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Trail Uewersauer 2012 - Matsch, Regen und ein paar Berge

Trail Uewersauer 2012 - Matsch, Regen und ein paar Berge

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Dienstag, 6:15 Uhr
Bestandsaufnahme.

Starke Schmerzen :
vordere Oberschenkel, Waden.
Leichte Schmerzen:
vom Spann bis ins Schienbein, hintere OS, Hintern, oberer Rücken.

Na, dann stehe ich mal aus dem Bett auf und schaue, wie ich die Treppen runter in die Küche komme.
Bei jedem schmerzhaften Schritt verzieht sich das Gesicht – zu einem (wenn auch gequälten) Grinsen.


Einige Wochen vorher....

Manchmal hat man einfach den falschen Umgang. Spricht mit den falschen Leuten.
Und ehe man sich versieht, gerät man auf Abwege. Tut Dinge, die man eigentlich nie tun wollte. Wird verführt.
Ziemlich am Beginn meiner noch nicht so langen Laufkarriere, ich weiß es noch genau, habe ich die Bemerkung geäußert, dass ich ,wenn ich mehr als 4 Stunden brauche, einen Wettkampf nicht laufen würde. Naja, zu meiner Verteidigung: Es handelte ich damals um Gespräche über (flache) Marathons. Ich nehme diese Aussage hiermit offiziell zurück. Wie konnte ich so etwas je behaupten? :noidea:

Nun ist es also so weit. Es gibt kein Zurück mehr.
Dabei war es nur ein ganz harmloser Mausklick. Mehr nicht. Wirklich nichts Großes.
Aber auf dem Button stand : ANMELDEN.
Nun muss ich da durch. Ab und zu melden sich doch kleine Zweifel.Theoretisch geht das. Aber.... man weiß ja nie.
Also lieber die „sichere“ Variante.
Hauptziel: Streckenlänge und Profil schaffen. (Und nicht zu sehr trödeln.)


48 Stunden vorher....

Nach einer unruhigen Nacht mit sehr wenig Schlaf (wird doch „nur“ etwas flotter und ein paar (?) km länger als ein Trainingslauf, warum rege ich mich so auf?), Kaffee zum wachwerden und einem kurzen Frühstück mache ich mich auf den Weg.
Es ist stockdunkel und neblig. Das kann ja heiter werden auf der Fahrt. Zum Glück hatte ich mich für die zeitlich längere Strecke entschieden, weil ich dreiviertel davon kenne und nur am Ende noch Verirrungsmöglickeiten bestehen. Und zum Glück hatte ich genug Puffer eingebaut. Wer erwartet denn schon, dass es im November morgens um 6 Uhr stockdunkel und neblig ist? :D

Auf der Fahrt bin ich beschäftigt genug, um die Aufregung zu vergessen. Irgendwann fängt es dann auch an zu dämmern und gegen 8:00 erreiche ich Heiderscheid, eine kleine Gemeinde im Norden Luxemburgs.
Nun folgt das übliche Prozedere: Parkplatz suchen. (Über die Winterreifen und den Frontantrieb war ich bei dem – im Gegensatz zu meinem Parknachbarn – erfolgreichen Versuch, abends das leicht abschüssige Wiesenstück wieder zu verlassen, sehr froh.)
Startunterlagen abholen, überlegen, was ich an Verpflegung mitnehme, umziehen etc.

Dann ist es auch schon bald so weit. Ich sehe ein paar bekannte Gesichter, eigentlich wenige. Dazu ist es zu weit weg und zu speziell.

Kurz vor 9....
Man begibt sich zur Startaufstellung. Ich stelle mich irgendwo kurz vor die Hälfte. So kann ich hoffentlich in einem ruhigen Tempo loslaufen und werde hoffentlich nicht verführt zu rennen. Die Kraft werden wir noch brauchen.
Endlich geht es los. Es fühlt sich entspannt an. Das Tempo könnte stimmen. Zwei Kurven weiter kommen wir an dem Huskygespann vorbei, das beim Start vorgefahren ist. Die Hunde sind sehr aufgeregt, und ziehen plötzlich den gebremsten Wagen wieder vorwärts. Kurze Unruhe – auch unter den Läufern – ein Mann rennt nach vorne und bremst das Ganze schnell wieder.

Es ist nach wie vor neblig. Und schon geht es bergab in den Wald.
Ich laufe einfach vor mich hin, das Tempo scheint gut. Waldwege, dann wieder hoch, an einer Straße entlang. Die Eindrücke vermischen sich im Nachhinein.
Erster Verpflegungspunkt, hier Ravi genannt. Ich versuche Tee. Das Zeug ist schweineheiß und kaum trinkbar. Werde ich nicht noch einmal nehmen. Nächstes Mal dann lieber Wasser oder Cola.
Ich treffe auf einen Läufer, der ein Kärtchen aus der Tasche zieht: Einlaminiertes Höhenprofil. Gute Idee. Dann weiß man wenigstens, wann es wieder runter geht. :)
Er ist wohl Franzose ? Aber mit einem Gespräch auf Französisch bin ich beim Laufen definitiv überfordert. Wir unterhalten uns auf Englisch. Eine Zeit lang laufen wir zusammen. Später treffen wir auch immer wieder aufeinander.
Auch andere Läufer tauchen in regelmäßigen Abständen bei mir auf. Man überholt sich wechselweise.
Einer fällt mir besonders auf. Ende 40, sehr dünn mit einer irgendwie graziösen Art zu laufen. Bergab sehr langsam, da „falle“ ich dann regelmäßig an ihm vorbei, aber bergauf schwebt er dann ganz leichtfüßig an allen vorbei. Den Trick wüsste ich mal gerne...

Zwischendurch fängt es an zu regnen. Erst leicht, dann stärker, dass es schön in die Augen läuft und brennt. Aber nach und nach hört es wieder auf. Und die Wege können teilweise eh nicht mehr viel matschiger werden.
Schon 20 km rum. Bloß nicht darüber nachdenken, dass noch 30 kommen. Erstaunlicher Weise habe ich überhaupt keine Probleme mit dem Kopf. Wenn es anstrengender wird, laufe ich eine Zeit lang langsamer zu erholen, und dann ziehe ich das Tempo leicht an. Noch könnte es was mit unter 5 Stunden werden. Naja, wenn ich das Tempo halten kann. Irgendwer hat auch was vor einem gaaanz fiesen Berg am Ende erzählt. Kann ich eh nichts dran machen. Also versuche ich wie geübt in einem Tempo bzw. einer Belastungsintensität zu laufen, das sich so anfühlt als ob ich so bis zum Ende durchhalten kann.
Ich überhole eine Läuferin, die eine rote Nummer trägt. Aha. Teilnehmerin am Championat, das hier gleichzeitig ausgetragen wird. Eine von den relativ flotten. Also bin ich gar nicht so schlecht in der Zeit. Wenn denn die Einteilung richtig war.
Es geht bergauf. Steil genug, dass man sich ausruhen und gehen darf. Ein Stück, dann wieder laufen. Pfade, Treppen.
Oben auf freier Fläche im Bogen um eine Wiese. Eine Zeitmessmatte, damit niemand abkürzt. Die Frau ist nicht mehr hinter mir. Ausgestiegen?
Ich laufe weiter. Viele Eindrücke, ich weiß leider jetzt beim Erzählen die Reihenfolge nicht mehr.
Um eine Kurve herum eine Bank. Aussichtspunkt. Mit herrlichem Blick über den Stausee weit unten. Da müssen wir hin. Wieder Pfade. Bergab. Lange bergab. Dann ein Verpflegungspunkt an einer Baustelle. Straße.
Und plötzlich ist die Läuferin wieder bei mir. Und vorbei. Mist. Die hat sich das Rennen besser eingeteilt und rennt mir jetzt weg. Ich bin schon ziemlich patt.
Einfach mal hinterher. Wieder Pfade. So schnell ist die gar nicht. Vielleicht komme ich da ja mit. :gruebel: Aber nichts übertreiben. Ich kann mir keine 15 km ein Duell mit ihr liefern.
Ein kurzes steiles Stück. Sie bleibt stehen zum trinken. Ich meine: „Ich bin auch platt.“
Reaktion: „Willst du einen Riegel?“ Ich brauche keinen. Hatte vorhin ein Gel. Aber die Reaktion freut mich ungemein. Das ist kein knallharter Konkurrenzkampf, sondern gemeinsamer Sport.
Wir laufen weiter und wechseln uns mit der Führung ab. Kommt mir insbesondere bergauf vor wie Brummirennen auf der Autobahn. :zwinker4: Dieses „Wahnsinnstempo“, das wir noch an den Tag legen.
Auf einem flachen Stück beschleunige ich mit einem Mann (der lief da zufällig rum :zwinker5: ) das Tempo. Gerade geht es wieder besser, das muss ich nutzen. Sie läuft ran und vorbei.
Er meint, wir wären vermutlich an zweiter Stelle. Also fordere ich sie auf, wenn sie noch fit ist, schneller zu machen. Wenn es stimmt wird sie zweite. (Stimmte im Nachhinein nicht, aber das ist eigentlich egal.)
Aber allem Anschein nach, ist sie auch ziemlich k.o.

Wir nähern uns dem Ende. Noch ein „kleinerer“ Hubbel, und dann droht dieser ominöse Schlussanstieg. :angst:
Das letzte Mal bergab. Die Läuferin ist hinter mir nicht mehr zu sehen?
Was ist das? Wenn das stimmt, was der eben behauptet hat... .
Es wird flach, und ich renne, naja, fühlte sich zumindest so an in meinem Glückstaumel.

Dann der Berg. Jegliches Glücksgefühl erlischt schlagartig. Matschig, steil, und alle vor mir gehen. Gute Idee.
Zum Thema Gehen: Ich habe im Laufe der Strecke irgendwie einen breitbeinigen Watschelgang entwickelt, weil ich so beim gehen die Muskeln völlig anders belasten kann als beim Laufen. Und natürlich wird Phasenweise mit den Händen schön nachgedrückt, damit sich die verdammten Beine endlich strecken und mich den Berg hochschieben.

Endlich oben. Eine Kontrollmatte. Straße, Kurve und weiter bergauf. Harmlose Steigungen, die man normaler Weise gar nicht beachtet. Bei denen man nun schon ernsthaft über Gehen nachdenkt. Nur für ein paar Schritte. Oder vielleicht ein paar mehr. :peinlich:
Memme. Es sind noch gut 2 km, das wirst du auch noch schaffen.
Aber...
du musst dich nicht mehr beeilen. Die Frau ist weg und unter 5 Stunden schaffst du eh nicht mehr. Warum, also mehr als nötig quälen?
Ein Wiesenweg. Ein Schild: Noch 1000m.
Wird aber auch Zeit. Oh ja. So allmählich ist die Kraft wirklich verbraucht.
Schnell nochmal ein paar Meter gehen. Weiter laufen.
Da vorne das Haus, das kenne ich! Da geht es nur noch ein Stück runter und dann links.
Yeah, fast geschafft. Da kommen Emotionen hoch. Jetzt bloß nicht heulen.
Und runter, Kurve links...
Da ist der Zielbogen. Hoffentlich sieht das noch nach Laufen aus.... Grins.
Und durch. Geschafft. :geil:
50,1km, ca. 1500 hm in 5:03:11.
Das mit dem 2. Platz hat nicht geklappt, es war dann der 4. Aber das ist mir ja sowas von egal.

Mit einigen der Begegnungen von unterwegs habe ich mich nachher noch kurz unterhalten.
Es war wirklich nicht nur unter läuferischem Aspekt eine gelungene Veranstaltung.

Da werde ich mit Freude nächstes Jahr wieder hinfahren.
Und viele neue nette Begegnungen haben.
Außerdem wäre da auch noch das Thema mit den 5 Stunden....
Marathon Mama. 26,2 miles of peace and quiet.

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Einfach nur geil Pippi!!!!

Bin gerade etwas verpennt, was die Lauferei angeht - dank dir fürs Aufwecken.
Dein Bericht mach Lust,

Chapeau, Pippi

4
Herzlichen Glückwunsch zum erfolgreichen ersten Ultra! Und dann gleich solch eine tolle Platzierung :daumen: .
Gleich zum ersten Lauf jenseits der Marathondistanz solch einen hammerharten Kurs ausgesucht :haeh: - ich würde mich das nicht trauen.
Danke für den tollen Bericht. Gute Erholung!

5
@VeloC: Ich hoffe, dir tut jetzt nichts mehr weh? Und der Schlamm war o.k. Nur der Regen hätte ruhig später einsetzen können.

@Chillipfeffer: Da waren viele dabei, die wirklich nur zum Genießen und Landschaft gucken usw. mitgelaufen sind. Ist also durchaus (auch) etwas für Leute, die nicht so schnell unterwegs sind.

@Thestral: Dankeschön. Der Muskelkater ist schon fast weg. Die Strecke ist ja nicht viel länger als Marathon. Da hatte ich keine Bedenken. Beim Profil allerdings schon. Aber mir wurde so vorgeschwärmt, dass ich hin musste. Und nach Schillingen war ich ziemlich, dass es klappen könnte. Mal abgesehen von den üblichen Unwägbarkeiten.
Falls es dich doch in den Füßen juckt:
Man kann da übrigens auch zu dritt Staffel laufen.
Oder: X-Trail des Ardennes in Wiltz. Wieder am 10.2.2013, sehr zu empfehlen. (15 oder 25km)
Marathon Mama. 26,2 miles of peace and quiet.

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Hallo Pippi,

klasse gelaufen :daumen: und klasse geschrieben :daumen: !!!!!! Schon der Anfang war so amüsant packend geschrieben ... ich warte auf meeeeehr!!! :zwinker2:

Viele Grüße
Andrea

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Hallo Andrea,

das Schreiben macht ja (fast) so viel Spaß wie das Laufen.
Bin gerade in der Planung für 2013. Es gibt einfach zu viele interessante Veranstaltungen. Terminkollisionen ohne Ende.
Wahrscheinlich gibt es doch noch einmal viele Wiederholungstaten. Da ist dann hoffentlich auch was dabei, was sich "verarbeiten" lässt.
LG Pippi
Marathon Mama. 26,2 miles of peace and quiet.
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