Hallo Martin,
ich denke mein Bericht, wie auch entsprechende Passagen vorheriger Berichte, macht deutlich: Gehen ist für mich keine Option. Freiwillig nein. Anderenorts hab ich schon ausgeführt, dass ich damit keinerlei "elitäres Gehabe" verbinde, z.B. eben auch Läufer die Gehen bewusst in ihre Läufe einbauen nicht geringer schätze. Weiter habe ich mich dahingehend eingelassen, dass ich gehe - und es dann auch nicht als Niederlage empfände - wenn mich die Umstände dazu zwingen. Wenn laufen zb. nicht mehr möglich ist, oder ich eine Gefährdung mit weiterem Laufen einginge. Bislang kam ich nie an diesen Punkt. Selbst nach 24h war mein Laufschritt sicher, es gab keine Anzeichen von Krampf, keinen Schwindel, kein Wanken. Nur totale Müdigkeit. In diesem Kontext zu deinen Fragen:
Ich bin selbstverständlich darauf fixiert gewesen nicht zu gehen. Eine freiwillige Umstellung wäre nicht möglich gewesen, weil sie eben meinem Selbstverständnis widerspräche. Ich habe auch nie, egal wie hart es dann und wann auch war, einen Gedanken daran verschwendet - an die ABSICHT. Natürlich bereitete ich mich darauf vor, dass es passieren könnte. Um solche Läufe zu überstehen muss ich u.a. auch gnadenlos ehrlich zu mir selbst sein und jede Möglichkeit einkalkulieren. Deshalb habe ich mich auch vorher keinerlei Illusionen hingegeben, was ich da mit mir "anstellen" werde. Ich wusste und wollte nicht verdrängen, dass ich mir das Härteste antun würde, was mir bis dahin widerfuhr. Und ich WOLLTE es so.
Damit zu deiner ersten Frage: Wenn ich hätte gehen müssen, dann wäre es eben so gewesen. Sicher wäre ich nachträglich ein wenig enttäuscht gewesen. Aber weniger über die Tatsache an sich, als darüber, dass ich mein Anfangstempo dann zu hoch gewählt hätte, oder eben auch meine Vorbereitung nicht effizient genug war. Denn ich war davon überzeugt, dass es mir möglich ist 24h am Stück zu laufen. Zweifel, Bedenken, Ängste - ja. Aber dennoch war klar, dass es möglich ist, wenn ich keine gravierenden Fehler mache.
Solche Leistungen setzen ein hohes Maß an Kooperation der eigenen "Emotionen" voraus. Ich formuliere das bewusst so. Daher muss man ein Konzept finden, das die Emotionen hinreichend bedient. Meines habe ich geschildert. Ich lief bewusst etwas zu schnell an, um zu kritischen Zeitpunkten bereits auf viele geschaffte Km zurück blicken und mir mit dem geringeren Rest hohe Aussichten auf das Gelingen ausrechnen zu können. Ich schließe nicht aus, dass Läufer mit einem Konzept, mit dem sie sich Pausen zubilligen, weiter laufen, als wenn sie versuchten ohne Unterbrechung zum Erfolg zu kommen. Mehr: Ich bin sogar sicher, dass die Aussicht immerzu, 24h lang traben zu müssen, manchen so "fertig" machen würde, dass er frühzeitig aufgibt. Der Kopf ist bei sowas mindestens genauso wichtig, wie die Physis. Und nun zur Physis: Fakt ist für mich ebenso, dass ein vom ersten bis zum letzten Kilometer gleichmäßig durchgezogenes Tempo rein physiologisch am meisten Erfolg verspricht. Langsames Aufbrauchen, ökonomisches Aufbrauchen, der Energieressourcen. Wenn du dir z.B. vom Sieger in Berlin die Platzierungen nach 2,4,6,8,10,12 Stunden ansiehst, dann wirst du feststellen, dass er anfangs auch weiter hinten rangierte, ganz in meiner "Nähe", und durch seine Konstanz dann immer weiter nach vorne kam. Der Unterschied zwischen ihm und mir besteht darin, dass er sein / unserTempo ohne Pause und gleichmäßig bis zum Ende durchgehalten hat. Für mich steht fest, dass ich mit Pausen weniger weit gekommen wäre, wenngleich eine Beweisführung nicht möglich ist. Eine Pause nach z.B. 16 Stunden ... HILFE! ... ich mag mir gar nicht vorstellen, wie sich mein Fahrgestell dann angefühlt hätte, beim Wiederanlaufen. Damit will ich sagen, dass ich es für mich nicht nur physiologisch auschließe, sondern eben auch mental. Ich habe die Schmerzen nach einer halben Minute Zwangspause zum Austreten erlebt und brauchte eine Runde um wieder rein zu kommen.
Ich hoffe die Dinge für dich einigemaßen auf jenen Punkt gebracht zu haben, den ich meine.
Alles Gute für deine Unternehmungen
Gruß Udo