kajakwolli hat geschrieben:
Ich fragte mich warum Voctor vom System absprang und ich fragte mich warum ich beim Halbmarathontraining jede Woche einen langen lauf mit 28 Kilometern laufen sollte.
Das ist sicher nicht zwingend notwendig in deinem leistungsbereich, aber wenn man es gut verträgt auch nicht schädlich. Bei den Pros trainieren die HM-Leute in vielen Phasen ähnlich wie die Marathonis, Überdistanzläufe sind da obligatorisch.
Man findet in zig Plänen lange Läufe, auch in Plänen die nur für kürzere Langstrecken gedacht sind. Bei Lydiard liefen viele Mittelstreckler im Winter wöchentlich einen 35er!
kajakwolli hat geschrieben:
Waren die früher, vor dem Vicsystem alle Trottel? In Österreich besteht der Marathonrekord seit 23 Jahren. Dia hatten damals kein Vicsystem und keine Schuhe von 150 Euros, keine Garmins und nix, die sind nach Plan gelaufen und und und.
Ich habe im Vic System noch keine Einheit gesehen, die neuer ist als 23 Jahre - will aber nicht ausschließen, das so was vorkommt.

Lass dich da nicht von der Werbung täuschen. Die meisten Einheiten, mit denen ihr konfrontiert werdet, sind 25 Jahre und älter, das ist ganz egal ob die Sachen von Greif, Steffny oder Vic kommen.
Weder hat Greif die EB erfunden noch Vic einen etwas schnelleren langen Lauf noch Steffny den langsamen langen Lauf. Das klassische Intervalltraining ist über 60 Jahre alt!
kajakwolli hat geschrieben:
Ich bin 44 und ich WILL im Winter langsam laufen. Zum Beispiel Steffny gefällt mir und Jahr für Jahr wird mir bewiesen, dass Geschwindigkeit sehr schnell aufgebaut ist, wenn die Grundlage stimmt.
Dann hast du doch nach 2-4 Wochen im Winter gewusst, dass du bei VIC falsch bist, oder?
kajakwolli hat geschrieben:
Vicsystem ist meiner Meinung nach nur für ambitionierte Läufer geeignet. Mir ging es zu sehr an die Substanz und machte mich langsamer statt schneller. Ich war noch nie so gut wie heute- eben weil ich NICHT nach Vicsystem trainiere.
Es hat weniger mit den Ambitionen zu tun, sondern mehr damit, ob man diese Art von Training verträgt. Vicsystem ist wie jedes andere Ferntrainingssystem nicht stark genug an die individuellen Besonderheiten eines Läufers angepasst. Es gibt haufenweise Fehler bei der Anpassung des Trainings. Es reicht eben nicht, einfach zu sagen: Röthlin macht 20*400 in 64, also macht Läufer X z. B. 20*300 in 66. Man muss JEDEN Parameter überprüfen, die Einheit dann so anpassen, dass sie funktioniert, und dann noch schauen, ob sie so überhaupt noch sinnvoll ist und dem Läufer liegt, ob es nicht Alternatibven gibt, die dem Läufer mehr liegen.
Man kann auf fast jedem Laufniveau viel vom Training der Spitze lernen, aber das lässt sich nicht so einfach in einem so simplen System runterbrechen. Ich würde nie einem Läufer 20*300m aufschreiben, der sowas noch nie gemacht hat, bei dem ich nicht weiss, ob er überhaupt das richtige "mindset", den Kopf und die Psyche, dafür hat. Ganz zu schweigen davon, ob er es körperlich verträgt. Ob so sachen für ältere Läufer das richtige sind, ist auch wieder ne andere Frage.
Im Alter nimmt die Erholungsfähgkeit ab. Bedeutet im Schnitt mehr Tage Erholung von Tempoeinheiten, im Schnitt weniger intensives Training. Ein System, dass stur jedem Läufer ab 5 Einheiten/Woche 3mal Qualität rreinknallt, kann sowas nicht berücksichtigen. Das ist bei Greif ähnlich problematisch wie bei Vic.
Gerade für ältere Marathonläufer reichen imo z. B. oft 2 qualitative Einheiten pro Woche. Dadurch hat man genug Erholung und kann auch eher einen hohen Umfang laufen, was für ältere oft das Mittel zum Zweck ist, weil die Intensität nicht mehr so gut vertragen wird.
kajakwolli hat geschrieben:
Erklärt mir bitte wo mein Fehler lag und erklärt mir bitte wo denn die großen Unterschiede liegen zu den angeblichen falschen Trainingsmethoden von früher und warum früher dennoch der große Durchschnitt wesentlich schneller gelaufen ist als heute.
Das Gros der schnellen Läufer früher hatte keinen Pulsmesser und keine Angst vor zu hohem Puls. Sie haben sich getraut, auch mal nach Gefühl zu trainieren und nicht bei jedem Zweifel in einem Forum nachgefragt, wie man es denn macht und sich dann von 5 unterschiedlichen Ratgebern, von denen die Mehrrheit nur über Viertelwissen übers Lauftraining verfügt, verwirren lassen. Sie haben sich getraut, mit dem Lauftraining anzufangen ohne ein einziges Buch von Steffny gelesen zu haben. Rat hat man sich bei älteren erfahrenen Läufern oder Trainern aus Fleisch und Blut geholt, und die waren damals nicht so übervorsichtig wie manche heutigen Ratgeber, die Läufer oft mehr bremsen als fördern.
Man hat nicht bei 60 oder 80k/Woche schluss gemacht, nur weil irgendein Depp in eirgendeinem Forum behauptet hat, das würde für die Zielzeit reichen und mehr wäre schädlich. Man hat soviel Km gemacht, wie nötig waren um das persönliche Ziel zu erreichen, man hat einfach mal ausprobiert, wieviel geht, was man aushält.
Die schnellen Läufer haben meist in der Gruppe, im Lauftreff und/oder Verein trainiert und sich gegenseitig im Training gepusht, keiner ist alleine mit mp3 Player im Ohr durch die Gegend geschlichen. Viele Trainingsläufe wurden recht schnell absolviert oder Crescendoartig gesteigert. Man hat nicht zwingend TDL dazu gesagt, aber wenn die Leute Lust hatten, schnell zu laufen, oder dem Nachbar mal zu zeigen, wer der schnellere ist, wurde eben schnell gerannt.
Die meisten hatten keine Angst vor Frühform und haben viele WK mitgenommen. Dadurch haben sie schneller Erfahrung gesammelt und Tempohärte gewonnen als viele ängstliche Event-Jogger von heute. Viele Läufer haben auch eher eine sinnvolle Reihenfolge eingehalten, was das Steigern der WK-Distanz angeht. Heute laufen Menschen Marathon ohne einen einzigen 5er oder 10er WK in den Beinen ....
Und natürlich war nicht alles gut, trainingstechnisch wurde sicher viel falsch gemacht, aber das ist ja heute immer noch so.

Mancher leistungsorientierte Lauftreff hat sicher viele Neulinge durch zu hohes Tempo verschreckt, manch einer hat sicher auch zuviel gemacht. Auch in den Vereinen wurden einige Leute kaputt trainiert, da wurde auf der Bahn mancherorts Tempo gebolzt, das war schon heftig.
Es gibt auch noch viele andere Faktoren, die eine Rolle spielten. Die Läufergeneration, von der ich spreche, ist heute so zwischen 55 und 70 Jahre alt, hat in den 70er oder 80er Jahren mit dem Laufen begonnen. Dies Menschen haben in ihrer Kindheit noch nicht so sehr unter Bewegungsmangel gelitten wie viele heutige Laufanfänger. Viele haben das Laufen daher schon mit einer größeren Fitness begonnen.
Dann gab es in den 80ern zwar die letzte große Rezession, aber dennoch viel weniger Arbeitslose und ein dichteres soziales Netz. Dei Läufer konnten mehr Energie ins Training investieren, wiel ihre Jobs sicherer waren und sie in der Hinsicht nicht so flexibel sein mussten wie viele heute. Bitte glaub nicht, dass die Läufer im schnitt schneller waren, weil sie nur das Wohlfühlprogramm abgespult haben. Die haben km geschrubbt und haben auch gut gas gegeben. Von Nix kommt nix.
Also früher haben die Läufer sicher nicht alles richtig gemacht, aber manch einer hat moderner trainert als manche Menschen heute, und manch einer ist sogar alleine drauf gekommen, was gut für ihn ist. Außerdem kann man selbst mit suboptimalen Training bei entsprechendem Ehrgeiz, Mut und Zeiteinstaz recht nah an die eigenen Leistungsgrenzen kommen. Wenn die Angst vor Verletzungen, zu hohem Puls und Übertraining so groß ist wie heute bei vielen Läufern, bleibst du selbst bei modernstem Training weiter von deinen Leistungsgrenzen weg.
Heute gibt es massenhaft gute Informationen über Training im Netz, aber es werden auch so viele unsinnige Dinge und so viele Halbwahrheiten und Mythen geschrieben, dass die meisten nicht mehr in der Lage sind, die Infos richtig zu filtern. Wenn ich jeden halbwahren oder nach aktuellem Stand der Wissenschaft sogar unwahren Satz, der nur hier im Forum übers Lauftraining geschrieben wird, korrigieren sollte, wäre das ein Fulltime Job. Ganz zu schweigen von irgendwelchen laufseiten da draußen, die vielleicht nett aussehen und von engagierten netten Läufern stammen, aber dennoch jede Menge zweifelhafte Infos enthalten.
Der Fehler liegt meist in der Über- oder Unterforderung. Dein Fehler war wohl, ein Trainingssystem zu wählen, dass zu dir nicht passt und auch deiner Überzeugung eher widerspricht, also hat es dich überfordert. Es bringt wenig, etwas zu trainieren, von dem man nicht überzeugt ist. Der Fehler von VIC ist natürlich, dass es viel zu unflexibel ist, es konnte sich dir natürlich nicht genügend anpassen.
Es gibt 2 Grundprinzipien in jedem Training:
1. Individualisierung: Abstimmung des Trainings auf den jeweiligen Läufer, auf seine körperliche, mentale und psychische Leistungsfähigkeit, seine individuellen Strken und schwächen.
2. Spezialisierung: Abstimmung des Trainings auf die Aufgabe im WK (die Distanz, die Strecke, das Profil ...)
Jedes Training, was diesen beiden Punkte nicht ausreichend berücksichtigt, bleibt suboptimal. Jedes mir bekannte Ferntrainingssystem scheitert deutlich an Punkt 1. Wenn es passt, ist das ein Glückstreffer, oder der Läufer hat es sich passend gemacht.
Es kann auch kein Trainier, der kostendeckend arbeiten will, für solche Preise wirklich individuelle Pläne anbieten.
Gruß
C.