ich bin neu hier, verfolge aber seit vielen Wochen eure Plantarfasziitis-Diskussion mit grossem Interesse und möchte - aus eigener schmerzhafter Erfahrung - meinen Senf dazugeben, weil ich weiss, dass man als Betroffener gierig jeden Tip aufsaugt, den man kriegen kann. Und weil man total verunsichert wird, weil man bei jedem googeln auf neue "Behandlungsmethoden" stösst, viele, viele Sachen probiert und nichts so richtig helfen
will.
Ich nehm`s gleich mal vorweg: Wer die Plantarfasziitis irgendwann mal wieder loshaben will, der kommt um eine Laufpause nicht herum. Und zwar auf eine monatelange
a b s o l u t e Pause o h n e jegliche Belastung der Sehne, d.h. kein laufen, walken, selbst radfahren ist absolut tabu. Das will natürlich kein Läufer hören - aber so ist es nun mal.
Mich hat es 2006 im Sommer beim K78 in Davos erwischt. Ein Gebirgs-Ultramarathon über 78 Kilometer mit vielen knackigen Steigungen und teilweise üblem Gelände. Regen und Schlamm, über zehn Stunden nasse Füsse die in den Schuhen rutschten und wunderbare Blasen verursachten. Also die Asics enger geschnürt und auf dem Vorfuss die letzten zwanzig Kilometer bis ins Ziel getrappelt. Nach einigen Tagen, ich war längst wieder daheim, dubiose und eigentlich ganz leichte Beschwerden in der rechten Fusssohle. Die kamen und gingen über Wochen. waren auch mal ganz weg - eigentlich nicht der Rede wert, zumal ich seit Jahren vier Marathons und zwei bis drei Ultras mache und das es dann ständig mal irgendwo zwickt ist ja durchaus normal. Hatte bis dato, ausser mal einem Muskelanriss, nie ernste Verletzungen.
Also hab`ich das Ganze nicht so schrecklich ernstgenommen. Geht schon wieder weg.
Bei der Vorbereitung auf den Berlin-Marathon dann das erstemal einen langen Trainingslauf abgebrochen. Berlin-Marathon gelaufen, dann den Remscheider-Ultra- Röntgenlauf, den ganzen Winter 2006/2007 unter ständig grösseren Schmerzen weitertrainiert, Hambacher-Schloss-Marathon gelaufen, danach noch den Mannheim-Marathon im Mai 07 und dann war Schluss. Die Schmerzen waren so schlimm dass das treten des Bremspedals beim autofahren nicht mehr möglich war. Meine Lieblingsläufe, der Hunderter in Biel, den Darss-Marathon und auch K78 in Davos gecancelled.
MRT ergab eine Entzündung der Plantarfaszie, Knochenhautentzündung am Sehnenansatzpunkt an der Ferse, dreifach verdickte und geschwollene Sehnen bis hin zum Grosszeh und der dazugehörige Schleimbeutel an der Ferse hochgradig entzündet. Kein Fersensporn.
Fersensporn bildet sich übrigens immer als Folge von Entzündungen und kleinen Mikroeinrissen an der Sehne und macht in der Regel keine Beschwerden!!
Die Schmerzen waren fürchterlich, die ersten Schritte morgens die Hölle. Also das ganze Programm: Diclofenac, Ibuprofen, Traumeel, Salben, Verbände undsoweiterundsofort. Nichts half. Nichts wurde besser. Hab unter Schmerzmitteln wieder leicht trainiert - mein allergrösster Fehler!!! Kannste machen, sagte ein berühmter Sportarzt, passiert nix.
Ein Laufsüchtiger will genau dies hören und fällt darauf herein. Aber Sucht macht bekanntlich auf einem Auge blind und man wird kritiklos vielem gegenüber. Siehe nächster Absatz.
Obwohl ich es besser wissen müsste, da ich vom Fach bin, hab ich mich weiter mit Schmerzmitteln betäubt, den Schmerz abgeschaltet und alles nur noch schlimmer gemacht. Hab mir auch Spritzen in die Ferse gegeben (kein Vergnügen), allerdings nie Cortison, weil ich nur allzugut weiss, was dieses Zeug an den Sehnen anrichten kann.
Irgendwann hat die Vernunft gesiegt, habe mich ausserdem an meine Ausbildung erinnert und endlich akzeptiert, dass i c h dieses mal der Patient bin.
Ich stelle jetzt einfach mal einige Vorgehensweisen und Behandlungen in den Raum:
Die gute Nachricht zuerst: Die Plantarfasziitis heilt in den allermeisten Fällen wieder völlig aus. Und zwar mit oder ohne Behandlung - das ist das eigentlich Kuriose an der Sache. Nach einem bis maximal zwei Jahren ist der Spuk vorbei. Vorausgesetzt man lässt die Sehne heilen - und zwar durch Ruhe - bis der Schmerz völlig verschwunden ist.
Man kann den Heilungsprozess etwas beschleunigen, wenn man folgendes beherzigt:
Laufschuhe in die Ecke stellen und pausieren. Man darf nicht glauben, dass eine Entzündung ohne Schonung ausheilt. Dies ist nicht möglich.
Eine Plantarfasziitis entsteht über einige Zeit durch Mikrotraumen, d.h. winzigen Verletzungen und Einrissen an der Sehne. Der Körper versucht das zu reparieren. Kann er aber nicht, wenn man die Sehne immer wieder belastet.
Wenn überhaupt, dann nur in der Anfangszeit zu Schmerzmitteln greifen. Die deckeln den Schmerz zu, weil sie die Prostaglandinsynthese am Entzündungsort hemmen. Dadurch wird der Entzündungsprozess verlangsamt und dadurch der Schmerz etwas erträglicher. Dummerweise hemmen sie aber auch die Produktion vom magenschleimhautschützenden Substanzen, weil diese den Prostaglandinen sehr ähnlich sind.
Eine Heilung der Entzündung durch Diclofenac, Ibuprofen o.ä. ist nicht möglich, da die Entzündungshemmung nur solange anhält, wie man die Mittel einnimmt. Setzt man diese ab, kommt die Entzündung zurück, oft heftiger als vorher.
Eis und nochmals Eis! Aluflasche mit Wasser füllen, ins Tiefkühlfach legen und mehrmals täglich für eine halbe Stunde den Fuss darauf rollen. Das hilft sehr rasch und viel besser als es Schmerzmittel je könnten. Auf Dauer wird die Entzündung gebessert, weil die Durchblutung herabgesetzt wird und dadurch weniger Entzündungsstoffe freiwerden.
Niemals in der akuten Phase dehnen! Ich glaube, dass dies der grösste Behandlungsfehler überhaupt ist. Die vielzitierte Treppenstufendehnung oder der Wadenstrech mit abstützen an der Wand sind absolut kontraproduktiv. Warum? Weil die Sehne gerne ihre Mikrorisse und kleinen Traumen reparieren möchte. Kann sie aber nicht, wenn man die kleinen Verletzungen durch Dehnung und die dadurch entstehende Zugspannung immer wieder aufreisst!
Sehnen sind nicht dehnbar. Sehnen sind Seilzüge, mit deren Hilfe Muskeln die Gelenke bewegen. Ein Seilzug darf sich aber nicht dehnen. Würden sich Sehnen dehnen, so würden sie sich verhalten wie ausgeleierte Gummibänder, dies würde zu Instabilitäten führen und eine koordinierte Gelenkbewegung wäre nicht mehr möglich. Wenn wir dehnen, dann dehnen wir also ausschliesslich die Muskeln und deren Bindegewebshüllen, niemals aber die Sehne selbst.
Fussgymnastik machen. Die Muskulatur des Fussgewölbes stärken und kräftigen. Da gibt es viele Übungen, auf Dauer sehr effektiv. Unsere Fussmuskulatur ist durch Schuhe verkümmert, die gut gedämpften Laufschuhe nehmen der Muskulatur viel Arbeit ab.
Keinesfalls die Geduld verlieren. Wie gesagt, die Plantarfasziitis heilt immer aus. Die Entzündung muss durch unser Immunsystem bekämpft und letztendlich ausgeheilt werden. Und das dauert eben seine Zeit.
Finger weg von Cortison. Das schädigt das Sehnengewebe, atrophiert das Fersenfettpolster. Sehnen können nach Cortisoninjektion leicht reissen. Das ist die Liebe zum Laufsport nicht wert und man wird unter Umständen zum dauerhaften Laufinvaliden.
Übrigens kommt die Entzündung nach einigen Wochen sehr heftig zurück. Fast immer.
Dem Körper Zeit lassen. Das geht wieder weg.
Viele hilfreiche Tipps zum besseren Verständnis und zur Therapie gibt es unter
http://www.heelspurs.com
Meiner Meinung nach die beste und fachlich fundierteste Seite, die es im net überhaupt zu diesem Thema gibt. Allerdings nur auf englisch.
Aber während der Laufpause hat man ja viel Zeit zum übersetzen.........
Hoffe, ich habe euch nicht allzusehr gelangweilt, will auch nicht als Besserwisser auftreten, oder irgendwelche ungefragten Ratschläge erteilen. Ich habe hauptsächlich meine persönlichen als auch einige beruflichen Erfahrungen hier eingestellt und würde mich freuen, wenn ich bei den vielen Leidgeplagten, Ungeduldigen und Mehrfachtherapierten ein kleines Lichtlein der Hoffnung anknipsen konnte.
Grüsse
Ultrarunner