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von Laufsogern
Mein erster Marathon……
Seit ich das Laufen begann, träumte ich davon einen Marathon zu laufen. Dies ist nun über 7 Jahre her. Jedes Jahr hat mich irgendein „Ereignis“ zurückgeworfen. Meist waren es irgendwelche Krankheiten. Erst die Achillessehne, dann das Schienbein, dann wieder die Sehne und so weiter.Letztes Jahr stand ich dann das erste Mal am Start eines Marathons. 4 Wochen vor diesem Termin musste ich das Training mehr oder weniger einstellen, da mich erhebliche Schienbeinprobleme plagten. Doch weil ich unbedingt wollte (und ich Steinbock, also MitdemKopfdurchdieWand bin) habe ich es versucht. Doch es war schon nach 4 km klar, dass dieser Versuch in die Hosen gehen sollte. Maximalpuls bei langsamem Tempo kann einen nicht über 42 km tragen. Also bin ich nach 20 km ausgestiegen und musste zu Hause die „Schmach“ über mich ergehen lassen, dass ich allen Freunden und Bekannten (allesamt Nichtläufer) sagen musste, dass es nicht geklappt hatte….Von meiner eigenen tiefen Enttäuschung mal abgesehen. Dann benötigte ich nach dieser Aktion 5 Monate um überhaupt wieder in „normalen“ zeitlichen Regionen laufen zu können. 8 Minuten für einen Kilometer war da das Durchschnittstempo. Ich war bis in das Frühjahr dieses Jahr weit davon entfernt lange Läufe oder gar schnellere kurze Läufe machen zu können. Mit viel Geduld und noch mehr Ehrgeiz habe ich mich wieder dahin gekämpft, wo ich einige Monate vorher schon mal war.Dann habe ich mir im Spätfrühling den Austria MarathonPlan für Marathon sub 4 ausgedruckt.Mein lieber Scholli…die Zeiten, die dort vorgegeben sind um die Intervalle und die schnellen Läufe zu machen, waren schon erheblich. Also habe ich mich bis Mitte Juni darauf vorbereitet, den Plan zu beginnen. Diesen Plan habe ich akribisch eingehalten, habe immer die höheren Vorgaben gewählt und bin auch im Tempo immer schneller gewesen. Diesmal sollte es unbedingt klappen.3 Wochen vor dem Marathontermin bin ich noch einen HM-Testlauf gelaufen und habe eine neue PB abgeliefert. Ich war megastolz und mir auch sicher, dass mein großes Ziel nun ganz nah ist. 3 Tage später war noch ein TDL über 20 km im Plan. Natürlich habe ich auch da den Plan eingehalten….und konnte am nächsten Tag nicht mehr gehen. Mein linkes Schienbein schmerzte dermaßen, dass ich nur mit Eis und hochdosiertem Voltaren über den Tag kam. Natürlich habe ich eine mittlere Panikattacke bekommen. Sollte wieder alles um sonst gewesen sein?? Ich stellte das Training für 3 Tage ein und der Laufgott hatte ein Einsehen. Ich habe das Schienbein wieder in den Griff bekommen und konnte weitertrainieren. „Verloren“ ging mir nur ein weiterer Langer Lauf. Aus Vorsicht habe ich auch noch die anderen Tempoeinheiten als normale Einheiten gemacht.Dann stand ich am Sonntag also am Start. Schon da begann es, dass ich alles um mich herum weg geschoben habe. Ich war auf mich und meinen Körper konzentriert. Musste, während die anderen Starter sich locker unterhielten bzw. sich gegenseitig ermunterten nur daran denken, dass heute vielleicht ein Traum in Erfüllung gehen wird.Der Startschuss fällt und ich beginne zu traben. Die ersten Kilometer geht es etwas zäh, weil unheimlich viele Menschen unterwegs sind. Es ist schwer in sein eigenes Tempo zu kommen, wenn man immer wieder anderen ausweichen muss, oder geschnitten wird von Läufern, die viel schneller sind als man selbst. Das übliche Prozedere beim Start eben. Ich konnte nur daran denken, nun bloß nicht stürzen…Bald wurde aber die Strecke etwas weiter breiter und das Feld löste sich etwas. Ich bin mit meinem Bruder gelaufen, der immer sich immer wieder nach meinem Befinden erkundigte und so lief ich dahin. Die ersten 6 km war ich so froh, weil ich erkannte, dass ich es schaffen kann. Ich werde mein Ziel erreichen.Später fing es zu Regnen an…ich musste bis zu dem Punkt kommen, an dem Jürgen mit der Wasserflasche wartete, damit er mir auch mein Cap geben kann. Puls war ok, Tempo ist voll im Rahmen. Das waren bis dahin meine einzigen Gedanken. Ich hatte keine Augen fürs Publikum oder für die Gegend (die kenne ich aber aus meiner Jugend…ist dann auch nicht mehr so interessant).
Bei km 20 schüttet es wie aus Eimern. Ich bekomme ein Motivationsloch. Die Strecke führt uns fast wieder bis zum Startpunkt. Das macht es mir nicht leichter. Konditionstechnisch war es bis dahin kein Problem. Nur die Strecke, die sich mit Wasser füllte, war sehr unangenehm. Mittlerweile bin ich nass bis auf die Haut. Ich denke aber zu diesem Zeitpunkt nur daran, dass es bei Sonne noch schwerer wäre. Also geht es weiter bis km 30. Immer wieder treffe ich Jürgen, der sich rührend um mich bemüht, kleine Filmchen dreht und mich aufmuntert. Ich merke, dass ich beginne mich in mich zurückzuziehen. Ich unterhalte mich auch nicht mehr mit meinem Bruder. Ich achte nur auf meine Beine. Stimmt die Armhaltung ? Fall nicht so in Hohlkreuz! Gut dass Lea nicht da ist, gäb nur Ärger bei dem Dauerregen. Und immer wieder der Gedanke…ja heute schaffst du es. Ab km 30 bin ich nur noch Geist. Ich überhole Menschen, die nicht mehr können und mich reizt der Gedanke ebenfalls aufzuhören. Einfach irgendwo hinlegen und warten bis die Sonne wieder scheint. Ich muss dringend zur Toilette und finde keinen Platz…dann eben wie Paula Radcliff , nur am Wegesrand…interessiert eh keinen….. Es gehen mir ganz wirre Gedanken durch den Kopf…..Kindheitserinnerungen, Urlaubserlebnisse, die Geburt von Lea (mehrmals…)meine Eltern…Ich habe wirklich das Gefühl, dass mein Körper nur durch meinen Geist funktioniert. Es ist nur durch meinen Willen möglich einen Fuß vor den anderen zu setzten. Meine Geschwindigkeit verlangsamt sich, ich habe aber nicht die Bekanntschaft des Hammermanns gemacht…doch ständig begleitet mich die Angst davor. Ich bekomme immer wieder „Weinanfälle“, vor Rührung, weil ich merke, dass ich es schaffen werde.Der Weg wird immer schlechter. Ein Feldweg, der durch den starken Regen aufgeschwemmt ist und mit riesigen Pfützen gefüllt. Jetzt nur nicht stürzen..das wäre das Ende. Immer wieder diese Angst und gleichzeitig die eigene Ermahnung positiv zu denken. Reiß dich zusammen!!Die letzten 2 Kilometer gehen wieder durch die Stadt. Auf den letzten 600 m ist eine riesige Menschenmenge, die mir zujubelt. Ich kann’s gar nicht fassen…komme ich ins Ziel?? Ja!! Ich habs gleich. Wieder überkommen mich die Tränen. Da muss ich doch tatsächlich an SchweizerTrinchen denken, die bestimmt nach den Fotos im Netz schaut….willst du etwa heulend ins Ziel kommen….?????Da ist die Ziellinie…irgendjemand hängt mir eine Medaille um…ich kann nur noch heulen…möchte mich hinlegen, aber da ist kein Platz….wo ist Jürgen???Irgendjemand ruft nach mir….meine liebe Freundin, die extra angereist ist, um mich zu unterstützen…ich falle ihr heulend in die Arme…tatsächlich…Ich habs geschafft.So lange habe ich trainiert und nun ist es vorbei. Ich kann gar nicht mehr gehen, meine Beine schmerzen. Wo ist mein Bruder…ich habe ihn unterwegs „verloren“. Er kam ein paar Sekunden hinter mir ins Ziel…Irgendwann sehe ich dann auch Jürgen. Meinen lieben Mann, der mich die ganze Zeit unterstützt hat. Wieder muss ich heulen…
Es wird wohl noch einige Tage dauern, bis ich alles verdaut habe. Zumindest so lange, bis ich wieder normal gehen kann. Für mich war es ein Grenzgang. Die Gefühle während des Laufes werde ich wohl so schnell nicht vergessen. Das Erkennen, dass ich meinen Körper durch meinen Geist „steuern“ kann, war eine wertvolle Erfahrung. Ob die Qualen sich gelohnt haben, kann ich noch nicht abschließend sagen. Jedoch ist mir klar, dass für mich ein Marathon nichts mit einem Halbmarathon gleich hat. Es ging für mich, weit darüber hinaus….
P.S. Liebe Marianne: Ich hoffe, dass ich rein bildertechnisch mit „Häuptling fliehendes Haar“ mit halten kann, und es nicht so viele Bilder von "Laufsogern, die heulende Suse“ geben wird.
Viele Grüße
Lauferstmalnichtmehr