es ist ja kein 6 Stundenlauf, kein Marathon, nicht mal ein HM gewesen und trotzdem könnte ich jedem, der auch nur annährend Interesse an meinem Ergebnis zeigt, in einem akuten Anfall von Sprechdurchfall alles haarklein erzählen -ganzstolzaufmichbin.
Aber von vorne:
Ich sitze im vollgestopften Zug nach Ulm - Ministrantenausflug. Besucht Ihr den Einsteinmarathon? Nein, wir wollen aufs Münster. Na dann mal viel Spaß, bestimmt, bestimmt auch schön, den Läuferlindwurm von oben zu sehen.
Am Bahnhof kurzes Briefing mit meinen beiden Assistenten - einer wird an der Strecke stehen, der andere begleitet mich zum Start. Ich könnte ja noch umdrehen

Wo laufen sie denn? Frage an eine freundliche Helferin. Start ist dort, wo Toiletten sind das weiß sie nicht. Sie empfiehlt mir das Gasthaus zur goldenen Krone. McD erscheint mir zuweit. ok zum nächsten Parkhaus gehen. Damentoiletten wegen Umbau geschlossen. Ich frage den Parkwächter, ob er so freundlich sei, die Behindertentoilette aufzuschließen. Aber da bin ich auf einen aufrechten Paragraphenauswendiglerner geraten. Er lehnt kategorisch ab!

Danach, laut Vorschrift warmlaufen. Bin ich die Einzige, die auf diese Weise wertvolle Körner verschleudert? Mannschaftsfotos - die häßlichsten aller Mannschafts-t-shirts auch noch für die Nachwelt zur Abschreckung festgehalten! So und nun zum Start, aber wo ist hinten? Ich stehe eingekeilt zwischen Läufern, etwa in der Mitte, keine Chance weiter nach hinten zu kommen. Der Moderator verpasst uns in den letzten Minuten vor dem Start ein Aufwärmprogramm. LaOla-Welle und so - ich suche meinen Freund den Besenwagen zum Tanzen, erwäge nach dem Startschuss gegen den Strom....

Blick auf die Pulsuhr: 170! Zu schnell?? Zu aufgeregt?? Mit 160 wollte ich beginnen - aber was solls, ich fühle mich gut, das Tempo erscheint mir nicht schnell, viele Läufer schlagen jetzt Haken, um nach vorne zu kommen. Ich lasse mich treiben.
Jetzt geht es an der schönen Blau entlang, es ist romantisch, schattig und viele Zuschauer stehen am Weg, die uns zujubeln. Jetzt bloß nicht zu schnell werden mahnt meine Pulsuhr: 188


Am ersten Getränkestand schnappe ich zwei Wasserbecher, trinken trau ich mich nicht, stehenbleiben will ich auch nicht, deshalb schütte ich mir einen über den Kopf, den anderen übers Trikot, denn der Planet sticht mächtig.
Langsam scheint manchen anderen Läufern die Puste auszugehen und ich kann tatsächlich den ein oder anderen überholen. Ab Kilometer 5 sehe ich traurige Läufer am Wegrand sitzen, andere dehnen die krampfenden Waden. Warum geht es mir so gut? Eine etwa 20 Jahre jüngere Läuferin neben mir fragt mich, wo ich denn meine Power hernehme? Weißichauchnicht. Ich frage sie, was sie denn so trainiert hätte: "Ach, so die letzten Wochen ein paar mal!" Alles klar.

Ich springe ihr mühelos weg, sie läuft so unrhythmisch, das irritiert mich.
Hier stehen tatsächlich zwei Ärzte, die erschöpfte Läufer "aussortieren". "Geht es Ihnen gut?" Ich werde nicht gefragt. Sind wir beim Jungfraumarathon? Ein paar Hundert Meter weiter verstehe ich das Ganze. An drei Stellen hintereinander werden Läufer medizinisch betreut!
Leute am Wegrand feuern uns an, wir klatschen zurück, das ist mein Lauffest, die weiße Hirschin schwebt über den Königsteig (@Udo

Besenwagen.
Bei km 7 überlege ich, nochmals Tempo zuzulegen. Ich trau mich nicht, lieber langsamer ankommen, als schneller aufgeben! Es reicht mir, was ich um mich rum sehe - erschöpfte, sich übernehmende Läufer in langen Tights, die sich mühsam voranschleppen.
Weiter Richtung Münster. Ich blicke in müde Zuschauergesichter, die wievieltausendste Läuferin bin ich wohl, die sie heute gesehen haben? Ich bedanke mich, feuere sie an - sie feuern zurück. Das Ziel naht. Ich will nicht zu früh Gas geben, mich nicht übernehmen, aber ich weiß, nachlegen geht noch. Aber jetzt ist das Ziel in Sicht, hundert Meter etwa und ich lege meine ganze Euphorie in den Schlussspurt. Meine junge Mitläuferin ist wieder da, wir duellieren uns - ich gewinne


Der Moderator kommentiert meinen Zieleinlauf mit Namen und Jahrgang , ein Helfer legt mir die Medaille um - bin ich auf Hawaii?? Es ist saumäßig heiß - ich bin glücklich, high und wasweißich in irgendeinem meiner verrückten Träume. Kein Sauerstoffzelt nötig, keine Schmerzen, kein Kampf, da wäre noch mehr drin gewesen. Nun wars nix mit dem Besenwagentanz, als 13. meiner Ak kann ich mit einer Zeit von 1h 3m xxs zufrieden sein - Hf max. 198 und das war noch nicht das Ende der Fahnenstange, das erklärt einiges.
Das ist soooo genial!! Es hat mich gepackt, auf zu neuen Zielen! Sub 60!!

