So und hier noch der versprochene Bericht mit Analyse zum Blumensaatlauf.
Punkt 60 min. vor dem Start traf ich am wunderschön gelegenen Baldeneysee in Essen-Kupferdreh ein. Das Wetter exakt dasselbe, 5-6 Grad, die Luft sehr feucht. Im bekannten Gedränge am Eingang zur Turnhalle mit der Startnummernausgabe traf ich auf Klummi. Wir unterhielten uns eine Weile, bevor wir beide noch unsere Aufwärmrunden drehten.
Dem Blumensaatlauf merkt man an, daß es eher so eine Leichtathletikveranstaltung alter Schule ist, d.h. kein großes Event-Tamtam und keine Verkaufsmesse, kein Weizenbierausschank im Ziel

, dafür alles noch etwas familiär und kompakt angelegt, Chipzeitmessung mit Splits und Nettozeiten und sehr zügiger Ergebnisaushang. Hier weiß man, worauf die Sportler Wert legen. Schade, daß man offenbar bei einer nicht ganz so großen Veranstaltung keine Genehmigung zur Streckensperrung während des Wettkampfs bekommt.
Auf die Anregung von D-Bus trug ich diesmal nur ein dünnes Langarmshirt (in grellem Orange). Punkt 12:30 Uhr ging es auf die unglaublich schnelle Wendepunktstrecke am Hardenbergufer, dem südlichen Seeufer. Auch wenn Du es vielleicht nicht glaubst, Det_isse, aber die Blumensaatlauf-Strecke ist definitiv schneller als die des Grand 10.

Je schneller ich werde, desto mehr bekomme ich auch auf solchen bislang eigentlich unkritischen Strecken Probleme mit langsamen Joggern, die vor mir starten und sich dann zu einer kooperativen Streckensperrung nebeneinander formieren. Da mußte ich mich dann auch so um km 1 auch mal durch kleinere Lücken hindurchzwängen. Noch einmal: Wer gemütlich mitjoggen will, nichts dagegen, aber bitte, bitte, bitte hinten aufstellen.
Erst zwischen km 1 und 2 löste sich das Gedränge langsam auf und ich konnte allmählich mein Tempo finden. Ein Tempo um 4:40 und knapp darüber erschien mir zunähst passend, um nicht wieder Kopf und Kragen zu riskieren. Nach dem Durchlauf bei Haus Scheppen nahe km 3 kam ich dann endlich ins Rollen. Und in den unzähligen langgezogenen Bögen nahm ich dann mehr und mehr Fahrt auf. Die HF stand wie eine eins, blieb bisweilen hunderte von Metern auf den Schlag gleich. Bei km 5 dann der Wendepunkt, 23:21 waren nur ein wenig schneller als in Berlin oder Dresden, aber jetzt kam meine Spezialität schlechthin, auf dem Rückweg in einem schon auseinandergezogenen Feld die Splits gleichmäßig wie ein Uhrwerk zu laufen. Und auch diesmal gelang das, sogar bei Tendenz zu eher zunehmendem Tempo. Nachdem ich Klummi kurz nach dem Wendepunkt begegnete (das sah bei ihr noch sehr gut aus), lief ich die langgezogenen Bögen wie an der Schnur gezogen. Nur einmal tauchte plötzlich ein spazierengendes Rentnerehepaar vor mir auf, mein Nebenmann blieb auch, wo er war und da mußte ich mich fast wie ein Aal durch die kleine Lücke hindurchwinden, um meine Fahrt nicht zu verlieren. Mein Nebenmann entschuldigte sich sogleich, weil er nicht daran gedachte hatte, mir Platz zum Ausweichen zu machen. Kein Problem, kann passieren! Ich war schon eher im Zweifel, ob ich das Tempo wirklich bis zum Schluß würde halten können und in meiner Unsicherheit und ein wenig Angst, daß wieder ein Einbruch mir alles verhageln würde, ließ ich ab und zu einen kleinen Tick nach, um das sich abzeichnende gute Ergebnis sicher einfahren zu können. Ich ging bewußt nicht auf PB. Nichts wäre schlimmer gewesen als jetzt noch eine überzogene zweite Hälfte. Doch diesmal klappte es! Ich zog das Tempo noch etwas an, mein Vereinskamerad, der schon im Ziel war, feuerte mich auf der Zielgerade an und ich kam rein in für mich großartigen 46:15. Ein Gefühl von Frieden und tiefer Freude überkam mich in meiner völligen Erschöpfung. Kein Ärger über die nur um gerade mal 16 sek. verpaßte PB. Ich stand noch an der Ziellinie und sah gut vier Minuten später Klummi einlaufen, aber auch sie mußte sich erst einmal erholen.
Übrigens: Bei einer dermaßen geradeaus angelegten Wendepunktstrecke ist es immer etwas schwierig für Zuschauer. Die Strecke, besonders diese hier ist größtenteils oft schwer von außen zugänglich und die Zuschauer, die gekommen sind, halten sich dann meist im Start- und Zielbereich auf.
Am Wagen beim Umziehen traf ich meinen Vereinskameraden, wir unterhielten uns darüber, daß man so eine körperliche und mentale Energieleistung nicht jedes Wochenende bringen kann. Und er sagte einen Satz, über den ich dann noch etwas nachdenken mußte: "Eine Spitzenleistung, die man jede Woche bringen kann, ist keine Spitzenleistung." Er bestätigte mir, daß es ganz normal sei, daß einem nach einer solchen Spitzenleistung wie einer PB erstmal die Form wegbricht und man langsam wieder aufbauen muß. Das sei bei ihm auch so.
Meine Splits noch: 4:38 4:41 4:44 4:41 4:39 4:35 4:38 4:37 4:37 4:25 = 46:15 - 5K (23:21 + 22:54)
@D-Bus: Das "Gleichnis" und den Zusammenhang, den Du da herstellst, finde ich trotzdem nicht ganz fair. Ich setze mir meine mittelfristigen Ziele eher konservativ und ich versuche z.B. auch nicht, mich ausschließlich am Wochenende auf einen Rennsteigmarathon vorzubereiten. Ich denke, ein wenig mehr Hand und Fuß hat mein Training schon. Jeder hat zudem seinen eigenen Tick. Der eine sammelt Marathons, der andere 10K-WK und der dritte versucht eben die Quadratur des Kreises in der Trainingsplanung.

Jedem das seine.
@Det_isse: Sorry, dann habe ich dich vielleicht etwas mißverstanden. Aber als Krise habe ich es schon empfunden und die ist auch noch nicht aus der Welt. Das war jetzt ein Befreiungsschlag für mich, aber mehr auch nicht. Ja, da ist noch etwas, daß ich zwar angedeutet habe, meine berufliche Situation, über die ich auch nicht in die Einzelheiten gehen möchte, da wir uns immerhin hier in der Öffentlichkeit befinden. Aber die Dimension dieses Konflikts mit meiner Lauferei ist schon eine andere als eine vorübergehende Streßsituation, die jeder schon mal erlebt hat. Ich beobachte da schon in den letzten Wochen und Monaten eine fortschreitende Zuspitzung. Vielleicht ein Bild zur Verdeutlichung: Wenn bei einer Waage in einen Teller immer mehr und noch schwerere Gewichte reingeworfen werden, muß man auch in den anderen immer mehr reinwerfen, um überhaupt irgendwie wieder in die Nähe des Gleichgewichts zu kommen. Irgendwann wird es dann mal die Waage zerreißen.
Schönen Sonntagabend noch!