
Ich lese erstaunt, dass andere Kilometerabschnitte beschreiben können. Was sie alles gefühlt und gesehen haben. Bei mir purzeln tausende bruchstückhafte Einzelteile im Kopf herum. Und obwohl ich in dieser Stadt lebe und dank meines Freundes die Strecke seit Monaten als Riesenplan (und Motivationshilfe) in der Wohnung hängen habe...ich kann es mir nicht wirklich vorstellen, sie noch vor drei Tagen gelaufen zu sein. Dabei sollte man meinen, dass man bei dem "Tempo" noch mehr mitbekommen würde. Irgendwie habe ich das auch. Aber trotzdem erstaunen mich all diese tollen Berichte. Weil ich keinen dieser Art schreiben könnte. Ich kann also nur bruchstückhaft schildern, wie es mir so ergangen ist:

Der Traum vom Marathon besteht schon länger. Anfang des Jahres dann die Anmeldung. Das Training verläuft fast plangerecht. Keine Verletzungen, keine Erkältungen, keine ernsthaften Beschwerden. In den letzten Tagen dann die schleichende Erkenntnis: Wenn jetzt nichts mehr passiert, läufst du am Sonntag einen Marathon. In der Nacht davor habe ich seltsamer Weise sehr gut geschlafen. Und war meiner Ansicht nach am Morgen nicht nervöser, als vor meinen anderen Wettkämpfen....

Ab jetzt folgen Bruchstücke der Eindrücke: Die übervolle S-Bahn mit all den Kleiderbeutelträger...das Gespräch in der Kloschlange mit auch einer Erstläuferin...das Warten im Startblock...der Start (auf das Lied Que sera)...und immer wieder dachte ich: Jetzt muss es doch kommen, der Stolz, die Ergriffenheit, das Gefühl "Ich laufe einen Marathon". Aber schon da bleibt alles unwirklich!

Insgesamt an ca sieben Stellen treffe ich meine Freund, der mit dem Fahrrad getreu einen Punkt nach dem anderen ansteuert. Er wollte auch mit laufen, was aber leider verletzungsbedingt nicht ging. Die Treffen mit ihm strukturieren den Lauf für mich im Nachhinein etwas. Die Kilometer gehen schneller rum, als in irgendeinem Lauf in meinem Leben vorher (obwohl ich schon schneller gelaufen bin

Dazwischen die Zuschauer...ich stelle fest, dass ich ein "Leute-Sucher" bin. Ich gucke mir immer einzelne Personen am Rand an und nehme diese sehr bewusst wahr: Der ältere Mann im Rollstuhl in Bayenthal, die auch schon nicht mehr ganz junge Frau, die begeistert an der Bonner Straße jeden einzelnen mit Namen anfeuert, das kleine Mädchen, was am Barbarrossaplatz mitzählte, wie viele Hände es schon abgeklatscht hatte...die Gruppe Jugendlicher, die in Sülz die Welle machte.....ich könnte endlos weiter machen....
Genauso schwirren Teilstücke an Musikerinnerungen in meinem Kopf herum: Vor dem Start: "Man müsste noch mal 20 sein"...Sambatrommeln besonders in Sülz, auf der Dürener Straße und auf den Ringen. In Niehl "Du bis Kölle" (das einzige Mal, dass ich merkte, ich muss mit den Tränen kämpfen)...Leider hatte ich das Pech, dass ich sowohl an der DuMont Meile als auch am Rudolfplatz gerade entlang lief, als die Moderatoren quatschten....immer wieder kölsche Tön und aufputschende Lieder....
Erstaunt stelle ich die letzten 10 Kilometer fest: Ich laufe, ich überhole, ich habe keine Krämpfe, ich muss nicht gehen....meine Beine sind zwar angespannt, aber ich kämpfe nicht und denke nicht im Traum ans Aufhören. Und trotzdem: In den Trainingsmonaten hatte ich ihn mir anders vorgestellt...den Moment, in dem man feststellt: Ich werde es schaffen. In dem Bericht von Notis heißt es so schön: "Leck mich am Arsch, ich laufe Marathon". Ich habe auch versucht, das zu denken. Aber es war so unwirklich. Die Deutzer Brücke hoch...ich hatte Angst davor, dass am Ende diese "Steigung" kommt. Ich nehme sie nun nicht wahr. Kann sogar meinen Freund (der mich seit ein paa hundert Metern wieder etwas begleitet) noch los hetzen: Lauf vor,ich will ein Zielfoto (was es nicht gab, weil ich zu schnell im Ziel war). Ich laufe auf das Ziel zu und warte die ganze Zeit auf das Gefühl: Du finisht hier gerade deinen ersten Marathon. Ich laufe zwar lachend und stolz über die Ziellinie, aber es bleibt irreal. Ich dachte, man bricht in Tränen aus oder so. Oder man platzt vor Lachen raus...was auch immer. Im Ziel etwas Rumgirre...Ein Blick auf die Uhr: 4:58! Also unter fünf Stunden und das alles ohne Quälen! Das gefällt mir gut. Danach merke ich, dass das Denken etwas wirr wird und ich leicht planlos rum irre: Folie? Folie ist gut...mir ist etwas kalt. Hier alleine stehen? Doof...also zurück an den Zaun? Wo ist Uwe? Weiteres Irren am Zaun. Höre ich meinen Namen? Ja! Es war mein Name. Als wir uns über den Zaun in den Arm nehmen wird es ein bisschen realer. Aber nicht viel! Ich schlendere durch die Versorgungstellen....esse und trinke recht wahllos vor mich hin. Verirre mich fast auf dem Weg zur Messe.

Selbst die Tage jetzt, wo man so vielen erzählt, wie es war. Es ist und bleibt alles sehr unfassbar. Nun die Frage: Wird das beim nächsten Marathon anders?

Sorry für den langen und wirren Bericht. Aber ich wollte es mal los werden!