen auf, welche Fehler ich seit Jahren gemacht hatte. Ich kaufte das Buch und begann, stur danach zu trainieren. Ich machte Gehpausen, auch wenn ich glaubte, gar keine nötig zu haben, nur weil es im Programm stand. Über Wochen hielt ich mich minutiös an die Vorgaben, und das Wunder geschah: ich behielt die Lust am Joggen, meine gelaufenen Strecken wurden immer länger, es gab keine Krise, und auch Hans fühlte sich gut dabei. Wahnsinn! Ich war schwer begeistert. (Das Buch habe ich heute noch, es fällt langsam auseinander, aber ich halte es in Ehren.)
Im Herbst konnte ich etwa 50 Minuten durchlaufen. Nun trat aber ein neues Handicap auf: sobald es kälter wurde, holte ich mir einen dicken Schnupfen beim Laufen. 100%ig. Ich musste erst einmal pausieren, um nicht dauernd mit einem Infekt rumzuhühnern. Mist, die ganze Kondition, mühsam erarbeitet, ging ja wieder in den Keller!
Unser Nachbar, der schon länger lief, fragte um Weihnachten 1989, ob wir nicht zum Neujahrslauf mitkommen wollten, der sei nicht so lang, und das Tempo sei gemäßigt. Der Lauf startete damals an der Siegessäule und ging das erste Mal durchs Brandenburger Tor. Hans wollte nicht, aber meine Schwester und ich kamen mit. Mein erster „richtiger“ Lauf! Der Bürgermeister mit dem roten Schal gab den Startschuss, Momper hieß er.
Es war toll, mit so vielen Leuten zu laufen! Ich trug einen Ballonseide-Anzug in Grün-Violett-Dunkelblau… grinst nicht, das hatte man damals so! Unser Nachbar Peter (ist jetzt langjähriges Jubilee-Club-Mitglied) fragte immer wieder, ob das Tempo okay sei; alles lief prima. Am B’ Tor standen die VoPos und drückten einen Einreisestempel auf die Startnummer (doch, echt wahr! Die Nummer habe ich als Andenken aufbewahrt.)
Die Erkälterei blieb leider. Ich dachte, es käme vom Einatmen der kalten Luft, tüdelte mir einen Schal um Hals und Mund, atmete da rein – kein Effekt. Die Erkältung kam bei Temperaturen von weniger als 5° so sicher wie das Atmen in der Kirche.

Also machte ich Winterpause und kramte im Frühjahr meinen Wöllzenmüller wieder raus. So vergingen die 90er Jahre: sommers joggen, winters Pause. Mehr als eine knappe Stunde lief ich nicht. Aber immerhin: ich blieb dran und wusste ja nun, wie man aufbaut. Wenn bloß die Sache mit den Erkältungen nicht gewesen wäre…
Und dann kam wieder ein Wendepunkt. Wir gingen nun regelmäßig ins Fitness-Studio, und im Winter 2000/2001 kam ich auf die Idee, meine Kondition auf dem Laufband zu halten. Das klappte auch einigermaßen, und im Frühjahr 2001 war ich deutlich fitter als in den Vorjahren. Im Studio fiel mir ein Flyer vom AVON-Frauenlauf in die Hände und ich beschloss, da mitzulaufen. Ich wusste inzwischen, dass ich 8-9 km laufen konnte und dachte, ach, den Rest schaffste dann auch.
Meine Zeit: 1:06:48. Ich war sehr vorsichtig gelaufen, aus Angst, doch irgendwann nicht weiter zu können, aber die Angst war unbegründet.
Den Leihchip habe ich gleich behalten, denn jetzt war ich entschlossen, an weiteren Wettkämpfen teilzunehmen! Ich war endgültig mit dem Laufvirus „infiziert“.
Und so verlief mein erstes „richtiges“ Laufjahr:
2001
AVON Frauenlauf 10 km 1:06:48
26.05.2001
Citylauf 10 km 1:05:07
4.08.2001
Straßenlauf 10 km 1:04:44
26.08.2002
Silvesterlauf 10 km 1:03:13
Im Sommer 2001 hielt das Internet bei uns Einzug. Und damit kam nun richtig Schwung in mein Läuferleben! Da ich mich ja schon für den Marathon interessierte, suchte ich recht bald die Website des SCC. Hach, was gab es da für eine Menge Läufe, von denen ich ja nie was geahnt hatte… Und bald fand ich auch das Laufforum. Ich las eine Weile nur mit und fand die Leute dort sehr sympathisch und kompetent. Und was dort alles verhackstückt wurde – JungeJunge! Fragen rund ums Training, richtige Schuhe, Verletzungen, Berichte von Laufveranstaltungen. Ich fand alles interessant und hoch motivierend. Bald meldete ich mich auch im Forum zu Wort, und zwar bot ich einem Fori aus Bayern („Magic“) an, für ihn die Fernsehübertragung des BM 2001 aufzuzeichnen.
In letzter Zeit, seitdem ich regelmäßiger lief, hatte ich oft so ein fieses Beinweh in beiden Beinen, das oft tagelang anhielt. Mit Magic tauschte ich mich darüber aus, er meinte, ob ich evtl. die falschen Schuhe hätte. Ich: nöö, die sind ganz neu. Immerhin hatte er in mir den Gedankenkomplex „Schuhe“ wachgerüttelt, und beim nächsten Lauf fiel mir auf, dass die Schuhe der anderen Läufer irgendwie ganz anders aussahen als meine… Peinlich, peinlich, in meiner Unkenntnis hatte ich mir Freizeitschuhe gekauft, zwar auch Nike Air, aber ein ganz anderes Modell, und ich dachte, die sind alle irgendwie gleich!
Nun wusste ich inzwischen von Läden wie „Long Distance for women“, dort ließ ich mir ein richtiges Paar Laufschuhe überhelfen! Und das Beinweh verschwand auf Nimmerwiedersehen. Danke, Magic!
Mit Hilfe des Forums verschwand auch mein letzter Laufverhinderungsgrund, die Erkältungen. Da klagte nämlich mal eine Forine über ewige Infekte, und was man denn bloß dagegen tun könne. Es kamen diverse Ratschläge, unter anderem der, doch eine Mütze aufzusetzen, da der Körper sehr viel Wärme über den Kopf abgebe. Hmm, Mütze? Am Kopf war mir doch nie kalt gewesen… aber na ja, mal versuchen. Ich erstand eine Fleecekappe bei Tchibo für DM 5.- hübsch hässlich, aber warm.
Ich lief bei Frost. Ich lief noch mal bei Frost. Unfassbar, es folgte nichts. Kein Schnupfen, kein Halsweh – ich wollte es gar nicht glauben.
Und da hub ich an, redete und sprach zu mir: gute Frau, wenn du dich beim Laufen im Winter nicht erkältest, kannst du dich auch auf den Berliner Halbmarathon vorbereiten!
Der erste Fori, den ich persönlich kennen lernte, war aragorn. Wir, d.h. Hans und ich, wollten nämlich am Silvesterlauf teilnehmen, und da musste man entscheiden, ob man, je nach gewählter Streckenlänge, 1x oder 2x über’n Teufelsberg laufen wollte. Ich war dort noch nie gelaufen und fragte im Forum, wer denn mal mit mir die Strecke abläuft, damit ich weiß, was auf mich zukommt. Aragorn bot sich an. Wir trafen uns am Mommsenstadion und liefen gemeinsam die Strecke ab.
Beim Silvesterlauf selbst lernte ich Barbara, Frank und üri kennen. Und ab 2002 wird’s dann richtig dynamisch.
Ab Januar begann ich, für den Halbmarathon Anfang April zu trainieren. Ich lernte immer mehr Leute aus dem SCC-Forum kennen, wir machten private „Run & fress“- Treffen, bei denen reihum ein Fori seine Hausstrecke vorstellte. Auf diese Weise kam ich gut rum in Berlin- und ich lernte viele liebe Menschen kennen!
Der HM klappte problemlos. Den ganzen wollte ich eigentlich erst ein Jahr später laufen, aber die neugewonnenen Laufbekannten drängelten, ach, nun melde dich doch an, das schaffste! Na, wenn IHR das sagt… Also meldete ich mich im Juni für den BM 2002 an.
Und so war mein Laufjahr 2002:
2002
Bewag Halbmarathon 21,1 km 2:12:57
7.4.2002
Avon-Frauenlauf 10,0 km 0:58:41
25.5.2002
Lauf im Tegeler Forst 10,0 km 0:59:39
9.6.2002
Havellauf 13,7 km 1:25:51
21.7.2002
Kreuzberger Viertelmarathon 10,55 km 1:00:36
18.8.2002
Citylauf 10,0 km 0:57:59
3.8.2002
Generalprobe 21,1 km 2:10:02
25.8.2002
Mercedes Benz- Halbmarathon 21,1 km 2:07:46
8.9.2002
Berlin- Marathon 42,195 km 4:52:50
29.9.2002
Ich war mit den Ergebnissen sehr zufrieden, hatte ich doch meine Zeiten verbessern können, und den ersten Marathon bin ich sehr vorsichtig angegangen, wollte nicht den Hammermann riskieren, und so wurde er auch ein schönes Erlebnis.
Naja, und so weiter. Das war mein Einstieg. Danke für's Lesen, wer durchgehalten hat!

Ulrike