Hallo liebe Vorläufer, Mitläufer und Nachläufer
Nachdem ich dieses Forum frecherweise ausschliesslich als Infopool genutzt hatte, dachte ich mir, dass es an der Zeit ist selbst auch etwas beizusteuern. Ich würde aber schamlos übertreiben, würde ich behaupten euch mit Rat und Tat zur Seite stehen zu können; nein, soweit bin ich noch lange nicht. Vielleicht aber gelingt es mir, den einen oder anderen Läufer abseits der Laufstrecke etwas zu amüsieren, oder einem gleichgesinnten Anfänger Mut zu machen, indem ich euch hier fröhlich von meinen holprigen Laufanfängen erzähle.
Los geht’s…
Es gibt nicht viel, was man über mich wissen muss, ausser vielleicht, dass ich einen Listen- und Leuchtstiftfetisch habe und aus purer Freude daran, Dinge festzuhalten und abzuhacken, einen Grossteil meiner täglichen Verrichtungen fein säuberlich dokumentiere. Deswegen kann ich euch auch mit Gewissheit sagen, dass der 23.04.2012 mein Start in mein neues Läuferleben war. Ein zugegebenermassen holpriger und quälend langsamer Start, der mit einem zügigen Spaziergang nicht ganz so glamourös ausgefallen ist, wie ich mir das gewünscht hätte. Doch auch wenn ich mir damals, eifrig Gehend wie eine gestresste Ente, etwas seltsam vorkam und mir mein gehetzter Gang absurd erschien, ging ich mit grossen Erwartungen und noch grösseren Schritten vorwärts. Die erste Euphorie hatte mich sofort gepackt und ich war beinahe lächerlich Optimistisch, wenn ich an meine Zukunft als aufstrebender Marathonläufer dachte, währendem ich mich im Schneckentempo über die wenigen Kilometer verausgabte. Natürlich wusste ich auch damals, dass meine Läuferkarriere keine werden würde und ich lediglich dem Rausch eines nagelneuen, glänzenden Hobbies verfallen war, aber wann immer ich rotköpfig Nachhause kam, fühlte ich mich als hätte ich etwas Grossartiges geleistet und je näher der Tag rückte, an dem ich tatsächlich würde laufen müssen, desto ängstlicher wurde ich, dass ich dieses Gefühl verlieren würde.
Und als mein Trainingsplan mir am 07.05.2012 zum aller ersten Mal vorschrieb, mich für fünfmal zwei Minuten im Trab vorwärtszuquälen, stand ich etwas unentschlossen und eingeschüchtert vor meiner Haustür. Plötzlich verschwanden die Bilder von mir als athletischer Läufer und zurück blieb lediglich die Idee von der humpelnden Ente. Ich überlegte wann ich wohl das letzte Mal gerannt wäre und mit Schrecken erinnerte ich mich an all die verpassten Züge, die ich nicht mehr rechtzeitig erwischt hatte weil ich zu langsam war und an die mitleidigen Blicke, die mir entgegengeworfen wurden, wenn ich ausser Atem und mit hochrotem Kopf den Bahnsteig viel zu spät erreicht hatte. Also schielte ich nochmals auf meinen Trainingsplan, in der Hoffnung er würde mich auf den zweiten Blick doch noch eine Woche schonen, doch letztendlich zog ich los und tat, was getan werden musste: ich rannte wie eine lahme Ente im Tiefschnee, kaum in der Lage die geforderten zwei Minuten durchzuhalten, aber ich rannte diese verdammten zwei Minuten und was noch viel erstaunlicher war ist, dass ich es am nächsten Tag wieder tat.
Und so vergingen die ersten Wochen im stetigen Wechsel zwischen Laufen und Gehen, Motivation und Antriebslosigkeit und der Freude und dem Frust eines Laufanfängers. Einige Dinge gelangen mir mit Leichtigkeit und jeden Tag fiel es mir leichter und leichter mich für meine neue Freizeitbeschäftigung zu motivieren, bis ich irgendwann bemerkte, dass ich mich nicht nur zum Laufen aufraffen konnte, sondern dass es mir schwer fiel es nicht zu tun. Gleichzeitig haderte ich aber noch mit mir selbst und dem Bild der Ente. Es war mir unheimlich unangenehm, wenn mir andere beim Laufen erwischten und noch viel unangenehmer wurde es, wenn sie mich während einer der gefürchteten Gehpausen entdeckten. Das gute Zureden meiner Mitmenschen half nur wenig dabei, mich von der Vorstellung loszueisen, dass sich nur sportliche Erdenbewohner dabei beobachten lassen können, wie sie verschwitzt und keuchend durch die Landschaft hüpfen und so wurden meine Läufe strikt auf die Abendstunden geplant; die Dunkelheit gab sich gutmütig und bot der Laufente Sichtschutz.
Irgendwann aber, als ich dank einer unelegant erworbenen Verletzung flach lag und meinen Sportschuhen eine Zwangspause gönnen musste, wurde mein Verlangen danach, endlich wieder Laufen zu dürfen, so gross, dass meine Bedenken schlichtweg verschwanden. Es war an einem Dienstag bei strömendem Regen, umgehend nachdem der Arzt mich ziehen liess, als ich eilig meine Laufkleidung anzog und mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht losrannte, als hätte ich mein Leben lang nur darauf gewartet. Ich grüsste jeden der mich ansah und obwohl mein „Hallo“ eher dem Keuchen einer alten Quietschhupe glich, waren mir die Blicke der Spatziergänger egal. Seit diesem Tag war ich stolz auf die kleine Ente, die sich tapfer jeden Tag die Laufschuhe umband und losrannte.
Am 08.08.2012 stolperte ich eher zufällig über den nächsten Meilenstein, denn ich vergass die Zeit und anstelle davon, meinen Trainingsplan einzuhalten, bin ich einfach weitergelaufen und knackte dabei eher beiläufig mein erstes Ziel, dreissig Minuten am Stück zu laufen. Ich erinnere mich daran, dass ich regelrecht enttäuscht war, weil ich es mir anstrengender vorgestellt hatte und erst nachdem ich meinen obligatorischen Trainingstagebucheintrag geschrieben hatte wurde mir klar: vor nicht einmal 12 Wochen war ich kaum in der Lage zwei Minuten am Stück zu laufen und jetzt fühle ich mich nach dreissig Minuten so, als wäre ich gerade eben mal mit dem Hund um den Garten spaziert. Ich belohnte mich am nächsten Tag mit einem Kinobesuch und dem Versprechen an mich selbst, dass ich niemals wieder weniger als 30 Minuten würde laufen können.
Gut, lassen wir die Überschwänglichkeit doch für einen Augenblick beiseite. Denn obwohl ich es grandios finde, meine Fortschritte zu dokumentieren und ich mich tatsächlich über jeden noch so kleinen Schritt in die richtige Richtung freue, so kann ich nicht genug betonen, wie beschämend meine Anfänge waren. Klar könnte man mich dafür loben, dass ich meinen Allerwertesten doch noch in Gang bekommen habe – viel zu viele haben das noch immer nicht getan – und es war mit Sicherheit nicht das einfachste Unterfangen, aber trotzdem halte ich es für falsch hier nur euphemistisch zu bleiben. Ich war ein fauler Sack, selbst wenn ich das selbst nicht immer so wahrgenommen habe, spätestens als ich mich mühevoll über 2 Minuten gequält habe, wurde mir das mehr als deutlich vor Augen geführt. Doch so gerne ich das hier auch behaupten würde, es war nicht das Laufen an sich, das mich verändert hat, sondern meine Bereitschaft mich mit meiner inneren Ente zu arrangieren und ihr die Zeit zu lassen die sie brauchte. Erst als ich aufgehört hatte mich wegen meiner vergangenen Versäumnisse zu grämen, konnte ich das tun was ich schon immer wollte und das, meine Lieben, ist so simpel wie gerade aus zu laufen…
Irgendwann, als ich meine 30 Minuten im Schlaf durchlaufen konnte, suchte ich mir einen Anschlusstrainingsplan und begann, mich mit dem Gedanken anzufreunden, im Winter durch den Schnee zu rennen; und das obwohl ich Schnee und Kälte nun wirklich nicht leiden kann. Irgendwann pendelte sich das Wechselspiel zwischen übertriebener Motivation und Freude und Antriebslosigkeit und Frust ein und das Laufen wurde für mich zu dem, was es bis heute geblieben ist: ein Teil meines Alltags, den ich nicht mehr missen möchte! Und genau da bin ich heute, keine acht Monate nach meinen ersten Gehversuchen… ich laufe vier Mal in der Woche bei Wind und Wetter und im Schwimmbad bin ich auch kein fremdes Gesicht mehr. Ich befürchte nicht mehr, dass ich wieder in meine alten Verhaltensmuster zurückfalle, nicht weil ich getrübt von der rosaroten Brille der Laufverliebtheit naiv genug wäre mich für unsinkbar zu halten, sondern weil mir mein altes Leben fremd vorkommt.
Ich laufe nicht mehr weil ich es für richtig halte mich zu bewegen, weil ich glaube mir selbst etwas beweisen zu müssen, weil es in meiner Agenda steht, oder weil es zu meiner Vorstellung des Menschen gehört, der ich gerne wäre. Ich laufe weil ich mich ärgere wenn ich es nicht tue, weil ich weiss wie toll es ist nach einem Lauf bei dichtem Schneefall Nachhause zu kommen, weil es mir Ruhe gibt, weil ich jedes Mal grinse wenn ich meinen Hund überhole und weil mir einfach alles leichter vorkommt, nur weil ich weiss dass ich diese verfluchten zwei Minuten durchgestanden habe!
Wie zwei Minuten ein Leben verändern
1"When you can't run anymore you crawl. And when you can't do that, well... yeah, you know the rest." Firefly
Clue Writing… oder wie man Käfer und Glühbirnen zusammenbringt
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