Daniel94 hat geschrieben:Muss man tatsächlich so langsam laufen, dass eine Unterhaltung möglich wäre?
Hallo Daniel94,
man muss überhaupt nichts, schon gar nicht im Laufsport. Allerdings gibt es immer wieder Laufeinsteiger, die nach Übertreibung oder anderweitig ungutem Auftakt ihres Hobbys Schwierigkeiten bekommen. Zu dieser Problematik gibt es Untersuchungen und Erfahrungswerte, woher Beschwerden (während des Laufens oder hinterher) bzw. Verletzungen rühren. Danach ist eine häufige Ursache von Beschwerden, dass Läufer zu schnell unterwegs sind. Übrigens nicht nur Laufeinsteiger, sondern auch solche, die schon länger laufen. Daher wird aus medizinischer Sicht empfohlen nicht zu schnell zu laufen. Schon gar nicht beim Laufeinstieg. Um nicht falsch verstanden zu werden: Es geht dabei nicht um einzelne, sehr schnelle Läufe, sondern um die Tendenz so gut wie alle Trainings zu flott, im selben Tempo zu betreiben. Häufig folgt dem Appell zur "Langsamkeit" die Frage, wie langsam oder schnell man denn dann laufen solle. Und ein einfacher Indikator für das richtige Tempo ist eben die Atmung. Sie sollte nur so weit beansprucht werden, dass - wie du es schon gelesen hast - Unterhaltung noch möglich wäre. Sicher keine halbe Stunde Dauerplappern, aber doch mal ein Satz, Antwort abwarten und dann der nächste Satz, ohne dabei gleich kurzatmig zu werden.
Du solltest dir klar machen, dass im Körper mehrere Prozesse zur Energiebereitstellung ablaufen. Je nachdem, wie schnell du läufst, ist mal der eine, mal der andere stärker beteiligt. Es ist aus dem Grund für alle Läufer wichtig - gerade auch für die erfahrenen, aber die wissen das schon -, wenigstens einmal pro Woche langsam zu laufen, um den dafür maßgeblichen Stoffwechselprozess zu schulen und als Grundlage für schnelleres Laufen. Also einmal pro Woche mindestens langsam und dafür etwas weiter ...
Daniel94 hat geschrieben:Da es wohl falsch ist sich nur nach Pulswerten zu richten will ... Oft liest man, dass man gerade als Einsteiger so laufen sollte, dass man in einem Wohlfühltempo unterwegs ist und sich noch unterhalten könnte.
Ich laufe alleine und meist so schnell wie es mir mehr oder weniger angenehm möglich ist. Unterhalten könnte ich mich bei dem Tempo jedenfalls nicht.
Wäre es hier möglicherweise sinnvoller lieber eine Strecke zu wählen an der man möglichst durchlaufen kann?
Meine Dritte Frage bezieht sich auf mögliches Dehnen. Da liest man ja leider auch immer mal was anderes. Wielange macht ihr welche Dehnübungen und wie oft? Nach jedem Lauf? Einmal wöchentlich? 15 Sekunden lang? 60 Sekunden lang? Usw.
Du bist 20 Jahre alt, offensichtlich gesund, nicht im Mindesten übergewichtig und leistungsfähig. Selbstverständlich hast du kein Problem den Laufeinstieg zu schaffen. Und ich sehe auch absolut keinen Grund, warum du nicht jeden zweiten Tag trainieren solltest. Auf Grund deiner guten Voraussetzungen halte ich auch Läufe mit mehr Tempo bei dir für unkritisch, obwohl du noch am Anfang stehst und dein Bewegungsapparat sich noch nicht an die Anforderungen des Laufens gewöhnt hat. Wie oben schon dargestellt, empfehle ich dir einen längeren, langsamen Lauf pro Woche, bei dem du alle markanten Steigungen gehend bewältigst (die ersten Wochen wenigstens). Dazu dann einen etwas schnelleren Lauf und einen in deinem bisherigen Tempo, als kürzesten.
Die Topographie deines Lebensraumes lässt sich nicht ändern. Man passt sich per Lauftempo (notfalls gehend) dem Gelände an. Und manche wären froh, wenn sie hie und da mal einen Hügel oder Berg zur Verfügung hätten, um mehr Abwechslung in ihr Training zu bringen. Maßgebend für den gesetzten Trainingsreiz in Gelände mit Profil ist nicht allein das Lauftempo. Es geht immer um die so genannte "Intensität" eines Laufes. Die ergibt sich nur in der Ebene (und ohne Gegen- oder Rückenwind) rein aus dem Lauftempo. Sobald Steigung ins Spiel kommt steigt die Intensität des Laufes sehr rasch an. Das hast du ja mittlerweile erfahren. Da reicht es in vielen Fällen zu gehen, um trotzdem einen starken Reiz zu setzen. Schwieriger auszugleichen ist in diesem Zusammenhang eher das unumgängliche Gefälle. Dort kann man - zumindest im Gelände - meist nicht so schnell laufen, wie man müsste, um die Intensität hoch zu halten. Und insbesondere als Einsteiger solltest du gerade abwärts in den ersten Wochen Vorsicht walten lassen. Damit meine ich nicht die latente Gefahr zu stolpern und zu stürzen mit den entsprechenden Folgen. Es geht darum, dass beim schnellen Abwärtslauf ziemliche "Mördergewalten" (= ein Vielfaches des Körpergewichts) auf Gelenke, Sehnen und Muskeln einwirken, auf die sich dein Körper noch nicht angepasst hat. Muskeln schultern die Aufgabe rasch, Sehnen, Gelenke und Knochen brauchen dafür ein paar Monate!
Was deinen Herzfrequenzmesser angeht, so trägst du diesen ziemlich sinnlos durch die Gegend. Deine Herzfrequenzangabe wäre nur einzuordnen, wenn du deine maximale Herzfrequenz kennst und am besten auch noch die Ruhefrequenz deines Herzens unmittelbar nach dem Aufwachen. Beides ist nicht leicht zu ermitteln. Jedenfalls nicht mit einer Formel und auch nicht so leicht, wie es zum Beispiel die Hersteller entsprechender Geräte suggerieren (Warum die das wohl tun?). Doch selbst wenn du die besagten Bezugsgrößen kenntest, wäre noch nichts gewonnen. Dann müsstest du dir zunächst vornehmen, die Trainingsläufe in bestimmten Herzfrequenzbereichen zu unternehmen. Die Herzfrequenzbereiche entsprechen bestimmten Intensitätsbändern. Dergleichen nutzen zum Beispiel Ersteller von Trainingsplänen, wenn sie angeben, in welcher Intensität Dauerläufe durchgeführt werden sollen. Das sind dann aber nie Absolutangaben, weil sich Hfmax und Ruheherzfrequenz von Mensch zu Mensch unterscheiden. Es sind immer Prozentangaben. Du siehst also, dass die von dir angegeben Absolutwerte (z.B. Durchschnittspuls 173) keine Aussagekraft haben. Schön, dass es an deinem Handgelenk pulsiert, aber das wars dann auch einstweilen ...
Nun noch zum Dehnen. Da drehe ich seit Jahr und Tag die Gebetsmühle: Es gibt bislang keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür, dass Dehnen hilft Beschwerden oder Verletzungen zu vermeiden. Vergleichsgruppen, die dehnten waren genauso oft gehandicapt oder verletzt, wie jene, die das unterließen. Und nun das Outing: Ich dehne selbst. Allerdings als therapeutische Maßnahme. Durch frühere "körperlich-sportliche Verfehlungen" und mein extrem hohes Laufpensum pro Jahr oder auch mal pro Laufveranstaltung wird mein gesamter Bewegungs- UND Halteapparat stark beansprucht und auch in Mitleidenschaft gezogen. Zudem bin ich über 60 Jahre alt. Durch alle Einwirkungen geht Flexibilität im Bewegungsapparat verloren und ich bekomme Beschwerden - die "Zipperlein" -, wenn ich nicht ein Minimumprogramm an Dehnübungen mindestens zweimal die Woche durchziehe. Das Wesentliche dabei ist aber die für meinen Körper sehr hohe Belastung und damit die therapeutische Notwendigkeit. Eine Physiotherapeutin sagte diese Woche zu einem Patienten - das habe ich zufällig mit angehört: Etwa 60 % aller Beschwerden kriegen wir durch Dehnen in den Griff ... Vielleicht ist das zu hoch gegriffen, aber egal. Wohl gemerkt: Das war eine ältere Patientin, keine Ahnung, welches Gebrechen nach Unfall, als Alterserscheinung oder infolge Erkrankung sie hatte. Sie war keine Sportlerin.
Freizeitläufer mit einem überschaubaren Pensum und gesundem Körper brauchen nach meinem Dafürhalten nicht zu dehnen. Wenn sie es dennoch tun, dann weil es ihnen ein gutes Gefühl gibt. Alles, was uns ein gutes Gefühl gibt, kann so falsch nicht sein. Gute Gefühle wirken über die psychosomatische Schiene auf die körperliche Leistungsfähigkeit ein ... Wenn aber schon Dehnen, dann bitte richtig. Und das heißt für Läufer (für andere Sportarten ist das anders) nicht im Zusammenhang mit dem Ausdauertraining dehnen und schon überhaupt nicht vorher. Vorher gar nicht, weil wir während des Dehnens auskühlen und außerdem die durch das Einlaufen erzeugte Muskelvorspannung (= Muskeltonus) wieder aus den Muskeln vertreiben. Aber die brauchen wir anschließend beim Lauf. Und unmittelbar nachher nicht, weil dann der Muskeltonus noch extrem hoch ist. Und diese Spannung würde verhindern, dass wir beim Dehnen die maximale Dehnlänge erreichen. Leuchtet doch ein, dass Spannung erst weichen muss, bevor Dehnung Erfolg haben kann. Trotzdem sieht man immer wieder Läufer, die unmittelbar nach dem Abbruch des Trainings dehnen ... Wie schon gesagt: Es gibt ihnen ein gutes Gefühl, nützen tut es nichts. Mindestens eine Stunde warten, dann dehnen. Dehnen ist extrem ätzend und langweilig - zumindest empfinde ich das so. Deshalb bietet sich an es in Zwangspausen oder sonstige Untätigkeitsphasen zu legen (z.B. beim Fernsehen, während man auf die Ankunft von jemand oder irgendwas wartet, etc. ist bei jedem Mensch eben anders).
Wenn du dehnst, dann die betreffende Partie mindestens 3 x 30 Sekunden, mit jeweils 30 Sekunden Pause. Muskulatur, die Dehnung nicht gewöhnt ist, braucht längere Intervalle, mindestens 3 x 60 Sekunden. Meine Therapeutin (also eigentlich ist sie nicht meine, aber ich höre ihr gerne zu, während ich Krafttraining mache und sie ihren Patienten Erklärungen gibt) hat das so begründet: Muskulatur, die das Dehnen nicht gewohnt ist, braucht den langen Zeitraum, um zu "merken, dass du es ernst meinst mit dem Auseinanderziehen".
Welche Dehnübungen, das würde hier zu weit führen, ich habe heute noch mehr vor ...

Aber vielleicht schaust du dir mal die Übungen auf unserer
Laufseite an. Findest sie unter "Ein Weg zum Marathon", "7. Marathon und Gesundheit", "3.3 Dehnen und Kräftigen". Übrigens sind Übungen zur Kräftigung des Halteapparates (z.B. Bauch- und Rückenmuskulatur) von weit größerer Bedeutung für Läufer als Dehnübungen.
Alles Gute für dich
Gruß Udo