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von LaufSteff
18.11.23 – 10-KM-Rennen (6.) - Wettkampf Nr.16
Voraussetzung: In Köln war ich ja Anfang September die 10 Kilometer in der Marathonvorbereitung in einem TT in 38:41 gelaufen, meine offizielle, bestenlistenfähige PB von Ende Juni lag aber vor dem Start gestern noch bei 39:37.
Daher wäre ich mit einer Bestätigung der Zeit aus dem Kölner TT schon zufrieden gewesen.
Da die Form aber sehr gut war und das Wetter mit 7 Grad und leichtem Nieselregen für mich geradezu ideal, wollte ich auf jeden Fall auf Sub-38 anlaufen.
Meine persönliche Vorgabe lautete, die erste Hälfte auf jeden Fall in 18:45 zu laufen, egal wie hart es sich ggf. anfühlen würde. Das müsste ich sicher draufhaben und wenn ich damit überpaced hätte, würde ich in der zweiten Hälfte sogar noch mit einer 4:03er Pace mein primäres Sub-39 Ziel erreichen.
Ansonsten einfach ab der Hälfte entweder in einer guten Gruppe mitschwimmen oder irgendwie in die Psychotrickkiste greifen und mich Kilometer für Kilometer entlang hangeln.
KM1: Mit kurzen Hosen und Singlet am Start, wundere ich mich mal wieder, wie viele Läufer, auch im Sub-40-Bereich, bei 7 Grad in lang/lang starten. Da schwitze ich schon beim bloßen Hinsehen.
Pünktlich zum Start beginnt es, zum Ärgernis vieler und zu meiner Freude, leicht zu nieseln.
Ideales PB-Wetter, Form stimmt, Strecke ist schnell, Rennen auch - Ausreden gibt es schon mal keine.
Die ersten knapp 200 Meter bewusst etwas zu schnell (3:35/km), um eine mögliche gute Gruppe nicht zu verpassen.
Lasse die Pace dann langsam einpendeln und befinde mich damit in einem größeren Pulk.
Pace: 3:41(GPS mit Schild identisch)
RPE: leicht
KM2: Der Pulk zieht sich auseinander, ich befinde mich zunächst im hinteren Teil und laufe an dritter Stelle, aber als die Pace über 3:45 sinkt, gehe ich nach vorne, mache Tempo und schließe zum ersten Teil der Gruppe auf.
Pace: 3:42 (GPS/Schild 3:44?)
RPE:leicht - mittel
KM3: Ein Großteil der erreichten Gruppe ist mit 3:3x/km unterwegs - da gehe ich nicht mit, das wäre Harakiri. So ziehen mir die meisten weg, ich wechsel mich mit einer jungen Läuferin bei der Führungsarbeit in der nächsten Gruppe ab.
Pace: 3:43 (GPS/Schild - 3:44?)
RPE: mittel (Diese Distanz bin ich in dieser Pace auch im Training gelaufen, heute gefühlt nicht so hart, aber sicher auch nicht mehr leicht)
KM4: Es konnten wohl wieder einige Läufer aufschließen und ab und zu geht noch ein anderer Läufer nach vorne, aber immer wenn die KM-Pace unter 3:45 sinkt, gehe ich wieder nach vorne.
Pace:3:45(GPS/Schild - 3:46?)
RPE:"angenehm hart", der Zusatz "angenehm" wackelt aber schon gewaltig
KM5: An zweiter Stelle hinter der Läuferin geht die Pace kurzzeitig auf 3:48 hoch und es wird hart. Wäre doch auch in Ordnung - Schnitt auf den ersten 5 Kilometern wäre damit immer noch unter 3:45. Nach GPS! Nach den Schildern eher nicht. Also wieder vor und Tempo forcieren. Fällt sehr schwer und die 5-Kilometermarke wird damit psychologisch zur Ziellinie...gar nicht gut für die zweite Hälfte, aber erstmal in der geplanten Zeit erreichen. Es geht auch nur ein Läufer mit und die Distanz im Rücken wird größer, nach vorne ist die Lücke aber zu groß zum Schließen.
Die Zeitmatte befindet sich nach der engen 180°-Wende, die einige Sekunden kostet und die 5 Kilometer nach GPS waren schon knapp 50 Meter vorher in 18:33 voll. Schön wär's. Die Matte überquere ich mit 18:44 aber genau im Plan und das Zwischenziel ist damit zumindest erreicht.
Pace:3:43(GPS/Matte - 3:48?)
RPE: hart
KM6: In der Wende stand ich quasi fast und es fällt schwer, die geplante Geschwindigkeit wieder zu erreichen, weshalb der Läufer in meinem Rücken auch direkt vorbeigeht.
Sein "die Hälfte ist schon geschafft!", hat bei mir nicht die intendierte Wirkung, ganz im Gegenteil.
Es gelingt mir nicht mich an die Fersen zu heften und stattdessen werde ich auch noch von 3-4 weiteren Läufern und der einen Läuferin überholt und kann auch da nicht mitgehen.
Die 6 Kilometer nach GPS sind jetzt doch ein ganzes Stück vom Schild entfernt und ich drücke endlich mal am Schild ab - 13 Sekunden Diskrepanz! Der mentale Rucksack wird schwerer.
Pace:3:52(GPS/Schild - 3:55?)
RPE: zu hart im Verhältnis zum Tempo
KM7: Direkt nach dem Kilometer 6 Schild, habe ich die Sub-38 so ziemlich abgehakt. Wenn ich jetzt einfach konstant Kilometer für Kilometer mit einer Pace unter 4:00/km abspule, dann wird das eine gute 38er Zeit. Dann entscheide ich mich doch für die kleine Waldlaufserie und laufe im März eine Sub-38, ist doch eine sehr gute Entwicklung...während ich mir auf den ersten hundert Metern des siebten Kilometers mein Aufgeben schönrede, werde ich von einem weiteren Läufer überholt und hefte mich jetzt doch an seine Fersen. Der ist flott unterwegs und so nehme ich mir vor zumindest diesen Kilometer wieder in 3:45 zu laufen.
Immer wieder entsteht fast eine Lücke und ich muss richtig beißen. Nach 700-800m des Kilometers wird "bis zum Schild! bis zum Schild!" zum Mantra. Ist mir natürlich wieder bewusst, dass es nach dem Schild dann schwierig wird, aber vielleicht fällt mir da was anderes ein, erstmal hinkommen.
Pace:3:43(GPS - Schild:3:44?)
RPE: Deutlich zu hart, um dieses Tempo noch 3 Kilometer durchzuhalten
KM8: Schon direkt beim Kilometer 7 Schild, schreit der innere Schweinehund:"Bis hierher und nicht weiter in dem Tempo!". Ich versuche trotzdem noch an dem Läufer vor mir dran zu bleiben, aber der wird immer schneller, die Sau, und so muss ich reißen lassen. Das Pace geht danach schnell wieder über 3:50/km.
Von hinten werde ich von einer ziemlich kleinen, nicht mehr ganz jungen Läuferin überholt. Da muss ich doch dranbleiben können! Das gelingt nur für wenige Meter, dann eilt sie mir mit ihrer enorm hohen Schrittfrequenz davon und meine Pace wird noch langsamer. Wie ein Nähmaschine, schaut gut aus... denke ich, als sie in der Ferne verschwindet. Nach kurzem Hoffnungsschimmer ist Sub-38 wieder abgehakt.
Pace: 3:56(GPS/Schild - 3:56?)
RPE:hart, aber das Tempo sollte ich bis zum Ziel halten können
KM9: Laut GPS-Pace wäre ich immer noch auf Kurs für Sub-38, aber die stimmt ja nicht wirklich. Beim 8-KM-Schild verpasse ich den Blick auf die genaue Zeit und knapp 200 Meter später kann ich nix damit anfangen, einfachste Hochrechnungen funktionieren nicht mehr.
Auf jeden Fall müsste ich schneller werden, das gelingt aber kaum. Vor mir alle zu weit weg, von hinten kommt niemand mehr.
Pace:3:54 (GPS/Schild:3:54?)
RPE: hart, aber auf dem letzten Kilometer sollte ich noch zulegen können.
KM10: Dieses Mal schaue ich beim 9KM-Schild auf die Uhr: 34:15. Das heißt mit dem letzten Kilometer in 3:44 schaffe ich doch noch Sub-38! Das setzt neue Kräfte frei. Ich werde geradezu euphorisch, das schaffe ich locker!
Ich beschleunige auf den ersten hundert Metern des letzten Kilometers ordentlich (3:35/km) und merke dann, dass ich das Tempo nicht halten kann. Ohje, das werden 900 sehr lange Meter.
Ich werde überholt und das "los jetzt, bleib' dran!"hätte es gar nicht gebraucht, um mich an die Fersen des Läufers zu heften, aber tat trotzdem gut.
"Nicht nachlassen, Guido!" - Achso, die Motivation galt gar nicht mir, egal, Guidos Pacemaker macht gute Arbeit. "Nur noch 800 Meter!" - Ohje, das ist jetzt weniger motivierend. 800m sind noch sooo lang. Aber ich beiße mich fest. Guido direkt hinter mir. Pace liegt bei knapp über 3:40, das passt, einfach dranbleiben.
"Noch 400 Meter, das packst du, Guido! Eine Stadionrunde!" Guidos Pacemakers Worte sind für mich das Signal, die letzten Reserven abzurufen. Ich gehe an ihm vorbei und nehme die letzten 400 Meter als langen Steigerungslauf an. Noch 200 Meter und ich pfeife auf dem vorletzten Loch und denke schon, ich muss nochmal rausnehmen, als ich die kleine Nähmaschine nicht weit vor mir wahrnehme. Die überhole ich jetzt noch. Kaum vorbei, sehe ich die junge Läuferin, die mich auf Kilometer 6 überholte. Unter lautem Gekeuche, quäle ich mich noch an ihr vorbei und dann sind es keine 50 Meter mehr ins Ziel - da nehme ich natürlich auch nicht mehr raus und rette mich ins Ziel.
Dort auf der Seeseite an den Rand, Uhr abgedrückt, aber erstmal auf den Knien abstützend warten, ob sich das Frühstück seinen Weg zurück bahnt.
Übelkeit ist dann aber recht schnell vorbei und auch die Luft ist bald darauf wieder da.
Blick auf die leicht verzögert abgedrückte Uhr - 37:45! Yeah! Siegerfaust!
Pace: 3:25 (letzten 400 Meter mit 3:05/km)
RPE: Maximale Anstrengung
37:41 – 3:46/km – 174bpm (91,5%mHF) – Kadenz:183 - Schrittlänge:146
Platzierungen:
Gesamt: 67/431, M:64/306, AK-M40:7/26
Split: 18:44(3:45/km) - 18:57(3:47/km)
Ein sehr schöner Saisonabschluss, bei dem sich für mich ein Kreis schließt. Ziemlich genau vor einem Jahr bin ich bei diesem Rennen bei meinem ersten Sub-40-Versuch mit 40:35 (19:50-20:45) gescheitert.
Dass ich ein Jahr später fast 3 Minuten schneller sein würde, hätte ich da kaum für möglich gehalten.
Insofern bin ich mit meiner Entwicklung genau wie mit der Zielzeit dieses Rennens sehr zufrieden.
Es gibt aber auch etwas zu bemängeln: 91,5%mHF ist eigentlich für einen 10er zu wenig. Mit dieser Intensität bin ich schon bei meinem ersten 10KM-WK gelaufen und es gibt da in 2 Jahren keinerlei Entwicklung. Die mentale Widerstandsfähigkeit ist unverändert. #Weichei.
Mit 7 von 10 Kilometern bin ich komplett zufrieden, Kilometer 6, 8 und 9 hätten so nicht sein dürfen. Es scheint da bei mir eine mentale Barriere zu geben, an der es zu arbeiten gilt.
Ohne am Trainingsweltmeisterrad drehen zu wollen, sind vielleicht außerdem auch bei QTE-Intervallen mal 95%mHF anzusprechen.
Ich bin jedenfalls mal gespannt, wann bzw. ob es mir mal gelingt, ein 10-KM-WK konstant am Limit zu laufen.
Klingt jetzt ein bisschen negativ, aber dient nur der kritischen Analyse.
Insgesamt ein geiles Rennen mit einem tollen Ergebnis.