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Allgemeine Gesetze und Vorschriften bei Volks- und Straßenläufen(?)

Allgemeine Gesetze und Vorschriften bei Volks- und Straßenläufen(?)

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Zugegeben, die Frage kommt mir ein wenig kurios vor. Trotzdem stelle ich sie mal: Inwiefern gelten eigentlich allgemeine Gesetze und Verordnungen bei Volks- und Straßenläufen?

Damit meine ich jetzt nicht, ob es verboten ist, vorauslaufende Läufer mit Waffengewalt zum Stehenbleiben zu zwingen, um sich eine bessere Plazierung zu sichern. Und es geht mir auch weniger ums spontane Pinkeln am Streckenrand (es gibt ja Kommunen, die per Verordnung öffentliches Urinieren als Ordnungswidrigkeit ahnden).

Die Frage kam mir beim Betrachten des Streckenvideos vom letzten Frankfurt-Marathon. Auf der Mainzer Landstraße kommen dem Begleitfahrzeug, aus dem heraus während des Laufs die Strecke gefoílmt wird, hinter km 33 (im Film bei 5:10 und 5:13) direkt hintereinander zwei Straßenbahnen entgegen. Absperrungen zwischen Strecke und Gleisen gibt es nicht. Was für juristische Folgen hätte hier wohl ein Unfall?

Oder ein realistischer Fall, den viele schon erlebt haben: Nehmen wir an, ich will einen anderen Läufer überholen oder überrunden. Gerade als ich vorbeiziehen will, schert er seinerseits aus, so daß ich keine Chance mehr zum Ausweichen habe und ihn über den Haufen renne. Ich kann weiterlaufen. Darf ich das auch, oder muß ich mir erst ein Bild der Lage verschaffen und ggf. erste Hilfe leisten, um mich nicht der Unfallflucht und unterlassener Hilfeleistung schuldig zu machen? Oder fällt dergleichen eher unter "dumm gelaufen" und "jeder ist sich selbst der Nächste"?

Man kann sich bestimmt noch etliche ähnliche Situationen ausdenken bzw. hat sie längst erlebt oder von ihnen gehört. Sind Volks- und Straßenläufe bis zu einem gewissen Grad rechtsfreie Räume, oder gibt es für bestimmte Fälle klare Verhaltensregeln bzw. gelten die allgemeinen Gesetze und Vorschriften?
Дуа кинум йах иди, ту пуц ца бофт тар ту-хез йатов̌!

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Sind in keinem Fall rechtsfreie Räume. Allerdings dürfte es juristisch schon so sein, dass das anders bewertet wird, weil Läufer ja, speziell nach vielen anstrengenden Kilometern, oft nicht mehr so zurechnungsfähig sind (Tunnelblick etc.). Aber an sich muss man auch bei solchen Läufen vorausschauend laufen und darf nicht blind drauflos starten. Bei vielen Läufen steht auch z.B. explizit dabei, dass die Straßenverkehrsordnung gilt - wiederum trifft natürlich die Veranstalter eine besondere Sorgfaltspflicht, weil ein müder Läufer nicht mehr so schnell reagieren kann wie ein "normaler" Fußgänger. Aber ganz aus der Verantwortung wirst du auch als Läufer nie kommen.
"Only that day dawns to which we are awake." - H.D.Thoreau
Meine Wettkämpfe in der km-Spiel Tabelle
Meine Lauf-Fotoalben (mit vielen Tiroler Laufstrecken)

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Vorab, ich bin kein Jurist. Ich bin ausgebildeter Versicherungskaufmann und habe einige Zeit in der Schadenregulierung gearbeitet.
Wie Georg schon sagte: Nein, kein rechtsfreier Raum.
Nur sieht es beim Sport schonmal anders aus als im "normalen" Leben.
Im Fußball muss zum Beispiel schon wirklich brutale Härte und (bedingter) Vorsatz dabei sein, dass ein gefoulter Spieler vom foulenden Spieler Schadenersatzansprüche gelten machen könnte. So lange du also niemanden absichtlich umrempelst wird man dich kaum belangen können.
Was anderes ist da der strafrechtliche Aspekt, den du angeschnitten hast mit der Hilfeleistungspflicht.
§ 323c StGB sagt
Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
Die Frage ist: Ist es denn erforderlich, dass gerade DU selbst Hilfe leistest wenn an der Stelle des Sturzes genügend Zuschauer stehen?

Fernab der Frage, ob du nun helfen musst oder nicht: wenn ich bewusst mitbekomme das jemand zu Fall kommt und ich auch sicher bin, dass es mein Verschulden ist dann nehme ich mir wenigstens kurz Zeit nach der anderen Person zu schauen. Das geht ja nicht automatisch mit Aufgabe des Rennens einher.

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Ist im Prinzip ganz einfach - es ist genau so als wenn kein Lauf stattfinden würde. Ob da jetzt was von StvO steht oder nicht ist ohne Belang - die gilt immer. Und Absperrungen gelten nur dann wenn eine entsprechende Genehmigung für jede einzelne Sperrung vorliegt (nicht Pauschal). Dann gibts aber auch einen detaillierten Plan an welcher Stelle zu welcher Zeit welches Verkehrsschild zu benutzen ist. Alle andere Sperrmassnahmen sind vielleicht hilfreich aber ohne rechtliche Bindung. Jegliche anders geartete Sperrung darf nur von Personen mit Polizeigewalt vorgenommen werden - da zählen auch THW und Feuerwehr nicht dazu.

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Darüber kann man ein Buch schreiben, welches mehrere Kapitel hat, die alle beginnen mit "grundsätzlich" und einen Anhang haben mit "aber".
Zum Laufunfall: Wer im Sport einen anderen verletzt begeht dem objektiven Tatbestand nach eine Körperverletzung. Diese bleibt straffrei, wenn der Verletzte eingewilligt hat (klingt auf Anhieb bescheuert, ist aber so, wie beim Arzt, der dich operiert, das ist auch eine KV mit Einwilligung). Bei Teilnahme an einem Sportwettbewerb geht man davon aus, dass jeder Teilnehmer in Körperverletzungen einwilligt, die bei kunstgerechter Ausübung des Sports, also bei Einhaltung der Regeln, entstehen können. Normales (fahrlässiges) Foulspiel, gehört dazu. erst wenn jemand vorsätzlich, nicht mehr in Rahmen des Wettbewerbs, sondern unter Verfolgung eines anderen Ziels, quasi "zweckentfremdet" foult, ist der Rahemn der Einwilligung verlassen und es liegt eine KV vor, die geahndet werden kann. Für die zivilrechtliche Haftung gilt Ähnliches; die Einwilligung schließt eine Haftung aus, weil die KV dann nicht rechtswidrig ist.
Zur unterlassenen Hilfeleistung: Hier gilt Ähnliches. Wer im Rahmen des "üblichen" zB bei einem Lauf fällt, ohne sich erkennbar außerordentlich schwer zu verletzen, wird von der Sanitruppe abgeräumt; Du wirst tatbestandlich eine unterlassene Hilfeleistung begehen, wenn du weiterläuft, welche aber wohl nicht schuldhaft sein dürfte, daher in der Regel Straffreiheit. Wenn Du allerdings erkennst, dass ein außergewöhnlicher Fall vorliegt, der Dein sofortiges Einschreiten erfordert, musst Du das machen (mir fehlt für ein konkretes Beispiel die Fantasie).
Zur Straßenbahn: Die StVO gilt im öffentlichen Verkehrsraum und bei Teilnahme am Straßenverkehr. Wenn eine Straße für eine Sonderveranstaltung abgesperrt wird, findet sog. "Sondernutzung" und kein "Gemeingebrauch" statt. Im abgesperrten Teil gilt sozusagen für diesen Zeitraum "Hausrecht" des Veranstalters. Wenn aber keine Absperrung da ist, ist die Straße normal zu benutzen, d.h. es gilt der Vorrang des Schienenverkehrs, wobei der Strabafahrer sich seine Vorfahrt nicht erzwingen darf.

Was immer gilt sind der gesunde Menschenverstand und die Regeln des Anstandes. Wenn eine Straßenbahn rechtswidrig meinen Laufweg kreuzen sollte, bleibe ich lieber stehen (gesunder Menschenverstand); wenn einer vor mir stürzt+liegenbleibt, frage ich jedenfalls, ob er Hilfe braucht (Anstand, wenn jmd in meiner "Schnelligkeits"Klasse läuft, da sind nämlich die "verschwendeten" Sekunden albern und ich lande statt auf Platz 61 meiner Altersklasse eben auf Platz 67, na und?).

Die Angaben oben sind jetzt etwas "platt" formuliert und enthalten Unschärfen und können lediglich eine grobe Richtschnur sein, für denjenigen, der sich diese Fragen stellt; hätte ich meine normale, präzise Ausdrucksform gewählt, wäre sie wie immer "kurz, prägnant und unverständlich".

So jetzt wende ich mich wieder der Realität zu.....

Viele Grüße M.
Holzlandlauf 11.9.2010 gesund und glücklich nach 22 km in 1:57:00
Teutolauf 16.10.2010, 29 km 600 hm locker+happy 2:52:02
Halle HM 2.9.2012 1:47:02 netto
Braunschweig 28.10.2012 Marathon Debut locker Ziel erreicht

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Na, ich sehe schon, ich sollte vielleicht besser auf Bundesliegafußball umsatteln. Da ist immer genug vom Steuerzahler bestallte Polizei da, der Verkehr ist eineindeutig abgesperrt und geregelt, und wenn ich einen Gegner zuschanden trete, wird man mir höchstwahrscheinlich weder einen Vorsatz nachweisen können, noch wird irgendjemand von mir erwarten, ihn zu verarzten.

Die Straßenbahnen hatten mich schon ein wenig in Erstaunen versetzt. Ganz vorn an der dünnen Spitze mag es noch relativ leicht sein, den Überblick zu behalten und solchen Gefährten auszuweichen. Aber was ist weiter hinten, wo die riesigen Massen unterwegs sind? Nun ja, man ist gewarnt und wird sehen...

Eine Kollision mit einem anderen Läufer hatte ich zum Glück noch nie und könnte mir trotz möglicher Bestzeitambitionen auch kaum vorstellen, so jemanden dann einfach liegen zu lassen. Obwohl mir das u.U. schon ziemlich gegen den Strich ginge. Ich erinnere mich noch gut daran, wie gewaltig es mir gestunken hat, einen Motorradfahrer, dessen Ideallinie über die Gegenspur führte und der mir dort gerade noch ausweichen konnte, hinterher auch noch eigenhändig von der Leitplanke kratzen zu müssen. Aber keine Angst, so doof ist keiner, daß ich ihn einfach verrecken lasse.
Die Frage ist: Ist es denn erforderlich, dass gerade DU selbst Hilfe leistest wenn an der Stelle des Sturzes genügend Zuschauer stehen?
Der schlimmste Horror, den ich mir vorstellen kann ist, in der Öffentlichkeit plötzlich die Hilfe anderer zu benötigen. Die meisten werden sich nicht zuständig fühlen, und die paar übrigen werden mir fachkundig über den Jordan helfen. Sowas mag ich niemandem zumuten. Also gehe ich bis zum Erweis des Gegenteils lieber mal davon aus, daß meine Hilfe vonnöten ist.
hätte ich meine normale, präzise Ausdrucksform gewählt, wäre sie wie immer "kurz, prägnant und unverständlich".
Damit hätte ich durchaus leben können. Wenn Dir also noch etwas einfällt, nur zu!
So jetzt wende ich mich wieder der Realität zu.....
Die Realität ist, daß es bei Wettkämpfen immer wieder mal zu Un- oder Notfällen kommt oder daß einfach nur Gesetze und Verordnungen mißchtet werden (z.B. HM durch ein Naturschutzgebiet; die leeren Plastikbecher an der Verpflegungsstation werden vom Wind ins Moor geweht, das nur mit Sondergenehmigung betreten werden darf). Laufen ist also kein Sport, bei dem realitätsgemäß immer alles mit rechten Dingen zugeht. Deshalb ja auch dieser Thread zu den Pflichten, die man selbst bei alldem hat.
Дуа кинум йах иди, ту пуц ца бофт тар ту-хез йатов̌!
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