Sonntag Vormittags ist langer Lauf angesagt
Gestern war wieder ein Sonntag und niemand hatte etwas dagegen dass ich laufe. Ich hatte es samstags schon angekündigt und so stellte ich mir meinen Wecker auf 8:00 Uhr. Im 5-Minuten-Abstand meckerte er und so stand ich um 8:15 Uhr auf, damit ich um 8:30 Uhr zu meinem "langen" Lauf aufbrechen kann. Ein langer Lauf ist aufgrund meines Formtiefs im Moment max. 18 km und genau die habe ich mir vorgenommen.
Ich ging ins Badezimmer und begrüßte Mucki, unsere Krähe, die wir vor etwa 10 Wochen als großes, aber verstoßenes Küken vor den Fängen eines Labradors gerettet haben und die uns seitdem nicht mehr von der Seite weichen mag. Mucki brauchte heute morgen also eine Portion Streicheleinheiten und Liebe. Als dies erledigt war, konnte ich mich endlich anziehen. Ich hatte mir abends schon alles bereit gelegt: Laufsocken, Shirt, kurze tight, Schweißband für den Arm, das Polar-Gerödel und da es laut wetter.com mit 80%er Wahrscheinlichkeit regnen sollte das Laufcappy. Und bei einem Blick aus dem Fenster, sah es nicht so aus, als wenn es anfangen würde zu regnen, denn es regnete schon...
Dann machte ich mir schnell noch den vergessenen Trinkgurt fertig (habe im Sommer unterwegs immer Durst).
So, alles fertig, den Gurt ziehe ich noch nicht an, das Einklicken ist zu laut, auch die Schuhe ziehe ich mir erst im Hausflur an, nicht dass Manu und Lisa wach werden. Sollen sich ja auch mal ausschlafen, wir sind Samstag schon um kurz vor 8 Uhr vom Briefträger mit der Klingel geweckt worden...
Schnell noch einen Zettel geschrieben
"bin um 10:15-10:30 Uhr wieder da" und in der Diele auf den Boden gelegt.
Alles nötige Gerödel ganz leise zusammengerafft, Hausschlüssel brauche ich nicht, um 10:15-10:30 Uhr sind die Mädels ja eh schon wach.
Wohnungstüre auf, vorsichtig raus und die Wohnungstüre ganz leise eingerastet. *klick* Super, das war leise, da ist keiner von wach geworden. Jetzt schnell den Gurt an, *klick* und die Schuhe anziehen....

SCHUHE?????????????????????
Wo sind die Schuhe?

Schei..., die stehen drinnen im Regal. AAAAaaaaargh!
Und jetzt? Klingeln?
Dann sind alle wach und laufen brauche ich DANN nicht mehr.
Klopfen? Dann sind auch alle wach, da die Hunde kläffen.
Auf Socken laufen? Naja. Eher nicht.
Barfuß laufen? 18 km? Im geplanten Zeitfenster von 1 3/4 - 2 Std? Puh, der Gedanke daran lässt mich erschauern, zumal der Boden ja auch noch nass ist. Geht mal gar nicht.
Oder nur 3-4 km und dann irgendwo warten bis zuhause alle wach sind?
Ja, das ginge, aber dann komm ich ja auf nicht mal 30 km die Woche.
Also doch klingeln.
Oder?
Ach, mach dir nicht ins Hemd, Martin, lauf halt barfuß so weit es geht. Läufst halt Waldwege, die sind schön weich...
Es war schon ein komischer Gedanke, aber ich zog die Socken aus, machte ein Knäuel und steckte sie in den Briefkasten.
Ich verließ den Hausflur und ging raus. Der erste Blick: Es regnete leicht, der Asphalt war nass.
Auf Nässe bin ich noch nie barfuß gelaufen, alle bisherigen Barfuß-km (etwa 5x, maximale km =gute 5 km) waren bei Trockenheit. Wie lange würden die Füße es aushalten? Weichen sie auf und ich laufe mir blutiges Fleisch? Oder geht es? Fragen über Fragen und ein bißchen Angst. Nur der Lauf selbst wird es mir verraten.
Ich lief los. Schon nach 100 m merkte ich, dass der nasse Asphalt sich anders anfühlt als Trockener. Aber nicht besser. Es drückte mehr, er fühlte sich deutlich rauer an. Oje, was mache ich nur zwischen 8:45 und 10:15 Uhr, wenn ich den Lauf gleich schon beende?
Nach etwa 700 m kam ich zum Friedhof, dort führt ein Grasstreifen parallel entlang der Straße bis zum Wald. Das Gras war nass und kühl. Ich wünschte mir den ganzen Lauf mit Gras und überlegte den ganzen Vormittag auf diesem 200 m langen Grasstreifen immer hin und her zu laufen. Das war mir dann aber doch zu albern und ich lief in den Wald. Dort war dann ein geplätteter Waldweg mit Steinchen und Stöckchen. Nix weich. Ich lief auf dem Mittelfuß, etwas mehr Gewicht vorne, aber nicht viel. Es drückte hie und da, aber es ging. Nach weiteren 400 m dann ein 50-Meter-Abschnitt mit einer Wiese, parallel zum Waldweg. Sofort nutzte ich diese zur Fußerholung.

Dann musste ich einen kurzen Abschnitt mit Schotter gehend überwinden und kam dann auf ein rel. weiches Waldwegstück. Zum ersten Mal suchte ich mir beim Laufen bewusst Pfützen und Matsche. Ich kam mir vor wie meine Tochter, die es liebt dort hinein zu hüpfen!

Weiter ging es über ein kurzes Stück rauen Asphalt auf den dünn gerollsplitteten Parkweg entlang des Pillebaches. Auch hier versuchte ich seitlich den Grasstreifen zu nutzen. Dieser war aber durchzogen von Brennesseln. Ich zog den Rollsplitt dann mit vorsichtigen Schritten vor...
Ich lief wie auf Eiern, aber ich lief.
Weiter 400 m kam ich dann auf einen Weg, der schon fast laufbar war, aber der Grünstreifen daneben war noch laufbarer.

Zumindest auf Teilbereichen.
Eine kurze Steigung von 20 Metern auf dichtem Rollsplitt überwand ich gehend um danach sofort über eine Wiese abzukürzen. Jetzt hatte ich schon 2,7 km geschafft! In 17 min.
Weiter ging es über die B7 rüber Richtung ehem. Ziegelei über Asphalt. Eine Erholung für die Füße! Es hatte aufgehört zu regnen. Mit mittlerweile geübtem Blick suchte ich mir die Asphaltstücke raus die feiner waren. Ich kam wieder zu einem holprigen Waldweg mit vielen Stöckchen, aber mittlerweile ging es.
Dann kam ich an einen fein geschotterten Weg. Was ich bisher nie sah: Direkt daneben war Wiese mit hohem Gras. Mit flachen Schritten lief ich durch das Gras. Mir blieb immer wieder der eine oder andere Grashalm zwischen den Zehen hängen und riss ab. Trotz des Grasuntergrundes waren dort verschieden große und spitze Steinchen versteckt. Unmittelbar hintereinander trat ich zunächst auf einen etwas spitzen und dann auf einen recht dicken Stein. Letzterer drückte sich in meinen Mittelfuß und bereitete mir minutenlangen Schmerz. Ich lief weiter. Es begann wieder warm zu regnen. Nach nunmehr 5,5 km wieder ein Stück fester Waldweg mit Steinchen (wer legt eigentlich diesen blöden Rollsplitt auf Waldwege???). Seitlich waren Teilbereiche mit weichem Erdboden (mit weniger Steinchen und Stöckchen

, das fühlte sich an wie die Geleinlage in nagelneuen Laufschuhen.

Jetzt kam ein kurzes Schotterstück mit Eisenbahnschotter, das ich aber über einen ganz schmalen Grasstreifen umlaufen konnte, dann endlich wieder Asphalt. Hoch ging es nach Knittkuhl. Die Füße fühlten sich auch noch einigermaßen an, wurden aber etwas "fühlig".
40 Minuten, 6,5 km. Was jetzt? Ok, ich hatte ja noch Zeit, also weiter. Über Gehwege lief ich Richtung Kaserne, dort angekommen zeigte die Uhr knapp 48 Minuten. Es regnete. Ich lief um die Ecke und drehte dann bei 50 Minuten um.
Ich bin bekloppt.

Egal. Der Rückweg geht ja eher etwas bergab. Ich spürte meine Füße. Dem nassen Asphalt ging ich aus dem Weg, Gehwegplatten aus feinem Waschbeton sind ein toller Untergrund. Um den Glascontainer in Knittkuhl machte ich wieder einen großen Bogen, aber im letzten Moment. Die Konzentration ließ spürbar nach. Man muss wirklich jeden Schritt im Voraus planen. Und doch wird man immer wieder überrascht mit irgendwas zwischen den zehen, unter dem Ballen unter dem Mittelfuß und der Ferse. Und meist sind das keine angenehmen Überraschungen. Ich überlegte, dass Leute mit geringem Gewicht sicher Vorteile hätten weil sich die Steinchen und Stöckchen nicht so in die Haut bohren. Ich lief weiter. Von Pfütze zu Pfütze. Die Füße fühlten sich nicht mehr so recht wohl und suchten Kühlung und weichen Untergrund. Den gab es gerade nicht. Der Regen wurde mehr, war aber wenigstens oberhalb der Füße nicht unangenehm. Das kurze Stück Waldweg mit dem "Gel" war schnell vorbei, dann die Wiese entlang des geschotterten Weges. Wieder trat ich auf einen dicken Stein, den ich im hohen Gras nicht sehen konnte. Danach ging es wieder. Dann wieder Waldweg. Aua, man, drücken die Stöckchen. Ich ging kurz, dann lief ich mit ganz flachen Schritten weiter, bloß kein Gewicht drauf. Wieder Asphalt, sehr angenehm, nach der B7 wieder die kühle Wiese. Herrlich! Weiter ging es über den schmalen Streifen neben dem fast laufbaren Weg, jedoch hatte der regen die Brennnesseln seitlich runtergedrückt und der Lauf mutierte hier zu einem Fahrtspiel: Ich musste über einige Brennnesseln springen, anderen mit ein oder zwei seitlichen Ausfallschritten ausweichen.
Dann wieder der gerollsplittete Weg neben dem Pillebach. Ich sog die Luft zwischen den Zähnen ein und konnte dem Kind auf dem Fahrrad nicht folgen. Aber durch Brennnesseln laufen? Geht mal gar nicht! Aber jedes Mal, wenn ich keine zu sehen waren, wich ich auf den Grünstreifen aus und sofort konnte ich schneller laufen.
Dann wieder der weiche Waldweg, der Schotterstreifen zum Gehen, die 50-Meter Wiese. Ich war fast zuhause. Mittlerweile schüttet es wie aus Eimern. Egal. Ich hatte andere Sorgen.

Der folgende Waldweg war noch mal eine kleine Qual. JEDES Stöckchen und JEDES Steinchen bohrte sich cm-tief ins Fleisch. Jedenfalls fühlte es sich so an.

Endlich wieder der Grünstreifen am Friedhof. Unmittelbar beschleunigte ich wie mit einem Turbo.

Dann noch 4 min über Asphalt und ich stand vor der Hautüre. Das Wasser floss in Bächen den Gehweg runter. Ich klopfte ans Wohnzimmerfenster und Manu öffnete das Fenster. Mucki begrüßte mich und verzog sich schnell wieder nach drinnen. Viel zu nass.

Ich erklärte Manu, warum ich barfuß war und sie erklärte mich für bekloppt.

Ich dehnte die Muskeln, ging rein und holte Geld um Brötchen zu holen. Natürlich barfuß lief ich zum Büdchen 200 Meter weiter und lief auch den Rückweg. Zuhause angekommen war die Brötchentüte völlig aufgeweicht und aufgerissen, obwohl ich sie schützend abgedeckt hatte.
Ich genoss das Frühstück und stellte dann fest, dass ich am linken Fuß vorne an 2 Zehen eine rote Blase hatte, die ich aufstach. Ansonsten fühlten sich die Füße gut an. Keine Blasen, keine Fleischwunden , nichts abgeschabt. Oberhalb der Socken hatte ich ein paar Stunden lang vom hohen Gras ein paar leichte Hautschwellungen, wie eine allergische Reaktion.
Nur die Beine fühlten sich an wie nach meinem ersten 17 km-Lauf vor knapp 2 Jahren.
Wie fühle ich mich heute, 1 Tag später? Gut! Aber ich habe Muskelkater in den Waden.
Morgen geh ich wieder laufen, aber barfuß brauch ich erst mal Pause.
Ach ja, zu erwähnen wäre vielleicht noch, dass ich insgesamt ganz knappe 16 km in 1:42 Std. gelaufen bin.
Wer sich die Strecke mal anschauen möchte, kann hier gucken:
Greif Streckenvermessung
Gruß, Martin