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Daniels-Pacevorgaben für "Schnecken" - brauchbar oder zu hart?

Daniels-Pacevorgaben für "Schnecken" - brauchbar oder zu hart?

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Hallo zusammen,

einen Teil des Postings habe ich schon ähnlich in einem anderen Fadenformuliert. Ich stelle es aber hier noch einmal ein, weil mich die Frage schon länger beschäftigt und ich keine Antwort darauf finde - vielleicht habe ich meinen Daniels aber auch nicht gründlich genug gelesen, in dem Fall wäre ich für einen Hinweis auf die passenden Passagen dankbar. :peinlich:

Ich frag mich einfach, ob bzw. mit welchen Abwandlungen es in meinem Leistungsbereich (um 55:00/10km entsprechend VDOT 35.5) überhaupt möglich ist, nach Daniels zu trainieren.

Ein Problem sind natürlich die zu geringen Wochen-km. 60 km/Woche und mehr wären nach meiner Einschätzung nötig, um die Vorgaben zum Anteil von Tempotraining bzw. langem Lauf an den Gesamt-Wochen-km halbwegs einzuhalten. Mit 30-40 km - mehr kann und will ich derzeit nicht investieren - klappt das einfach nicht.

Was mich aber stärker irritiert: Die Tempovorgaben sind nach meinem Empfinden z.T. absurd schnell. Ein Beispiel: Wenn unsereins 55:22 Minuten für 10 km braucht (= VDOT 35.5), bedeutet das, dass das S-Tempo von 5:36 nur ca. 4 Sek. langsamer ist als das 10 km-Tempo von 5:32. Bei einem 35:07 Läufer (VDOT 60.5) sind es immerhin 8 Sekunden (3:31 vs. 3:39). Mit anderen Worten: Das S-Tempo ist für mich nicht so "comfortably hard", wie es m.W. eigentlich sein sollte.

Noch krasser wird es beim I-Tempo: Der 35-Minuten-Läufer bekommt die Vorgabe 3:20 (11 Sek. schneller als 10er-Zeit). Als 55-Minuten-Läuferin soll ich 400 m in 2:03 rennen - hochgerechnet wären das also 1.000 m in 5:08, sprich 24 (!) Sekunden schneller als mein 10er-Tempo. Das scheint mir abartig. :klatsch:

Vor einiger Zeit hab ich's mal probiert: Das Tempo kann ich. Mit langen Pausen zwischendurch auch 3-mal. Aber ich bin hinterher fertig. Und sich völlig platt zu laufen, ist doch nicht Sinn und Zweck der I-Tempo-Einheiten, oder?!

Vielleicht hab ich ja auch was fundamental falsch verstanden und ein Daniels-Experte erklärt es mir ... mich würde einfach eure Einschätzung dazu interessieren, ob ihr die Tempovorgaben für "vernünftig" haltet.

VG,
kobold

2
Hallo Kobold,
Daniels bemerkt ja immer wieder, dass sein Buch eigentlich nicht für so langsame Läufer gedacht ist, er gibt dann zum Beispiel gerne den Hinweis, man solle eine Einheit mehr nach Dauer als nach Streckenlänge gestalten. Vielleicht geht er in der neuen Auflage etwas genauer darauf ein?

Die Vorgaben für S und I sind in dem Bereich, den ich schaffe (zwischen VDOT 42 und 49) relativ locker, ich muss da häufig bremsen, um es nicht zu übertreiben (bzw, laufe einfach so schnell, wie es mir grad noch gefällt und habe danach ein etwas zwiespältiges Gefühl von Stolz und Besorgnis).

Danke für den interessanten Beitrag,
cantullus

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Ich glaube auch, dass das für sehr langsame Läufer nicht gut geeignet ist.
In dem Bereich kann man das wohl nicht mehr so linear extrapolieren.

Ich würde mir das "nach Gefühl" und Puls selber zurechtbasteln.
Dunkel, nass, windig, kalt. - "Yeah, let's go!!!"
Live simple, train hard.
Running is a superpower.

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Meiner Meinung nach müßte man eher über die Umfänge als über die Tempi nachdenken.

Daß bei langsameren Läufern das S-Tempo näher am 10k-Tempo liegt als bei schnelleren, liegt in der Natur der Sache. Wenn S-Tempo das Tempo ist, das man eine Stunde lang durchhält, liegt das S-Tempo eben um so näher am 10k-Tempo, je mehr sich die WK-Zeit auf 10k einer Stunde annähert. Daran ist zunächst einmal nichts Merkwürdiges. Den Einwand, daß dann doch aber der langsamere Läufer einen wesentlich höheren Anteil seines Trainings in der Nähe des Limits absolvieren soll, hebe ich mir mal für später auf. An dieser Stelle kommen nämlich die Umfänge ins Spiel.

Daniels empfiehlt ja generell, das Tempotraining-Quantum vom Wochenumfang abhängig zu machen. Wer in der Woche nur 30-40 km läuft, absolviert also deutlich weniger S- und I-Training als jemand, der 80 oder 100 km läuft. Andererseits: Wenn der 30km-Läufer jeweils 10% seines Trainings als S- und I-Training durchführt, liegt seine Gesamtintensität (z.B. hypothetisch definiert als der durchschnittliche Hfmax-Anteil seines Trainings) deutlich über dem des Läufers, der schneller läuft und mehr trainiert.

Wäre also die Frage: Ist das schlimm? Macht das den Danielsschen Ansatz für langsamere Läufer mit geringeren Umfängen weniger oder gar nicht brauchbar? Das hängt m.E. vor allem von der orthopädischen Belastbarkeit ab. In den meisten Fällen ist die wahrscheinlich gut genug, daß jemand mit allgemein eher geringen Umfängen in der Lage ist, einen höheren Anteil seines Trainings relativ flott durchzuführen als jemand mit einer höheren Gesamtbelastung. Aus der Tatsache, daß ostafrikanische Spitzenläufer einen relativ geringen Anteil ihres Trainings als Tempotraining absolvieren, wird ja gern geschlossen, daß wir das genauso machen müßten. Stimmt so aber nicht. Weil die Spitzenathleten insgesamt exorbitant höhere Umfänge laufen als wir, können sie es sich auch nicht leisten, mehr als einen Anteil deutlich unter 50% davon wirklich Gas zu geben. Bei uns ist das sicher anders, und deshalb würde ich auch gemütlicheren Läufern mit geringeren Umfängen durchaus empfehlen, mal bei Daniels reinzuschauen. Daß für einen nach Daniels vorbereiteten Marathon gewisse Mindestumfänge (nicht Mindesttempi) erforderlich sind, steht ja auf einem anderen Blatt. Aber für kürzere Distanzen gibt sein Buch sicher unabhängig von der Leistungsfähigkeit etwas her.
Дуа кинум йах иди, ту пуц ца бофт тар ту-хез йатов̌!

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Beispiel: Wenn unsereins 55:22 Minuten für 10 km braucht (= VDOT 35.5), bedeutet das, dass das S-Tempo von 5:36 nur ca. 4 Sek. langsamer ist als das 10 km-Tempo von 5:32.
Für den Schwellenlauf ist das doch ok.( ist nur im Progr. kurz vor WK)
Der wird doch nur bis 20 Min. gelaufen.

Soll es ein Tempolauf über ca. 40 Min. sein wird +18 Sek. dazu geschlagen. :D ( Tempotabelle)
Das passt schon.

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kobold hat geschrieben:vielleicht habe ich meinen Daniels aber auch nicht gründlich genug gelesen
So ist es. Schwellentempo = Stundenrenntempo, hat Agha schon geschrieben.
Und zusätzlich: I-Tempo: 15 min-Renntempo.

Demnach müssten für dich 20 min S genauso hart wie für den 35 min-10k-Läufer sein. Und 5x 4 min I sind auch vergleichbar.
kobold hat geschrieben:Ich frag mich einfach, ob bzw. mit welchen Abwandlungen es in meinem Leistungsbereich (um 55:00/10km entsprechend VDOT 35.5) überhaupt möglich ist, nach Daniels zu trainieren.
Sollte kein Problem sein, solange du dich an Zeiten, nicht Strecken orientierst. CarstenS hat das ja schon ansatzweise in seinen Rechner eingebaut; bei vdot = 60,5 empfiehlt er z. B.
S: 5500m in 20:03 oder 4x1600m in 5:50, kurze Pausen (ca. 1min)

Und bei vdot = 35,5:
S: 3500m in 19:37 oder 6x1000m in 5:36, kurze Pausen (ca. 1min)
kobold hat geschrieben:Vielleicht hab ich ja auch was fundamental falsch verstanden und ein Daniels-Experte erklärt es mir ... mich würde einfach eure Einschätzung dazu interessieren, ob ihr die Tempovorgaben für "vernünftig" haltet.
Ja, fundamental falsch verstanden (z. B. sind 1000 m als I für dich zu lang) und ja, die Vorgaben sind vernünftig.
aghamemnun hat geschrieben:Meiner Meinung nach müßte man eher über die Umfänge als über die Tempi nachdenken.
Genau, aber
aghamemnun hat geschrieben:Den Einwand, daß dann doch aber der langsamere Läufer einen wesentlich höheren Anteil seines Trainings in der Nähe des Limits absolvieren soll, hebe ich mir mal für später auf. An dieser Stelle kommen nämlich die Umfänge ins Spiel.

Daniels empfiehlt ja generell, das Tempotraining-Quantum vom Wochenumfang abhängig zu machen. Wer in der Woche nur 30-40 km läuft, absolviert also deutlich weniger S- und I-Training als jemand, der 80 oder 100 km läuft. Andererseits: Wenn der 30km-Läufer jeweils 10% seines Trainings als S- und I-Training durchführt, liegt seine Gesamtintensität (z.B. hypothetisch definiert als der durchschnittliche Hfmax-Anteil seines Trainings) deutlich über dem des Läufers, der schneller läuft und mehr trainiert.
Verstehe ich nicht. Wieso liegt die Gesamtintensität höher?
A: langsam, 30 km/Woche
B: schnell, 80 km/Woche

Beide z. B. nach Daniels' Marathonplan: 1x 10% S und 1x 8% I pro Woche
-> A 3 km S (geht ohne Pause, da < 20 min) und 2,4 km I (z. B. 3x 800 m)
-> B 8 km S (z. B. 4x 2k mit 2 min Jog, da > 20 min) und 6,4 km I (z. B. 8x 800 m)

Macht bei beiden genau 10% S, 8% I, 82% locker.

Oder meinst du die Kollegen, die so viel laufen, dass sie nicht 8% I ihres Wochenumfangs in einer Einheit schaffen können?
"If you want to become a better runner, you have to run more often. It is that easy." - Tom Fleming

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Hinzufügen möchte ich noch, dass die 1000er für schnelle Läufer auch wirklich manchmal recht kurz sind. Würde wir in Meilen messen, würden wir uns sicher auch öfter längere Intervalle trauen ;) Als ich mal für uns Pläne geschrieben habe, hatte ich für die Läufer mit 10km unter 38min auch 1400er im I-Tempo im Programm. (Ich muss allerdings auch zugeben, dass ich momentan überhaupt keine vernünftigen Intervalle hinbekomme.)

Also, kobold, mach halt 800er, und vielleicht auch erst einmal 400er. Und mach auch mal kürzere Wettkämpfe, die relativieren dann vielleicht die Anstrengung der Intervalleinheiten ;)

Gruß

Carsten

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Kürzere Wettkämpfe, 400er - ich würde sogar sagen: 200er! Bringen was. Weniger Belastung trotz hohem Tempo, hohe Zufriedenheit, weil sie zu schaffen sind. Und im WK eine gewisse Wahrscheinlichkeit auf eine Platzierung.

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D-Bus hat geschrieben:Verstehe ich nicht.
Ich inzwischen auch nicht mehr so ganz. Wahrscheinlich hatte ich einfach irrtümlich die S-Intensität für den langsameren Läufer höher angesetzt als für den schnellen, weil das Tempo näher am 10k-Tempo liegt. Ist natürlich Quatsch. Es müßte ja eher umgekehrt sein: Je langsamer der 10er gelaufen wird, desto geringer der Prozentanteil der Hfmax während des Wettkampfs.
Дуа кинум йах иди, ту пуц ца бофт тар ту-хез йатов̌!

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Seuuuufzzzz! Ich hab's ja befürchtet .... das mit dem Falsch-Verstehen und das mit dem Doch-so-schnell-laufen-müssen! :D

Vielen Dank für die ausführlichen Hinweise! :daumen:

Dass Schwellentempo pi mal Daumen Stundenlauftempo ist, war mir schon klar. Was ich mir nicht so richtig klar gemacht habe ist, dass die Zeiten, die ich in bestimmten Intensitätsbereichen verbringe, wichtiger sind als die Strecken. Bei den 1.000ern im I-Tempo dachte ich, ich liege gerade so über der 5-Minuten-Grenze, die für I-Tempo-Intervalle vorgeschlagen wird, also versuch ich es mal. Die Vorstellung, stattdessen 800er oder 400er zu laufen, finde ich sehr entlastend, da kann ich mir ein Tempo unwesentlich über 5:00er-Schnitt schon besser vorstellen. :nick: Hart genug wird es durch die kurzen Pausen trotzdem.

Was die kürzeren WK angeht: Ich hatte eigentlich gehofft, keine 5 km mehr laufen zu "müssen" ... aber im Grunde wären die wohl das, was ich bräuchte, wenn ich doch noch mal einen echten Ehrgeizanfall bekomme und (wie von Lizzy erfolgreich praktiziert) ein persönliches "Mit 50 unter 50-Projekt" starte. Ein Zwischenschritt könnte dann ja sein, es erst einmal auf 5 km unter 25 (und dann natürlich noch weiter runter) zu schaffen.

Momentan mangelt es dafür allerdings an besagtem Ehrgeiz (und damit auch an der Zeit, die ich für's Laufen aufbringen mag). Ergo werden schon die fehlenden Wochen-km verhindern, in diese Region zu kommen. Trotzdem hätte ich nix dagegen, wenigstens wieder sicher unter 55 auf 10 zu laufen. Dafür muss dann eben doch die eine oder andere schnelle Einheit her.

VG,
kobold
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