Hallo Ingo,
was für Brote möchtest du denn backen? Du läufst jetzt drei Wochen und hast dein Tempo auf 5,7 km von anfänglich sehr langsamen 8 min/km auf 6 min/km gesteigert. Was bitte schön erwartest du von deinem Körper bei dieser Temposteigerung? Soll er Danke Meister! schreien und mehr Folter fordern? Selbstverständlich bist du nach den Läufen müde. Wie denn auch nicht. Dass du einst ein guter Läufer warst, geistert noch als schwaches Echo durch dein Nervensystem, deine Muskeln und als starke Erinnerung durch deinen Kopf. Und es ist exakt dieses Echo, das überhaupt zulässt, dass du so forsch das Tempo steigern konntest. Wer einst gut ausdauertrainiert war, kommt rascher wieder auf Touren als völlige Neueinsteiger. So viel zunächst, um deine Maßstäbe zurechtzurücken.
Das nächste Wort ist eine Warnung: Du bist ein sehr ungeduldiger Mensch. Einer der nicht begreift, dass er von seinem Körper nicht nur fordern kann, sondern ihm auch Zeit lassen muss. Zeit, um sich an den urplötzlich begonnenen Dauerlaufstress anzupassen. Es gibt unzählige Sehnen, Knochen, Bänder und Gelenke, die sehr viel Zeit - Monate! - brauchen, um die für das Laufen notwendige Festigkeit zu erreichen. Deine einstige Sportlichkeit gestattet es dir vermutlich in relativ kurzer Zeit eine gute Ausdauer aufzubauen. Wie das gehen könnte, dazu komme ich noch. Du solltest es trotzdem mit dieser maximal möglichen Rate nicht tun! Muskeln und andere für die Ausdauerleistung maßgebliche Organe passen sich relativ schnell, in wenigen Wochen an, wenn man sie mit Training nur methodisch richtig reizt. Die oben aufgezählten Bestandteile deines Laufapparates erreichen jedoch nicht im selben Tempo die nötige Robustheit. Die brauchen länger. Zu schnelle Steigerung kann daher in frühe Beschwerden münden. Also bremse dich. Zügele deine Ungeduld.
Ungeduld ist umso unverständlicher, je mehr Zeit einem Läufer bleibt, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Und für dein - lass mich das jetzt einfach mal mit deiner Vorgeschichte so sagen - sehr bescheidenes Sub60min-Ziel bleiben noch ganze 10 Monate.
Das Risiko, von dem ich spreche, ist in deinem Fall übrigens noch deutlich höher, weil du ein nettes Päckchen zusätzlich umgeschnallt hast. Ich spreche von den vielleicht 8 oder mehr Kilo Übergewicht, die du mit dir rumschleppst. Sie begrenzen weniger die Ausdauerleistungsfähigkeit, als die Härte, die man seinem Körper im Training zumuten darf. Vergegenwärtige dir die gewaltigen Drücke/Kräfte/Gewichte die beim Laufen auf bestimmten Körperteilen lasten. Zum Beispiel im Knie oder in der Achillessehne. Die freuen sich nicht, wenn sie jede Woche um eine Potenz mehr geknechtet werden.
Warum in Gottes Namen also diese Hektik? Warum diese Ungeduld, die letztlich dein orthopädisches Risiko steigert?
Nun zu deinem Training: Du hast über drei Wochen dein Tempo gesteigert und die Distanz beibehalten. Kann man machen, wenngleich der Laufeinstieg üblicherweise den umgekehrten Weg geht: Erst die Laufdauer steigern und später das Tempo erhöhen. Nun hast du es so angefangen und gut ist. Nur solltest du erkennen, dass nicht beides möglich ist. Keiner kann zugleich weiter laufen lernen und dabei auch noch deutlich schneller. Natürlich bist du platt nach deinen 5,7 km. Sieh es doch mal so: Wenn du mit konstant 7 min laufen würdest, derzeit, dann würdest du auch deutlich weiter als besagte 5,7 km laufen können - derzeit schon. Und ja: Da lese ich doch gerade in einer deiner Ergänzungen, dass du einen anderen Kurs mit über 7 km gewählt hast und den tatsächlich in 7:xx min/km absolvieren konntest. Und das nach bescheidenen 3 Wochen Lauftraining (na ja, jetzt vielleicht schon 4 Wochen). Dafür bäckst du schon ziemlich große Brote, wo andere noch die ganz kleinen Brötchen ins Rohr schieben. Oder nicht?
Wie nun trainieren? Ich lese weiter unten, dass du bereits 50 min am Stück laufen kannst. Das und die Tatsache, dass du 5 km etwa in 30, 31 min laufen kannst, genügt eigentlich schon, um nach einem Trainingsplan 10 km in 60 min zu trainiern. Der dauert dann etwa 3 Monate. Dennoch solltest du genau das nicht tun, weil solche Trainingspläne recht fordernd ausgelegt sind und von Woche zu Woche die Belastung steigern. Ich weiß das, weil ich
selbst welche für unserer Laufseite geschrieben habe. Nach nur 3/4 Laufwochen seit dem Einstieg ist es einfach zu früh für dergleichen. Das könnte gutgehen, muss aber nicht. Und da du genügend Zeit hast - die Gebetsmühle dreht sich - gibt es auch gar keinen Grund zur Eile.
Stattdessen solltest du aufhören jedes Mal auf deiner Hausstrecke schneller werden zu wollen. Du könntest dreimal pro Woche trainieren, davon einmal auf deiner Hausstrecke mit deinem bisher höchsten Tempo. Die beiden anderen Läufe verlegst du auf andere Strecken, weil das mental einfach interessanter und kurzweiliger ist. Dort läufst du weiter und langsamer (!). Von den Distanzen her vielleicht so:
H = Hausstrecke und dein höchstes Tempo
Woche 1: H, 40, 40 (alles in min und langsameres Tempo als bei H)
Woche 2: H, 40, 45
Woche 3: H, 45, 45
Woche 4: wie Woche 1
Woche 5: H, 45, 50
Woche 6: H, 50, 50
Woche 7: H, 50, 55
Woche 8: wie Woche 5
Woche 9: H, 55, 55
Woche 10: H, 55, 60
Woche 11: H, 60, 60
Woche 12: wie Woche 9
Woche 13: Start eines 10 km Trainingsplans
Nach diesen ungefähr 3 Monaten dürfte dein Bewegungsapparat den Grad an Anpassung/Robustheit/Abhärtung erreicht haben, der dir den risikolosen Einstieg in einen 10 km-Trainingsplan erlaubt. Dafür fändest du auf unserer Laufseite dann einen, der 65 min zum Ziel hat, wenn dir das zu lasch ist eben gleich jenen für 60 min. Doch wozu? Danach ist erst ein halbes Jahr um und zu deinem Lauf fehlen weitere 4 Monate ...
Nun noch zu deinen Liegestützen: Falls du tatsächlich gelesen haben solltest, dass man sie im Zusammenhang mit Lauftraining machen soll, dann ist das blanker Unfug. Wenn möglich, verlegt man andere sportliche Übungen an lauffreie Tage. Liegestützen fordern zwar keine Ausdauerleistung, sie ziehen dennoch Energie ab, die dir später beim Laufen nicht mehr zur Verfügung steht. Es kann sein, dass du gelesen hast: Wenn man gezwungen ist Krafttraining und Ausdauertrainining am gleichen Tag, womöglich noch nacheinander zu absolvieren, dann ist erst Kraft, danach Ausdauer die richtige Reihenfolge. Ohne terminliche Zwänge legt man Krafttraining sinnvoller Weise auf einen lauffreien Tag.
Ich wünsche dir Einsicht, Trainingserfolg, Beschwerdefreiheit und vor allem schöne Läufe.
Gruß Udo