Chri.S hat geschrieben:Lydiard definiert seine "aerobic pace" über eine sog. Sauerstoffschuld (oxygen debt). Diese dürfte bei der 1500m-Pace schon gegeben sein

Es geht ihm nicht um den Anteil des aeroben Stoffwechsels, sondern um das Vermeiden dieser "Schuld" (gibts dafür ein besseres deutsches Wort?)
Nur ist eben genau das Unsinn, dass eine "Sauerstoffschuld" unbedingt vermieden werden muss. Sonst hätten seine Leute ja auch keine Time Trials laufen dürfen, da widerspricht sich Lydiard ein wenig. Und die "oxxygen debt method" hat sich im nachhinein eben als sehr ungenau herausgestellt.
Nach neueren Untersuchungen bist du bei 1500m (Elite-)Pace etwa bei 80% aerobem Anteil, möglicherweise je nach Pace und läufer bis zu etwa 85%.
Die alten Studien sagten 50% Aerob - das war das was Lydiard zur Zeit der großen Erfolge von Leuten wie Peter Snell wusste.
Chri.S hat geschrieben:
Gerade weil er sich bewusst war, dass auch bei so kurzen Läufen wie 1500 m der aerobe Stoffwechsel immer noch dominierend ist, hat er ja so einen großen Wert auf die "aerbic base" gelegt.
Wie kommst du darauf, dass Lydiard das wusste und in seine Theorie einfließen ließ? Das war ja in den 50ern oder 60er noch gar nicht Stand der Wissenschaft! Und später ist nicht
mehr viel dran verändert worden an Lydiards System. Vielleicht hat er was geahnt, aber das wird mir dann schon etwas zu religiös - für die dogmatischen Lydiardisten ist Lydiard ja eh mindestens ein Halbgott und man muss vom Lydiard-Lacing über die Hügelphase alles genau nach Vorschrift machen.
Lydiard hat mir Trial & Error rausgefunden, dass man mit mehr Umfang auch auf kurzen Stecken wie 800 und 1500 deutlich schneller wird - etwas übertrieben und provokant formuliert ist das seine Hauptleistung.
Chri.S hat geschrieben:
Und ob er von veralteten Erkenntnissen ausgeht (wer tut das nicht? Jeder der etwas von der "anaeroben Schwelle" erzählt, lehnt sich ja schon weit aus dem Fenster

), ist doch eigentlich Banane, wenn der Erfolg stimmt, oder?
Bzgl der Schwelle hast du recht - man kann zig Schwellen definieren, und "richtig anaerob" wird es beim Stundentempo noch lange nicht. Und gerade beim 5k Lauf ist die interessanteste "Schwelle" sicher nicht die "Stundenschwelle":
Roberto Canova hat geschrieben:
"But what is important to remember, is that every distance needs a specific Aerobic Support, that is not the real AnT. For example, in the case of 3000 SC/5000, we can create a MAX LASS (Maximum Lactate Steady State) of 6/8 min at a level of 11-13 mmol of lactate, and the AnT that we need is the speed at a level of 8 mmol about. So, don`t pay attention at the CONVENTIONAL THRESHOLD of 4 mmol,because is something for physiologists, but really in many case doesn´t mean anything."
Da kämpfe ich auch noch mit der Macht der Gewohnheit, es wäre besser, Trainingsintensitäten nur über den HF-Bereich zu definieren oder über die Länge, die man ein Tempo durchhalten kann, als von diversen Schwellentmpi zu sprechen, da entsteht auch zuviel Verwirrung.
So ganz egal ist das alles nicht. Lydiard hat im Eigenversuch viele Dinge herausgefunden, die heute noch interessant sind. Aber es gibt eben auch viele Ungereimtheiten in seinem System, die unter anderem aus den veralteten Erkenntnissen resultieren.
Dann haben die Spitzensportler heute völlig andere Voraussetzungen: Es gibt LA-Hallen zum trainieren, es gibt einen Hallensaison, es gibt rund ums Jahr Geld zu verdienen. Lydiards Läufer waren meist Amateure - also läuft man an nem freien Tag nen 35er, um möglichst viel km reinzukriegen. Wenn man immer Zeit hat, 2-3 mal am Tag zu trainieren, kann man natürlich ganz anders trainieren. So gibt es mittlerweile auch zig Spitzenläufer, die ohne einen einzigen 35er sehr schnell geworden sind, und gerade einem 800m Läufer würden selbst Lydiardisten heute meist keinen 35km langen langen Lauf empfehlen.
Lydiard ist mit daran Schuld, das sehr viele Leute Angst vor dem "bösen" anaeroben Training haben, das in Wirklichkeit gar kein anaerobes Training ist. Insbesondere ist es Unsinn, dass schnelles Training direkt die "aerobe Basis" kaputtmacht. Nur wenn du so intensiv trainierst, dass du den Umfang deutlich zurückfahren musst, kann es zu einem Rückgang der Ausdauer kommen.
Das ist ein Problem, das klassischer Weise für schnelle Bahnläufer relevant ist - wenn jemand im Winter 180km macht, um dann in der Saison auf 120k runter zu gehen, weil er sonst seine Q-Einheiten nicht schafft, können die 180km im Winter sinnvoll sein.
Das Gros der Hobbymarathonläufer hier im Forum läuft aber in der Grundlagenphase nicht deutlich mehr km als in der heißen Phase einer Vorbereitung, eher umgekehrt. Bei denen dient die Grundlagenphase eher als Ausrede, nicht das ganze Jahr "richtig" trainieren zu müssen. (Was auch vollkommen ok ist, wenn man das nicht will, aber man soll sich dann nicht einreden, dass das Grundlagentraining einen schneller machte als Training mit richtiger Tempoarbeit.) Profitieren können sie von einer sehr langen Grundlagenphase kaum.
Um noch mal den Ketzer zu geben: Für viel wäre es besser, sie würden schonmal beim Slivesterlauf in richtig guter Form sein, um dann beim Frühjahrsmatrathon in noch besserer Form zu sein - natürlich bedeutet das nicht, dass sie von November bis März die gleichen Tempoeinheiten laufen.
Natürlich konnte Lydiard nix dafür, dass viele seine "Lehre" so mißverstanden haben, dass viele Leute eine sehr anstrengend Grundlagenphase mit Strides, Time-trials, ziemlich schnellen lockeren Läufen, einem maximierten Umfang und nur gelegentlichem Jogging in ein Rumgeschlurfe und Gejogge bei veringerten Umfängen im Winter verwandelt haben, was wirklich kaum noch was mit der ursprünglichen Idee zu tun hat.
Aber sowas kommt natürlich vielen leuten entgegen, die sich meistens lieber nicht so richtig anstrengen wollen. Bei relativ gut trainierten Leuten ist eh der Kopf oft der entscheidende Faktor, wieviel schnelles Training gemacht wird, der Körper würde oft mehr vertragen. Es kostet einfach verdammt viel Überwindung, das ganze Jahr immer wieder raus zu gehen und schnell zu traineren. Kann ich gut verstehen, wenn man das nicht macht, gerade wenn auch keine Halle zur Verfügung steht, es ist ja schon schwierig genug, sich bei dem Dreckswetter überhaupt zum rausgehen zu überwinden.
Ob der Erfolg Lydiard recht gibt? Da sollte man es sich nicht zu einfach machen. Peter Snell z. B. war ein Jahrhunderttalent mit sehr gutem "natural speed" - vielleicht wäre er mit modernerem Training (und einer besseren Bahn) einen 800m WR gelaufen, den weder Coe noch Kipketer hätten knacken können. Und die Langstreckenrekorde haben sich seit Lydiards Glanzzeiten noch deutlicher weiter entwickeltet ...
Gruß
C.