Ich bin bisher bewerbsmäßig fast ausschließlich Straßenrennen gelaufen, mit möglichst flachen Profilen - allerdings ist mir aus meinen Trainingsläufen das Gebirge vertraut, und daher traute ich mir, als Einstiegs-Experiment in die Ultrastrecken, die Harzquerung schon zu (auf die ich nach Lektüre mehrerer Laufberichte aufmerksam geworden bin). Man fährt zwar von Innsbruck aus mehr als 700km nach Werningerode, aber da wir das wie üblich gleich mit einem Kurzurlaub verbinden konnten, kein Problem.
Organisation:
Anmeldung und Nummernabholung verliefen ohne Problem und sehr unbürokratisch, eine sehr familiäre Veranstaltung ohne großes Rundherum. Die Verpflegung an der Strecke war völlig ausreichend, wenn auch nicht luxuriös - bei dem geringen Nenngeld aber durchaus im Rahmen! Der Zielbereich war etwas sehr kleinräumig organisiert; angesichts des saukalten und feuchten Wetters hätte man wohl noch einen windgeschützen, geheizten Bereich für die Finisher schaffen sollen, vor allem zumal offenbar irgendwann das warme Wasser in den Duschen erschöpft war.
Strecke:
Anscheinend nicht ganz ohne, weil ich in vielen Anstiegen Leute beim Gehen beobachtet habe; von Tirol her ist man Anstiege ja gewöhnt. Dennoch: Bis auf den ersten, langen, steilen Steig von Wernigerode aufs Plateau hinauf sind alle anderen Streckenteile für jemanden mit ein bisschen Gelände- und Hügelerfahrung gut meisterbar. Durch den vorangegangenen Regen waren viele Streckenteile entweder tief oder rutschig oder beides; damit muss man natürlich rechnen . ich bin aber auch mit profillosen Straßenschuhen ohne Sturz durchgekommen.
Mein Lauf:
Wir waren bereits Donnerstag angereist, hatten Freitag eine etwas länger als geplante Radtour unternommen; so konnte ich erst um halb neun am Abend meine Nummer in der Sporthalle abholen. Ab ins Quartier und früh zu Bett!
Samstag, 06:35 - Aufstehn, Frühstück, Ankleide - wie bei jedem Bewerb eigentlich, aber alles etwas lockerer, weil es heute nicht um Zeiten oder so geht, ich nehme die Harzquerung wie einen extra-langen Trainingslauf in Angriff, also komplett entspannt. Es war ja lange fraglich, ob ich überhaupt teilnehmen konnte; auch jetzt noch bin ich mir unsicher ob die Achillessehne durchhalten wird - egal, meine beiden Begleiter fahren ja mit dem Auto "nebenher" und können mich notfalls wo aufsammeln. Ich rufe den Thomas an und wir tauschen Details über unsere Bekleidung aus, damit wir nicht etwa im selben Abendkleid am Start erscheinen. An den Füßen: Meine NB 902, gekauft 2008, noch nie in einem Rennen getragen - frisch gewaschen für den Anlass, nach mehr als 2500 Kilometern sollen sie mir hier das letzte mal zu Diensten sein!
08:05 - Aufbruch zum Startgelände, mit Schirm und meinem Kollegen Gunnar fürs Fotographieren und Schirmheimtragen. Ich treffe auch bald den Thomas und kurz danach die Steffi vom marathonforum.com, man plaudert ein wenig bevor vorne der Startschuss kracht.
08:30 - Sehr gemütlich beginnt das Rennen. Auf den ersten Kilometern bleibe ich beim Thomas und wir unterhalten uns noch ein bisschen; an ein Laufen im eigentlichen Sinn ist im steilen, schlammigen Hohlweg ohnehin nicht zu denken. Ich überlege schon ob es schlau war, mit den "Slicks" ins Rennen zu gehen - aber die 902er sind auf langen Distanzen einfach saubequem.
08:45 - Nach ca. 2km wird das Gelände flacher und die Wege etwas breiter; den Thomas habe ich ein wenig zurückgelassen und jetzt fange ich
tatsächlich an zu laufen - Die ersten 250 Höhenmeter waren gutes Aufwärmen. An der Zillierbach-Talsperre entlang südwärts, und ab jetzt ähnelt der Kurs sehr stark meinen langen Läufen auf der Innsbrucker Nordkette.
09:41 - Ich erreiche die erste Verpflegungsstation, bei km 11,5. An sich bräuchte ich noch nichts - Nahrung ohnehin kaum, und Flüssigkeit verliert man bei dem kühlen, feuchten Wetter auch kaum (es hat ca. 2°C). Dennoch gönne ich mir ein Schmalzbrot und ein wenig Tee, um den Wohlfühllauf-Charakter des Laufs zu unterstreichen!
Die Strecke ist abwechslungsreich und hübsch geführt; ohne Probleme geht's zur 2. Verpflege - trotz Schlamm habe ich es bisher geschafft, dass zumindest in den 902ern kein Wasser steht, aber damit hat es auch ein Ende, als die Route hinter der Verpflege über einen von Forstarbeiten zerwühlten Landstreifen führt. Ein paar km dahinter, in Trautenstein, warten Gunnar und meine Elisabeth das erste mal mit "Eigenverpflegung" - hauptsächlich heißer Tee aus der Thermoskanne, das tut gut!
Nun geht's wellig hinauf nach Sophienhof, wieder mit einer offiziellen Verpflege bei km31, nahe dem Ziegenhof - ich gönne mir einen "Nutellakeks", geniale Erfindung. Süße Ziegenkitze beobachten und kommentieren uns am Anfang des Abstiegs ins Tal. Bis km 36 geht's jetzt in einem Rutsch (durchaus wörtlich zu nehmen) hinunter nach Netzkater.
Am Bahnhof in Netzkater warten wieder Gunnar&Elisabeth mit Tee; ich checke noch einmal die Sehne, aber die hat sogar den langen Abstieg gut überstanden, und von der Ausdauer bin ich ohnehin noch super beinander - auf geht's auf den Poppenberg!
Vor dieser letzten Bergwertung hatten einige Kollegen schon gehörig Respekt; sie erweist sich aber als eher harmlos - langgezogen, aber mit sanfter Steigung. Dennoch gehen fast alle Kollegen, ich bin der einzige der hier läuft - da merkt man wohl den Tiroler heraus! Ich überhole sicher an die 15 Läufer auf dem Weg zum Gipfel.
12:15 - der Gipfel des Poppenbergs, und gleichzeitig die km39-Verpflege, sind erreicht. Leider hat man hier null Aussicht, der Bereich ist dicht bewaldet - wofür wurde der überhaupt in die Strecke eingebaut?! Egal, kurze Pause und dann an den Abstieg! Beim Ablaufen komme ich das erste mal an einen Kollegen, der ziemlich genau mein Tempo läuft - wohl Torsten Heß, aus der Gegend von Suhl. Er läuft die HQ als Vorbereitung auf den längeren Rennsteiglauf, mit ihm bleibe ich bis ins Ziel zusammen - zu mehrt läuft es sich einfach besser!
Das Bergabstück geht schon einigermaßen an die Gelenke und Oberschenkel, aber dafür erholt sich der Puls sehr gut; in Neustadt steht die vorletzte Verpflege, und hier machen wir auch die letzte Pause. Gunnar&Elisabeth warten hier ebenfalls, machen ein paar Fotos und fahren dann ins Ziel voraus.
Das letzte Stück, von Neustadt über Rüdigsdorf hinein nach Nordhausen, zieht sich gewaltig - die Streckenplaner haben wirklich jeden Hügel "mitgenommen", den sie gefunden haben, und der rutschige und tiefe Boden ist nirgends so schlimm gewesen wie auf diesen letzten Kilometern. Teilweise rutscht man schon im Flachen bei jedem Schritt ein paar cm weg. An der letzten Verpflegung (4km vor dem Ziel) rauschen wir vorbei und auf den letzten 100m gelingt uns sogar ein gewaltiger Zielsprint (ich nehme nicht an, dass das jemandem außer uns aufgefallen ist) bevor wir die unspektakuläre Ziellinie überqueren. Meine Zielzeit: 4:50:48. Im Ziel gibt es dann noch ein bisschen Verwirrung weil die Schreiber nicht ganz mit dem Tempo mitkommen, aber dann: Tee, Brote, eine warme Dusche - und ein nasses, schmutziges Grab für meine treuen 902er im nächsten Müllbeutel.
Fazit:
Eine wirklich schöne Strecke und familiäre Veranstaltung, die ich gerne weiterempfehle, und aus persönlicher Sicht ein sehr gelungenes Debut auf den Ultra-Strecken, wenn auch sehr "defensiv" begonnen bis zumindest km 20. Ich bin total glücklich, dass die Sehne durchgehalten hat! - An dieser Stelle daher auch noch ein dickes Dankeschön an die Doktoren Fink und Hoser von der sportsclinic Innsbruck, die mir mit Stoßwellen und guten Tips die Sehne soweit hingebracht haben, dass ich keine Probleme hatte, sowie an meinen Kardiologen Dr. Schauer, der mir meine Bedenken wegen meiner Extrasystolie ausgeredet hat, so dass ich überhaupt den Mut hatte mich anzumelden!
Meine Fotostrecke zur HQ2013 findet Ihr hier!
Harzquerung 2013: "Der letzte Lauf der 902", oder einfach: Mein erster Ultra
1"Only that day dawns to which we are awake." - H.D.Thoreau
Meine Wettkämpfe in der km-Spiel Tabelle
Meine Lauf-Fotoalben (mit vielen Tiroler Laufstrecken)
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