Gestern nahm ich im Rahmen des VCM 2015 am HM teil und möchte meine Eindrücke davon mit euch teilen

Ausgangslage:
Ende 2014 entschlossen mein Laufpartner Bernd und ich, uns für die HM - Distanz beim Vienna City Marathon 2015 anzumelden.
Gesagt, getan.
Für mich der zweite "Wettkampf" überhaupt in meiner noch jungen Laufkarriere nach meiner HM-Premiere Ende August 2014.
Vorbereitung / Zielsetzung:
Eine Zeit unter 01.40:00 war mein Ziel und somit galt es, irgendwo 5 min auf meine persönliche Bestzeit von 01:45:12 zu finden.
Gesucht habe ich diese 5 min mit einem 16-Wochen-Trainingsplan von lauftipps.ch (Flex 21), welchen ich am 21.12.2014 begann.
Ich blieb im Gegensatz zu meinem Laufpartner während der 16 Wochen verletzungsfrei und konnte so alle vorgesehenen 64 Läufe (Gesamtdistanz etwas über 900 km) planmäßig abspulen.
Bernd mit seiner PB von 01.37, gelaufen allerdings schon vor ein paar Jahren, hatte nach einer nicht ganz verletzungsfreien Vorbereitungsphase ähnliche Zielsetzungen und so wollten wir den Wettkampf nebeneinander laufen und uns dabei gegenseitig pushen.
Die Strecke:
Die Strecke beim VCM führt mitten durch Wien. HM und M werden in weiten Bereichen auf derselben Strecke geführt, Start- und Zielbereich ist für alle Athleten einheitlich.
Details zur Strecke
Das Rennen:
Mein erste große Laufveranstaltung stand unmittelbar bevor. Die Eindrücke, im Startbereich mitten unter über 42000 Läufern, waren entsprechend. Es herrschte eine tolle Atmosphäre, keine Spur von Hektik oder Stress.Schließlich waren wir rechtzeitig zum Startgelände in der Wagramer Straße gefahren und hatten genug Zeit für die Kleiderabgabe und den letzten WC-Gang.
Allerdings hatte sich unser Plan, gemeinsam zu laufen, schon bei der Startnummernausgabe am Vortag erledigt. Unglücklicherweise (typisch Anfänger

Dazu muss man wissen, dass beim VCM die ungeraden Startblöcke auf der rechten Straßenseite, die geraden Startblöcke auf der linken Straßenseite etabliert und durch Gitter etc getrennt sind.
Für die ersten 3 Lauf-KM, ua über die Reichsbrücke, werden diese beiden Startblockkategorien außerdem getrennt geführt und mit einem Zeitversatz von ein paar Minuten gestartet.
Wir wollten keine Disqualifikation riskieren und so blieb Bernd in seinem Startblock 2, ich in meinem Startblock 3.
Pünktlich um 08:59 Uhr erfolgte der Startschuss für die Profi-Läufer, eine Minute später startete die erste Welle der Hobbyläufer mit den Blöcken 1 und 2. Bernd war damit im Rennen.
Ich wurde nun doch auch etwas nervös und kontrollierte zum ungefähr einhundertsten Mal meine Laufausrüstung.
Es wurde Zeit, dass der Lauf auch für mich endlich los ging. Das war kurz darauf der Fall.
Um 09.10 Uhr startete ich bei sehr guten äußerlichen Bedingungen (aufgelockerte Bewölkung, immer wieder Sonnenschein, ca 13 Grad).
Die ersten Meter, gleich auch über die Reichsbrücke, mitten unter tausenden anderen Läufern .... schon alleine dafür hatte sich die Teilnahme gelohnt

Unsere Welle kam gut vom Start weg. Meine Sorge, auf dem ersten KM etwas aufgehalten zu werden, erwies sich als unbegründet. Kaum Läufer, die es für diesen Startblock viel zu langsam angingen, Platz genug, um langsamere Starter zu umlaufen.
Meine Strategie sah vor, dass ich die erste Rennhälfte mit einer Pace von ca 04:44 min / km laufen wollte, den zweiten Teil dann in 04:38 min/km. Somit sollte eine Zeit unter 01.40:00 erreicht werden.
Strategie ist das Eine, das Rennen dann etwas anderes

Ich ließ mich gleich zu Beginn von ein paar mich überholenden Läufern und der allgemeinen Euphorie doch anstecken und drückte auch etwas auf das Tempo.
So zeigte mir mein Forerunner schließlich für KM 1 eine Zeit von 04:38 an, auch KM 2 und KM 3 waren mit 04:28 und 04:31 flotter als geplant.
Als ich auch KM 4 mit 04:35 absolviert hatte, entschloss ich mich, doch etwas Geschwindigkeit rauszunehmen. Zu groß war die Angst, irgendwann später im Rennen einzugehen.
So absolvierte ich die folgenden KM bis KM 10 mit Zeiten zwischen 04:35 und 04:45 min und hatte damit die ersten 10 KM mit einer Pace von 04.38 hinter mich gebracht.
Während mir diese ersten 10 km leicht von den Füßen gingen und ich mich sehr wohl fühlte, machte sich auf den folgenden KM doch etwas die Müdigkeit bemerkbar. An der rechten Ferse spürte ich einen leichten Reibschmerz, die Beine wurden langsam aber sicher schwerer.
Außerdem hatte sich jetzt die Sonne so richtig durchgesetzt und es wurde doch recht warm.
Bekam ich schon jetzt die Rechnung für meine zu flotte Startphase präsentiert ?
Würde ich so je ins Ziel kommen ?
"Leichte" Verzweiflung machte sich breit, Wasser an den Labestationen half mir auch nicht wirklich weiter.
Ich versuchte trotzdem, meine Gesamtpace von 04.38 zu halten, was mir bis ca KM 14 auch gerade so noch gelang.
Ab KM 14 hatte ich dann wirklich zu kämpfen. Obwohl ich die Pulsanzeige am Forerunner ausgeblendet hatte, merkte ich doch, dass mein Puls jetzt nach oben ging und ich kurzatmig wurde.
Erschwerend kam noch hinzu, dass die Strecke in diesem Bereich leicht ansteigend war.
Die Verzweiflung wurde größer. Sehnsüchtig blickte ich zu Läufern, die bereits aufgegeben hatten und am Streckenrand standen und gingen.
Sollte ich auch stehenbleiben ?
Warum denn eigentlich nicht ?
Wer zwingt mich dazu, hier wie ein Wahnsinniger durch Wien zu laufen ?
Noch dazu, mit stärkerer werdenden Reibschmerz an der Ferse ...
Entsprechend waren die Zeiten von KM 15 bis 17. Ich konnte die Pace nicht unter 04:45 halten. Der Forerunner meldete nun Gesamtpace 04:40 min/km, Tendenz steigend ...
Gedanklich verabschiedete ich mich bereits von meiner Zielzeit und hoffte, es noch irgendwie ins Ziel zu schaffen.
Wir hatten zu diesem Zeitpunkt den Bereich Schloss Schönbrunn passiert und nun ging es Richtung Ziel, gefühlt auch etwas abwärts.
Daraus gewann ich Zuversicht, die Zeit von 04:35 für KM 18 motivierte mich zusätzlich und ich feierte ein kleines Comeback

Vorbei an immer mehr Zusehern und ganz tollen Atmosphäre ging es Richtung Heldenplatz und damit Richtung Ziel.
KM 19 und 20 mit einer Pace ca 04.37 waren der Startschuss für den letzten KM und damit meine "Schlussoffensive".
Schneller als erwartet dann die Tafel "300 m bis ins Ziel" zu meiner Rechten und schon bog ich den Heldenplatz ein.
Gänsehaut pur auf den letzten Metern vor vielen, vielen Zuschauern, mit viel Genuss durchlief ich den Zielbogen.
01:39.04 zeigt mein Forerunner an, die offizielle Zeitnehmung führt mich schließlich auch mit genau dieser Zeit.
Resume:
Es hat sich gelohnt

Die blutende Ferse wird verheilen, der Stolz wird bleiben.
Sorry für den vielen Text. Die Emotionen, ihr wisst schon

LG
Michael