hier ein kleiner Erfahrungsbericht vom „Great Scottish Run“ in Glasgow. Aufmerksam bin ich durch diesen Lauf bei unserer Urlaubsplanung geworden. So entstand schnell die Idee den Urlaub mit einem schönen Lauf zu beginnen.
Mmh, „Great Scottish Run“… War da nicht mal irgendwas bzgl. der Strecke? Richtig! Der Lauf hat ein wenig „Berühmtheit“ erlangt, da sich letztes Jahr im Nachhinein herausstellt, dass die Streckenführung leicht zu kurz war: Blöd gelaufen und ärgerlich für alle, die eine neue PB erreicht haben. Diese waren dann natürlich nicht bestenlistenfähig.
Die Veranstaltung ist einiges größer als gedacht: Insgesamt starten dort ca. 30.000 Leute: Verteilt über einen „Junior Course“ und „Family Mile“ am Vortag, sowie die eigentlichen Hauptveranstaltungen 10 km und HM (letzterer mit ca. 15.000 Läufern) am Sonntag. Ich war für HM gemeldet und zeitlich passte es auch super, um mein Jahreshighlight dort nun mit Hoffnung auf eine neue PB zu laufen.
Apropros Anmeldung: Hier merkt man schon ein wenig, dass „international“ nicht der Hauptfokus der Veranstaltung ist. Bei der Anmeldung kann man ein Häkchen setzten, falls man für einen Verein läuft. Es erscheint dann nicht etwa ein Textfeld, wo man den Verein eingeben kann, sondern eine Liste aller Vereine in UK: Bitte auswählen… Also nix Verein. Außerdem fällt z.B. auf, dass die Preisgelder für die Gesamtplatzierungen 1-3 deutlich geringer sind, als die für die schnellsten nationalen Athleten. Aber sehr löblich, dass alle Angaben dazu auf der Webseite stehen. Bisher selten gesehen. Gut, für mich ist das eh irrelevant, denn ein Blick in die Ergebnislisten verrät, dass hier wirklich schnelle Teilnehmer dabei sind. Außerdem gehen Preisgelder ohnehin nur an das gemeldete Elite-Feld. Um da überhaupt rein zu kommen hätte ich einen HM sub 83, 10km sub 38 oder M unter 2.48.00 nachweisen müssen. Da dann wohl doch das normale Startgeld von 34 Pfund für den HM bezahlen.
Zwei Wochen vor Abfahrt gab es dann noch ein wenig Verwirrung: Per email wurde angekündigt, dass man die Startunterlagen usw. nun per Post zugesendet bekommt. Ein paar Tage vor Abfahrt dann die Meldung, dass man als „international entry“ die Unterlagen abholen muss. Ok, auch kein Problem – wäre nur gut vorher zu wissen, da ich mir dann den „kommt das noch rechtzeitig an?“-Stress erspart hätte. Die Angaben der Zielzeit (als Zuordnung zu einer der drei Startwellen) wurde übrigens nicht überprüft und kein Nachweis gefordert. „Naja, wird dann bei Abholung schon passen“ dachte ich mir.
Die (Tapering) Woche vor dem HM lief irgendwie nicht so richtig gut und gestaltet sich folgendermaßen:
So: WK (10 km)
abends: 60 min Crosstrainer
Mo: 15 Minuten Schwimmen + 45 min Aqua Fitness
Di: 10,8 km @4:53
Mi: Trainingsausfall wegen „keine Zeit“ und auch noch Erkältungsanzeichen. Na hoffentlich geht das gut. Eigentlich war hier 3x1600@4:00/2 min TP geplant
Do: 8,6km @4:48
Fr: Reisetag. Nachts in dem Bett auf der Fähre irgendwie komisch gelegen und durch einen fiesen Wadenkrampf aufgewacht. Autsch… . Super, der war am nächsten Tag noch deutlich zu merken – und Erkältungsanzeichen auch noch da. Start unklar.
Sa: 6 km @4:49: Naja, geht – also starten und notfalls halt locker oder DNF. Startunterlagen abholen klappt auch super und die Startwelle passt auch.
Wetterprognose zur Startzeit: 8 Grad, Dauerregen, Wind. Gut, in Schottland erwartet man nun auch nicht gerade einen Hitzelauf, aber – oha…
Am Sonntag bin ich gute 45 Minuten vor Start da und sehe die längste Toilettenschlange meines Lebens. Ok, das wird nie rechtzeitig was, also schnell zum nächsten Subway-Laden.
Der Startbereich wird nun geöffnet und das Wetter ist bisher sogar überraschend trocken. Also in kurz/kurz zur Startaufstellung. Und: Es fängt an zu schütten – und zwar so richtig! Klar hat es vorher nicht geregnet: Das musste sich natürlich alles schön ansammeln, um uns beim Warten auf den Start eine richtig ordentliche, kalte Dusche zu verpassen und uns so auf den Lauf einzustimmen.
Damit sind einige Dinge klar:
- Anna-nass
- Motivation ist gefragt – und zwar eine Extraportion.
- eventuell gemachte Bilder werden richtig unansehnlich.
Völlig durchweicht stehe ich also nun in der Startaufstellung. Jemand bietet mir vom Rand einen Regenschirm an und hält diesen über mich. Sehr freundlich, aber nun auch völlig egal. Aber ich habe nun einen netten Gesprächspartner. Immer schön in Bewegung bleiben, um nicht auszukühlen und noch mal kurz gedanklich die Strecke durchgehen: Es war sehr schwierig Angaben zu den Höhenmetern zu finden. Die gefundenen Angaben reichten zwischen 60 und ca. 240 ansteigenden Höhenmetern. Also alles zwischen „total flach“ und „ordentlich“ - und dementsprechend langsam. Leider gibt es beim Veranstalter auch kein offizielles Höhenprofil auf der Webseite. Klar war jedenfalls: Ganz am Anfang eine Steigung, dann ein bisschen was und noch mal in der Mitte zwei Anstiege. Gegen Ende nichts größeres mehr. Ich hatte also beschlossen den ersten Hügel als Referenz zu nehmen, um abzuschätzen was mich da noch in etwa erwarten würde. Erwähnt wird in Berichten öfter so was wie „not very hilly and relatively flat and fast“. Na dann…
Startschuss: Nach ca. 15 Sekunden bin ich an der Startlinie und starte die Uhr. Ok, let´s do this!
Vom George Square geht es quer durch die Innenstadt nach Westen. Am Straßenrand stehen tatsächlich viele Zuschauer und jubeln ihren Freunden zu. Auch meine „Support Crew“ erblicke ich nach kurzer Zeit. Sehr schön – die Stimmung ist trotz des fiesen Wetters gerade prima. Doch was ist das da? Auf der Strecke taucht nach kurzer Zeit in der Entfernung eine Steigung auf, die eher die Bezeichnung „Rampe“ verdient hätte. Damit ist eigentlich klar: neue Bestzeit ade, denn ich kann mir nun vorstellen, was da noch alles kommt…
Naja, trotzdem raushauen was irgendwie geht. Ist schließlich das Jahreshighlight und ich bin gerade in Bestform… Trotzdem bekommt die Motivation einen kleinen Knick.
An dem Hügel angekommen peitschen die Zuschauer die Läufer zünftig den Hügel mit ihren Zurufen hinauf. Km 1 in 4:04. Pace zwar gut getroffen, aber durch die Höhenmeter trotzdem wohl zu schnell. Untermalt von schottischen Highland Pipes am Straßenrand geht es nun steil bergab. Also keinen Druck machen, aber laufen lassen. Ich trete dabei auf einen dieser dreieckigen Gullideckel aus Metall und rutsche dabei etwas weg. Ok, diese Dinger also unbedingt vermeiden – die sind wirklich rutschig…
Unten angekommen folgt auch gleich der Anstieg über den Autobahnzubringer auf die (nicht gerade niedrige) Autobahn. Ok, nicht über die Höhenmeter nachdenken und versuchen die richtige Intensität zu finden. Schon aus der Entfernung ist der nächste Dudelsack-Spieler zu hören. Die stehen an jeder Meile und signalisieren den Läufern wieder eine Meile gepackt zu haben. Mitten auf der Kingston Bridge steht der bei dem Wetter da und wird wohl noch die nächsten Stunden so weiter machen. Kurze Zeit bin ich sogar richtig froh nicht nur herumstehen zu müssen, wie der arme Kerl. Kilometer 2 in 3:50. Ok, ging viel bergab aber auch hoch. Nach Uhr braucht man hier eh nicht laufen. Weiter nach Gefühl. Irgendwie hat der Lauf bisher etwas von einem rustikalen Pub - jedenfalls wenn man das Wetter mal kurz ausblendet.
Weiter geht es durch die Stadt durch Industriegebiete und Wohnviertel. Immer etwas bergauf und bergab und mit Gruppen von Zuschauern. Km 5 bei ziemlich genau 20:00 – vermutlich zu optimistisch. Bei km 8 kommen wir am Pollok Park an und der hat – wie könnte es anders sein - neben der Landschaft vor allem auch eines: Höhenmeter. Bei km 10 (~40:30) merke ich die Auswirkungen der Steigungen nun auch schon recht ordentlich in den Beinen. Mehr als ich das zu diesem Zeitpunkt merken sollte. Irgendwie überkommt mich hier auch gerade ein richtiges Motivationstief: Wetter, schwierigere Strecke als gedacht, irgendwie ist mir auch gerade leicht schlecht – es kommt der Gedanke auf das Rennen einfach abzubrechen und einfach locker zu Ende zu laufen. So weit bin ich dann aber doch nicht. Passenderweise fängt es gleich an wieder richtig zu schütten.
Weiter durch ein Wohngebiet und den strömenden Regen mit einer langen aber recht flachen Steigung zum Bellahouston Park. Ich bin langsam wirklich froh, wenn man in der Entfernung schon die nächsten Highland Pipes hört. Irgendwie klingen 13,1 Meilen viel kürzer als 21,1 km, aber gleichzeitig zieht sich das auch. „5 Meilen noch“ klingt nach weniger als es dann ist. Ein knackiger Anstieg in dem Park gibt mir nun auch den nächsten Dämpfer: Es wird nun schwer eine halbwegs brauchbaren Laufstiel zu behalten. Vor mir eine Läuferin mit einem sehr interessanten Laufstil: Es sieht fast aus als würde sie Ski fahren und förmlich über die Strecke gleiten. Sehr wenig Knie- oder Fersenhub. Und offensichtlich sehr effizient: Ich kann nicht mehr folgen und muss sie ziehen lassen. Die nächsten Gruppen sind ein Stück vor oder hinter mir. Also nun alleine weiter. Es geht zurück Richtung Innenstadt – knapp 5 km noch.
Der sonst zum Ende hin aufkommende „jetzt noch alles raushauen, was geht“ Kampfgeist stellt sich nicht mehr ein. Ich will eigentlich nur noch endlich da sein. Kreislauf, Atmung usw. sind ok, aber die Muskeln einfach müde und schlapp und der Kopf will auch nicht mehr. Das Wetter tut sein Übriges. Zum Dranhängen ist auch niemand in Sicht. Ich eiere mit einem Laufstil über die Strecke, der gefühlt nicht mehr nach berauschenden letzten Kilometern aussieht, sondern eher als würde ich das nächste Klo suchen. Sei es drum. 2 km vor Schluss überholen mich zwei sehr entspannt und locker wirkenden Läufer, die sich gerade nebenher darüber unterhalten, dass sie das als lockeren Lauf machen würden, nachdem sie gerade 2.40.00 Marathon gelaufen sind. Danke Jungs – demotiviert mich jetzt noch weiter…
Ein Blick nach vorne: aha, ich habe mich anscheinend nicht ganz demotivieren lassen und bin gleich rüber gezogen, um mich an ihnen festzubeißen. Na gut, einfach noch ein paar Minuten ausharren. Endlich kommt dann die Kurve Richtung Ziel im Glasgow Green Park und - zack - sind die beiden weggedüst Richtung "souveräner Zieleinlauf". Es geht durch den McLennan Arc Torbogen, was sogar richtig Spaß macht und danach erblicke ich auch die „Support Crew“. Endlich kommt das Ziel in Sicht. Der Sprecher erzählt gerade etwas von „fast club runners … anyone under 1:30 … exceptional performance … done very well…“ und endlich da: 1:27:10. „Scheisse – 10 Sek über PB“ ist mein erster Gedanke. Dabei fällt mir auf, dass ich ab km 10 gar nicht mehr geschaut habe, wie es eigentlich zeittechnisch aussieht und keine Ahnung hatte, wie es objektiv um das Rennen steht.
Im Ziel ist es einfach nur kalt, matschig und nass. Schnell die Finisher-Tüte einsammeln, „Support Crew“ finden, ein paar Sachen überwerfen und glücklicherweise finden wir sofort ein Taxi, dass uns durch das durch den Lauf ausgelöste Verkehrschaos zum Hotel bringt.
Was bleibt nun als Erinnerung an einen wirklich harten Lauf?
Es war auf jeden Fall eine Erfahrung. Besonders die Zuschauer und die Highland Pipes haben schon sehr zur Atmosphäre beigetragen. Und die Stadt auf diese Weise zu sehen hat auch seinen Reiz. Würde ich diesen Lauf wieder machen? Eher nicht, denn für das nächste Mal würde ich dann eine andere Stadt (Edinburgh) ausprobieren oder einen der echten Trail Läufe (Cape Wrath). Der Lauf in Glasgow fällt damit so ein wenig in die Zone zwischen schnellen Städteläufen oder eben (Trail-)Läufen mit richtig vielen Höhenmetern, mit der ich wenig verbinden kann. Außer eben die Stadt kennenzulernen. Dafür aber auf jeden Fall geeignet.
Und ansonsten?
- über 200 Höhenmeter halte ich für die realistischere Schätzung. Für eine schöne PB und Jahreshighlight also falsch geplant. „relatively flat and fast“ darf also im Kontext des Landes verstanden werden. Vor allem sind manche Anstiege auch wirklich recht steil.
- Inzwischen kann ich mich auch über die Leistung (vermutlich meine bisher beste) unter den Bedingungen freuen – auch wenn die Zeit alleine das nicht ausdrückt. Über die Platzierung freue ich mich allemal.
- Ich war etwas überrascht nach brutto Zeit gewertet zu werden. Im Nachhinein stellt sich raus, dass jeweils die ersten x Männer und x Frauen Brutto gewertet werden. Etwas komisch, dass man vorher also nicht weiß wie die Wertung dann ist. Verstehe nicht so ganz, warum nicht nur das Elite-Feld (mit Start direkt an der Startlinie) so gewertet wird.
- Am Abend war ich einen Platz hoch gerutscht. Einen Tag später wieder zwei runter. Auf Platz 18 der Frauen der Vorname David. Mmh, was ist da los?
- Darüber geärgert doch die Chance auf eine (knappe) neue PB verschenkt zu haben. Das war einfach reine Kopfsache und hätte ich mehr darauf geachtet wo ich im Rennverlauf gerade stehe, wäre das trotz aller Bedingungen auch noch gegangen. Leider mental ab ca. km 10 nicht mehr richtig dran geblieben. Ärgerlich.
- Eine Woche Porridge zum Frühstück? Kein Problem! Tut sogar richtig gut und ich habe zum Laufen als Grundlage richtig Gefallen daran gefunden.
Im Laufe des Urlaubs habe ich noch ein paar schöne andere Läufe gemacht. Unter anderem z.B. ein geführtes Trail/Hill Running durch sehr anspruchsvolles Gelände: Nur 17,3 km aber mit Pausen ca. 3.30 Stunden unterwegs gewesen. Einfach wunderbar, wie Entfernung und Geschwindigkeit dann in dieser wunderbaren Landschaft an Bedeutung verlieren.
Zwei kleine Bilder davon will ich nicht vorenthalten.
Ich hoffe Euch hat dieser Bericht ein klein wenig gefallen, auch wenn er etwas länger geworden ist als geplant.
LG Anna