Vielleicht ist es ja nur eine Alterserscheinung, aber inzwischen ertappe ich mich dabei, dass ich gewisse Wiederholungen, zumindest in sportlicher Hinsicht, ganz gerne mag. Da wäre etwa der Wien Marathon, den ich in vierzehn Tagen bereits zum achten Mal laufen werde (das ist schon so oft, dass ich mich im Vorjahr in meinem Laufbericht sogar geirrt und eine Teilnahme vergessen habe); da ist aber auch der Halbmarathon in Berlin, den ich am Wochenende zum dritten Mal in Angriff genommen habe.
Gudrun und ich sind bereits am Freitag Mittag in Berlin gelandet. Traditionellerweise mit Air Berlin. Unser erster Weg - auch schon Tradition - führte uns in Quality Hotel in Reinickendorf. Ein modernes, äußerst nettes Haus, schöne Zimmer, tolles Frühstücksbuffet, strategisch günstig vom Flughafen Tegel aus erreichbar und mit nahegelegener U-Bahn-Anbindung zum Alex.
Bei der Startnummernabholung am Nachmittag ist so nebenher auch ein Paar nagelneuer DS Trainer 14 in der Tragtasche gelandet. Die längst fällige Ablöse für mein letztes DS Trainer 12er-Paar, von denen ich mehrere verschlissen habe. Die alten Latschen dürfen mich dafür beim HM noch durch Berlin tragen.
Am Samstag steht diesmal Potsdam als Besichtigungsziel auf dem Programm. Das schöne Wetter macht den Spaziergang im Schlosspark von Sans Souci und in der Stadt zum wahren Vergnügen. Am Nauener Tor lassen wir uns ein Bier bzw. einen Kaffe schmecken und danach machen wir noch das hübsche Holländische Viertel unsicher.
Als die Füße schonenden Abschluss schippern wir noch mit einem Ausflugsdampfer auf der Havel, dem Tiefen See und dem Jungfernsee herum und lassen uns über die Schlösser und herrschaftlichen Bauten am Ufer und über den Austausch von Spionen auf der Glienicker Brücke erzählen.
Den Abend verbringen wir dann ganz gemütlich mit Sabine, Ramona, Chris, Ulf und Iris im Restaurant Mangoo.
Sonntagmorgen: Perfektes Wetter, mit Wolken und Sonne, wenig Wind, milden Temperaturen - was will man mehr.
Im Cafe Balzac hat sich die Laufmeute versammelt - Kathrin, Annette, Janina, Heiner, Sabine, Chris, Ulf und und und. Großes Hallo und große Erwartungen - für die Einen, weil sie bestehende Rekorde knacken wollen, für die Anderen, weil der Halbmarathon eine Laufpremiere ist, für wieder Andere, weil sie einfach dabei sein und Spaß haben wollen.
Für mich ist die dritte Auflage "nur" ein Trainingslauf, ich zähle mich daher auch eher zur Spaßfraktion. Ich gehe ohne Erwartungen ins Rennen, aber mit der Hoffnung, dass mir der Lauf mehr Freude macht, als jener im letzten Jahr (der letztlich gar nicht so schlecht war).
Kai, der mit Jörg vor zwei Jahren auch den Wien Marathon gelaufen ist, ist auch da. Wir beschließen, das Rennen gemeinsam anzugehen. Für mich steht allerdings die Vorgabe, nicht schneller als 12 km/h zu laufen.
Wir wühlen uns durch die Menge ans Ende des Startblocks B. Ich schalte meine Beurer und die Speedbox ein - das kleine Lämpchen an dem Fußpod flackert heftig. Mist! Anscheinend ist die Batterie zusammengebrochen und ich befürchte, ohne Tempomessung laufen zu müssen. Eine Befürchtung die sich dann auch schon nach drei Kilometern bewahrheitet.
Aber was soll's - ich werde das Rennen auch ohne Tempomessung überleben

Unter der Statue des ollen Fritz entdecke ich Gudrun die ein Foto von mir schießt und mich anfeuert.
Kai und ich kommen gut weg. Wir passieren die erste Kilometermarke bei exakt 5 Minuten und pendeln uns danach auf einen Kilometerschnitt von etwa 4.55 ein. Ich merke aber bald, dass Kai heute sein Vorhaben wahr machen will, seine bisherige Bestzeit zu knacken und damit unter 1:40 zu laufen.
Ich muntere ihn mehrmals dazu auf loszuziehen und auf mich keine Rücksicht zu nehmen. Bei Km 9 fasst er sich ein Herz und trabt langsam aber stetig davon.
Knapp vor der 10er Marke habe ich Kai aus den Augen verloren und ich habe auch das Gefühl, langsamer geworden zu sein. Die Uhrenkontrolle sagt jedoch das Gegenteil: Ich halte meine Pace ziemlich locker; jedenfalls viel besser, als ich erwartet habe. Ich stelle sogar fest: Mir geht's super


Ich laufe vorbei an Sambatrommlern, an Menschen mit Tafeln mit anfeuernden Sprüchen drauf, an den Boutiquen und feinen Hotels am Ku'damm, an der Gedächtniskirche. Es läuft sich richtig gut.
Bei km 14 habe ich kurzzeitig das Gefühl, der Muskel meiner rechten Arschbacke macht zu - ist aber ein Fehlalarm - und überhaupt wird heute nicht gemeutert. Schließlich sind zwei Drittel der Strecke schon geschafft und die planmäßigen 1:45 sind absolut in Reichweite.
Ich freue mich über meine eigene Selbstsicherheit, werde wenig überholt, überhole selbst eine Menge jener LäuferInnen, die sich auf den ersten zwei Dritteln übernommen haben, habe aber auch viele BegleiterInnen, die eine ebenso beständige Pace laufen wie ich.
Postdamer Platz, km 17: Ich weiß, wenn ich am Schluss noch etwas zulege, kann ich unter 1:43 laufen. Das ist dann zwar immer noch 7 Minuten über meiner Bestzeit, aber hallo: Das hier ist heute "nur" ein etwas forscherer Trainingslauf.
Ich überlasse mein Tempo meinem Gefühl, checke nur mehr bei den Kilometertafeln meine Uhr. Ich weiß, dass ich auf den letzten beiden Kilometern noch genug Energie habe um kräftig auf die Tube zu drücken. Und das mache ich dann auch.
Etwa ein Kilometer vor dem Ziel wartet wieder Gudrun auf mich und ich winke ihr freudestrahlend zu. Dann zünde ich meinen bewährten Turbo, biege kurz danach in die Zielgerade ein und passiere die Zeitmessung bei exakt 1:42:51

Ich bekomme die Medaille umgehängt und wandere ein paar Meter in Richtung Getränkestand, als mich Chris ruft. Er ist nur ein paar Meter hinter mir ins Ziel gekommen. Da er aber etwas weiter hinten gestartet ist, ist er sogar etwa zehn Sekunden schneller gewesen. Gratulation an dieser Stelle.
Wir freuen uns gemeinsam über das schöne Rennen und schnappen uns fürs Erste ein alkoholfreies Bier.
Auf dem Weg durch das Menschengewühl hin zu den Duschen findet mich Gudrun - was wäre das Alles ohne sie

Nach der Dusche ist wieder allgemeines Treffen beim Balzac angesagt. Nach und nach trudeln alle ein. Holgii hat mit 1:30:xx eine tolle Bestzeit aufgestellt, Kathrin hat Annette zur neuen PB gezogen, auch Sabine hat als Pacemakerin ganze Arbeit geleistet, Iris ist nicht ganz zufrieden mit ihren 1:52:xx hat aber trotz allem eine tolle Zeit geschafft und Kai hat tatsächlich mit einer 1:39er-Zeit eine neue PB aufgestellt.
Nach einem gemütlichen Essen am Hackeschen Markt müssen wir uns verabschieden. Wir sind noch bei Kai und Kerstin eingeladen (danke für den wunderschönen Abend!).
Den Montag Vormittag haben wir noch für einen kurzen Stadtbummel genützt; um 16:00 Uhr sind wir wieder in Wien gelandet.
Eines steht schon fest: Im kommenden Jahr sind wir wieder in Berlin dabei. Ein paar Traditionen muss man schließlich pflegen ...
Liebe Grüße
Wolfgang