Hallo Udo,
ich habe mir deine Bericht durchgelesen. Zu erst einmal vielen Dank für die Mühe, nochmal so ausgiebig zu reflektieren und alles so ausführlich aufzuschreiben.
So ganz mitreden kann ich nicht. Ich bin noch keinen 100er gelaufen, so daß mir sowohl das Gefühl fremd ist, im kilometermäßigen Niemandsland zu sein, als auch das der Begengnung mit der Ungeduld früh im Rennen bloß noch nicht an die noch zurückzulegende Strecke zu denken. Aber ich habe im Februar einen 50km Trainingslauf gemacht, bei dem ich die letzten etwa 30km in Dunkelheit (mit Stirnlampe) und 3 Grad und Nieselregen lief.
Solche Probleme mit der Dunkelheit, wie du sie beschreibst, hatte ich zum Glück überhaupt nicht. Ich erlebte vielmehr eine Entkoppelung des Laufens vom Vorwärtskommen; das Laufen bestand einfach nur aus der Bewegung. Es war mir völlig wurst, wie weit es noch war, ich LIEF. Gerade in diesem Augenblick, nicht 10 Sekunden davor oder 10 Sekunden danach! Es war echt unbeschreiblich.
Aber dennoch, dieser Lauf war spontan; zu Beginn wußte ich gar nicht wie weit ich Laufen wollte. Ich hatte einfach keine Erwartungen.
Und trotzdem, ich kann mich hineinversetzen ich dein Gefühl der ärgerlichen Unlust. Ich lief vor knapp zwei Wochen in Willingen den Marathon. Die Strecke war mit 1000 Höhenmetern ausgeschrieben, so daß ich nur ankommen und die schöne Atmosphäre des Hochsauerlandes in mich aufnehmen wollte.
Aber wie das halt so ist: Ich steh an der Startlinie - es fängt an zu kribbeln. Startschuß. Ich versuche mit extrem zurückzuhalten (und schaffe es auch sehr gleichmäßig loszulaufen) und habe nach 2 Kilometer trotzdem nur ein paar Sekunden über 8 Minuten auf der Uhr. Ja sicher, die ersten 10 Kilometer der Strecke waren eher einfach zu laufen. Nur finde ich mich beim Versuch vor, mit einer Endzeit unter 3h durchs Ziel zu gehen. Ich starre also auf den Boden, um mich bloß nicht zu verletzten, und von der schönen Gegend seh ich weniger als die Hälfte!
Und plötzlich wird (nein, wie unerwartet

) die Strecke extrem unwegsam: abseits so etwas, was ich Weg nennen würde, über Wiesen, wurzelige Trampelpfade, Erdhügel, auf der Schräge über weichen dick mit Blätter übersähten Waldboden. Ich komm allmenein schon sehr schlecht bergauf, aber ich bin die absolute Crossniete. Trotz hoher, fast schon verzweifelter Anstrengung (und hohem Puls!), sank mein Tempo teilweise auf über 7 Minuter pro Kilometer.
Und ich fing an zu schimpfen über die "Scheißstrecke". Nach der Hälfte waren meine Beine schwer wie Blei, und ich hatte die Befürchtung nichtmal mehr unter 3 Stunden 20 Minuten finishen zu können. So kam in das Grundgefühl des genervten Ärgers noch Anwandlungen von Verzweiflung.
Dann machte es klick. Ich gestand mir ein, daß ich doch zum Spaß hier sei, daß mit der holprigen Piste doch nur wundervolle Aussichten erkauft wurden (Panoramalauf hieß das Ding offiziell). Ich fing an loszulassen. Wenn es zu schwierig wurde, dann ging ich. Wenn es einfach wurde (und das wurde es hintenraus dann doch wieder vermehrt) lief ich's laufen. Ich genoß die Einsamkeit der Stimmung (kleiner Lauf und ich lag so auf Platz 5), auf dem höchsten Punkt blieb ich sogar kurz stehen und genoß die Aussicht.
Und im Nachhinein betrachtet glaube ich nicht, daß ich durch das Aufgeben meiner Erwartungen wirklich Zeit verlor.
Versteh mich jetzt nicht falsch, Udo. Es kommt mir nicht in den Sinn, wirklich einen spontanen Landschaftsmarathon mit einem generalstabsmäßig geplanten Nachthunderter vergleichen zu können. Beim Lesen deines Berichtes hatte ich nur so ein Aha-Erlebnis und da ich meinen ersten 100er plane...
machs gut und viel Spaß bei weiteren langen und ganz langen Läufen,
redcap