(Ich hatte ihn schon mal gepostet, aber im falschen Unterforum).
Die Wettervorhersage für den Tag war sehr unsicher. Am Vorabend regnete es zwischendurch ziemlich kräftig, und auch am morgen früh nochmals leicht. Aber es hörte rechtzeitig auf und wir hatten optimales Laufwetter: sonnig mit leichter Bewölkung.
Ich war mit einem Kollegen angereist, mit dem ich für diesen Lauf trainiert hatte, und der ebenfalls den Halbmarathon laufen wird.
Ich hatte am Vortag extra viel getrunken, was wohl eher zuviel war, da ich in der Nacht mehrere Male auf die Toilette musste. Nach dem Frühstück habe ich extra noch eine 5 dl Flasche abgefüllt, die ich dann in der Hektik zusammen mit dem Gepäck fürs Ziel abgebe. Bis zum Start habe ich natürlich schon wieder Durst.

Damit wir die Marathon- und Ultraläufer nicht behindern, die zwei Stunden vor uns in St. Niklaus gestartet sind, gesellen wir Halbmarathonis uns in drei Gruppen "fliegend" dazu. Unsere Gruppe bildet dann doch einen rechten Pulk, und dichtgedrängt laufen wir an dichten Zuschauerreihen vorbei durch die schön geschmückte Bahnhofstrasse von Zermatt. Die Strecke verläuft aus dem Ort hinaus, über ein Hügelchen und wieder zurück. Ich laufe im Wohlfühltempo mit - wohl wissend, dass die weitere Strecke ziemlich hart werden wird. Meinen Kollegen verliere ich langsam aber sicher aus den Augen - er ist auf flachen Strecken einfach wesentlich schneller als ich.
Kurz bevor wir den Ort zum zweiten Mal verlassen kommt der erste Verpflegungsposten, und ich kann endlich einen Schluck trinken. Tut das gut!

Jetzt geht es von Zermatt hoch bis Sunnegga. Über rund 6 km machen wir 600 Höhenmeter. Ich walke diesen Abschnitt mit kräftigen Schritten. Mit meiner Pace von 8m40s kann ich mehr als nur mithalten. Die Strecke kenne ich seit meinem Besuch vor zwei Wochen. Die geteerte Strasse steigt stetig an, nach einiger Zeit kommt eine scharfe Rechtskurve, dann taucht sie in den Wald ein und wird von einer Naturstrasse aus rotem Waldboden abgelöst. Es kommt der Verpflegungsposten bei der Station Patrullarve. Wo ich wieder Wasser trinke. Nach einer zweiten scharfen Rechtskurve haben wir den ersten Aufstieg beinahe geschafft: Die Naturstrasse wird zur Kiesstrasse und wir verlassen den Wald. Jetzt geht es noch einen Kilometer bergauf, und dann eineinhalb Kilometer geradeaus bis zur Sunnegga.
Der Aufstieg hat mich dann doch sehr viel Substanz gekostet. Beim Verpflegungsposten bei der Sunnegga greife ich deshalb zu Isogetränk und Banane.
Der Abschnitt von Sunnegga bis Riffelalp ist der schönste der Strecke. Hier geht es am malerischen Leisee entlang, über eine Gletschermoräne hinab und dann entlang ihrer Flanke bergauf in ein wunderschönes Tal hinein bis zum Grindjesee. Ich klatsche mit meinem Kollegen die Hand ab. Ich bin hier schneller als er unterwegs, und ziehe vorbei.
Der Weg macht eine Kurve und es geht bergab! (jibbie) am Grünsee vorbei und weiter bergab!! (nochmals jibbie) in einen Trailweg über Stock und Stein und durch ein schönes Wäldchen hindurch. Tja, obwohl es abwärts geht, kann ich nur noch langsam Joggen und muss lange Abschnitte Walken.
Vor Riffelalp überquere ich die Zahnradbahnlinie, und laufe auf einem malerischen Weglein zum gleichnamigen Hotel. Hier machen die Lozärner Guggenmusig "Noteheuer" und das Publikum mächtig Stimmung während ich mache mich auf den Verpflegungsposten stürze: Isodrink, Banane und Wasser zum runterspülen. Kurz durchatmen, denn direkt nach dem Hotel kommt ein extrem steiles Stück. ...
... Puh! ...
... Ächz! ...
... Das war doch vor zwei Wochen nie so steil hier???
Ich komme hier nur mit knapper Not hoch: Tief nach vorne gebeugt walkend, beiden Hände auf den Knien abgestützt.
Dann wird es wieder etwas flacher und noch ein bisschen flacher - so schön! Der Streckenfotograf motiviert mich zu einem gequälten Lächeln und ein paar kurzen Laufschritten. (Echt gut die Stimmung von Helfern, Fotografen und Publikum hier!!!).
Hier hat es nochmals einen Verpflegungsposten mit Wasser. Echt toll, richtig Luxus denke ich. Aber dann wird mir gleich klar wieso: der Verpflegungsposten steht kurz vor der gefürchteten "Rampe"!

Die "Rampe" verläuft parallel der Zahnradbahnlinie in einer Kurve steil die Bergflanke hoch. ...
Die "Rampe" ist das einzige was hier noch (ver)läuft. ...
Von den Läufern tut dies keiner mehr. ...
Alle arbeiten sich mehr oder weniger tief gebeugt Schritt für Schritt hoch. Ich wieder mit beiden Händen auf den Knien. ...
A.n.s.t.r.e.n.g.e.n.d ist das hier. ...
Irgendwann ist die "Rampe" dann doch vorbei. Aber es kommt noch ein "extra fieses" Stück vor dem Hotel Riffelberg. ...
... Bin da auf dem Zahnfleisch hochgekrochen oder so. ...

... und dann bin ich oben - O.B.E.N


Damit uns nicht langweilig wird, verläuft der Weg jetzt noch weiter am Hotel vorbei über einen sehr schönen mit Tausenden Schweizer Fähnlein abgesteckten Trail. Es geht noch ein bisschen weiter und noch ein gaaanz kleines bisschen aufwärts (nehme ich gar nicht mehr richtig ernst), bis zum Abzweiger für die Ultraläufer. Für die geht es hier nochmals 3 km weiter und über 500 Meter höher hinauf. Die Helfer weisen mich zum Glück auf die richtige Strecke, und ich taumle abwärts dem Ziel entgegen.
Und es ist geschafft! ...

Ich fasse nach allem was mir gereicht wird: eine Plastiktasche mit Goodies, Wasser, Banane, Cola, Finisher-Shirt, Medaille, ... nur her damit, muss ich alles haben.
Ich habe eine wesentlich kürzere Zeit benötigt als ich erwartet hatte. Jibbie.

Mein Kollege trifft wenig später nach mir ein. Auch er war schneller als erwartet!

Nach dem Duschen geniessen wir im Bergrestaurant noch gemütlich Kuchen und Kaffee. Beide mit einem sehr breiten, zufriedenen Grinsen im Gesicht.

