Hallo zusammen,
eigentlich wollte ich mit tiefer, innerer Befriedigung einen Bericht von meinem ersten Marathon schreiben. Warum ich das leider nicht machen kann, tja, lest selber...
Doch vorab einige Worte zu meiner Vorbereitung. Von einer kleinen aber hartnäckige Erkältung mit Reizhusten abgesehen, verlief meine Vorbereitung eigentlich sehr glatt und aus meiner Sicht vielversprechend. Habe etlich >30 Läufe bis max. 34km absolviert, allesamt, VIC typisch, relativ flott. Bin jedoch prima mit den Vorgaben zurechtgekommen und hatte, mit einer Ausnahme, nie das Gefühl ich würde mich übernehmen, es könnte nicht passen. Auch die Pulsvorgaben als Kontrollwert passten immer wunderbar zum Plan. Nach meinem vorletzten 34er, auf den mich meine Frau auf den Rad begleitet hatte, meinte sie ebenfalss, ich würde das so locker abspulen...sie hätte keinerlei Bedenken für den Tag X.
Letzte Woche habe ich brav getapert, hab den Alkohol weggelassen, KH gebunkert, alle Ampeln standen auf grün. Mir ist nur eines aufgefallen und ich weiß nicht ob dies mit den nachfolgenden Geschehnissen im Zusammenhang stehen könnte - mein morgentlicher Blutdruck (den kontrolliere ich als leichter Hyperthoniker jeden Tag), war die letzten 4 Tage deutlich erhöht!? Nun, vielleicht kam das auch durch die plötzliche Reduktion des Trainings?! Wie dem auch sei...heute war es endlich so weit.
Wetter war natürlich nicht gerade Marathon optimal. Blauer Himmel, >20 Grad schon beim Start. Okay Andi, sagte ich mir, dein erster Marathon, du möchtest auf Sicherheit laufen, dir genügend Reservern lassen, blos nichts riskieren. Also bin ich von vorn herein einen Tick langsamer gestartet als ich es für optimale Bedingungen vorgesehen hatte. Mein Ziel war es in erster Linie konstant durchzukommen und zwar so, dass ich den Lauf im Großen und Ganzen genießen kann. Bestzeiten jagen kannst du noch lange genug. Ausgerechnet hatte ich mir dennoch eine Zeit locker unter 4 Std, im Idealfall um 3:45/3:50. Jedoch bereits nach wenigen KM hatte ich mit Schrecken festgestellt, dass mein Puls für die Pace um gut 15 Schläge zu hoch ist. Zuerst dachte ich, da stimmt was mit dem Gurt nicht, doch einige KM später fühlte ich es auch, dass heute etwas nicht mit stimmt. Mist, und das bei meinem großen Tag. Also, was tun? Trinken! Andi, trinken ist wichtig! Habe tatsächlich keine Getränkestelle ausgelassen und sogar jeweils kurze Gehpausen eingelegt um nicht zu viel zu verschütten. Hab nochmals etwas Tempo rausgenommen und war mittlerweile bei 5:40 Pace. Gut, der Puls hatte sich dadurch, allerdings auf für meinen Geschmack zu hohem Niveau, stabilisiert und es fühlte sich wieder komfortabler an. Bei ca KM 18 ging es jedoch plötzlich nochmals bergab, nicht auf der Stecke, jedoch mit meiner physischen Verfassung. Himmel, es ist noch nicht mal die hälfte gelaufen!! Mir kamen zu diesem Zeitpunkt zum ersten mal ernsthafte Bedenken, ob ich zumindest mein Minimalziel, ankommen, überhaupt erreichen könnte. Von Freude, die Begeisterung der Zuschauer aufnehmen, die abwechslungsreiche Strecke genießen, konnte schon jetzt keine Rede mehr sein. Alles war Gefühlen wie Frust und Sorge gewichen. Die Halbmarathon Marke war endlich erreicht, 1:57, und ich fühlte mich jetzt schon wesentlich erschöpfter als nach meinem HM Test vor 3 Wochen (1:42 auf wesentlich mehr Höhenmeter verteilt). KM 22 und es war endlich soweit, ein heftiger Krampf im linken Oberschenkel verdonnerte mich zum Stehen, zum Krampf wegdehnen. Der Krampf war endlich weg und ich versuchte wieder langsam in den Tritt zu kommen, was zuerst auch zu klappen schien. Meine Pace und irgendwelche Zielzeiten hatte mich zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr interessiert. Ich wusste, es waren noch 20 KM zu laufen und ich kämpfte bereits "mit dem überleben" (sinngemäß). Km 22, nächster Krampf, diesmal der rechte Oberschenkel. Einige hundert Meter weiter, zur Abwechslung mal ein Wadenkrampf, usw. usw. Rührend...etliche Läufer fragten mich ob es noch geht, wie es mir geht, ob sie mir den Krampf ausdehen sollen. Einer bat mir sogar Voltaren an, welches ich zuerst nur aus Höflichkeit angenommen habe (ich dope ja nicht!) und zuerst gar nicht schlucken wollte. Der ehrenwerte Vorsatz hielt gerade mal 2 Km.
Eigentlich war der Lauf für mich zu Ende. Von Laufen konnte nämlich im Grund keine Rede mehr sein. War der nächste Krampf notdürftig ausgedehnt, konnte ich maximal einige 100 Meter am Stück laufen bevor ich abermals gestoppt wurde. So schleppte ich mich Meter für Meter Richtung Ziel, denn das wollte ich wenigstens noch erreichen. Immerhin warteten dort meine Lieben und machten sich mitterlweile wohl auch Sorgen um mich. "Rechnet mal ab 3:45 mit mir aber wahrscheinlich wirds knapp 4 Std werden", habe ich es ihnen eingeimpft. Pah, von wegen! Als bei Km 38 die Halbmarathonis und Walker zu uns auf die Strecke gestoßen sind und ich wieder mal eine Gehpause einlegen musste (wenigstens hatte ich mittlerweile ein super Gefühl bekommen wann der nächste Krampf ca. 4 Sekunden noch entfernt war) geschah es dann. Ein weiter Krampf? Nö, das würde sich gar nicht mehr zu erwähnen lohnen. Ich musste die maximale Demütigung ertragen die ein Läufer überhaupt erleben kann: ich wurde von Walker überholt!! Beim gehen haben die Säcke mich abgezogen, eiskalt, brutal, gnadenlos. Ich war ein Häufchen Elend, ein Nichts, ein Walker-nicht-folgen-könner, war nahe am Heulen.
Dann endlich, KM 42, Einlauf ins Stadion, noch 200m. Es waren natürlich fast alle schon da, zumindest die richtigen Sportler. Um zu verhindern auf diesen letzten läppischen 200m im Stadion keine weitere Gehpause einzulegen, musste ich mich zwingen nur noch auf den Fersen zu laufen, immer die Zehenspitzen mit Konzentration und letzter Willenskraft nach oben zu ziehen, ansonsten hätte mich der ultimative, beidseitige Wadenkrampf nochmals zum stehen gebracht. Ziel! Endlich Ziel! Von Freude natürlich keine Spur. Ich war vollkommen leer, auch psychisch, war beinahe apathisch. Habe nichts mitbekommen, meine Frau nicht gesehen bzw. gehört, obwohl sie mich auf den letzten Metern anscheinend noch lautstart angefeuert hat. Unser 6-jähriger Filius war nicht da - der musste im Auftrag der Mutter im Stadion nach dem Papa suchen. Der hätte ja eigentlich schon längst da sein müssen und wurde bestimmt nur übersehen...
Tja so viel zu meiner Marathon Premiere die ich zumindest niemals vergessen werde. Ach ja, der Vollständigkeit halber. Bei 4:42 (oder sowas in der Art) kam ich ins Ziel. Hatte nicht mal mehr daran gedacht meine Uhr zu stoppen.
Grüße
Andreas, amtierender Meister im 20 KM Krampflaufen ;-)
Mein Körper, warum hast du mich im Stich gelassen? / Mein Marathon Premiere Fiasko
1Laufbeginn: April 07 (95kg)
24.02.08 - Weibertreulauf Weinsberg (9,8km) - 44:14 (PB)
07.09.08 - EBM Papst Marathon (HM) - 1:39:21 (PB)
17.05.09 - Trollinger Marathon (M) - 4:41:47 ("PB") *lach*
24.02.08 - Weibertreulauf Weinsberg (9,8km) - 44:14 (PB)
07.09.08 - EBM Papst Marathon (HM) - 1:39:21 (PB)
17.05.09 - Trollinger Marathon (M) - 4:41:47 ("PB") *lach*