Goldi2503 hat geschrieben:In Sachen Spartathlon möchte ich Dich einfach fragen, ob Du den erfolgreich absolvierten Spartathlon (davon gehe ich bei Dir einfach mal pauschal aus) quasi als "Höhepunkt/Gipfel Deiner Laufkarriere" bezeichnen würdest.
Hallo Goldi,
deine Voraussage meines Erfolgs ehrt mich. Ich habe in dieser Hinsicht auch eine makellose Bilanz zu verteidigen. Ich trat 155 mal zu Marathons oder Ultras an und kam auch 155 mal ins Ziel. Dabei soll es natürlich bleiben. Nach einer so langen Serie von Nicht-Aufgeben machte ich mir natürlich auch Gedanken darüber, woran das wohl liegt. Ich kenne eine Menge Läufer, für die Abbrechen sicher nicht der Normalfall, jedoch dann und wann notwendig war. Was mich angeht, so gab es eine Handvoll Läufe, wo es unter gesundheitlichen Aspekten sinnvoll gewesen wäre abzubrechen. Doch anscheinend bin ich dazu erst fähig, wenn mein Körper mir den Dienst komplett versagt. Bis dahin verfüge ich offensichtlich über genug Willen und noch mehr Sturheit, um durchzuhalten. Einmal hätte ich sicher abbrechen müssen, weil ich wirklich krank war und morgens mit Schwäche und Schweißausbrüchen dem Hotelbett entstieg. Nach einer Stunde hatte ich die Versuchung an den Start zu gehen niedergerungen. Die Vernunft siegte, nicht zuletzt, weil ich sicher war in diesem Zustand keinen Marathon zu überstehen. Diese makellose Serie von "Starten = Ankommen" wollte ich auch aus einem psychologischen Grund heraus nicht "besudeln": Wenn ich vor einer wirklich schwierigen Aufgabe stehe oder mehr und vor allem häufiger noch, wenn es unterwegs brutal hart wird, dann gibt mir das Wissen immer angekommen zu sein Kraft und Zuversicht. Und für Herausforderungen vom Schwierigkeitsgrad der 100 km/Meilen-, 24h-Läufe oder eben auch des Spartathlons ist die mentale Befindlichkeit wichtiger als ich das jemandem mit Worten erklären könnte. Natürlich muss man die Distanz samt Höhenmetern und sonstiger physischer Hürden in den Beinen haben, die Ausdauer dafür trainiert haben. Doch das ist nicht mehr und nicht weniger als die Voraussetzung für einen Erfolg. Tatsächlich durchhalten und ankommen wird nur, wessen unbeugsame Psyche ihn über die Distanz trägt.
Zweifellos stellt der Spartathlon die bisher gewaltigste Aufgabe dar, vor die ich mich als Läufer gestellt sah. Vielleicht nicht, wenn ich mich auf reines Ankommen beschränkte. Hmmm, nein, auch dann. Denn wenn ich mich beschränke, dann nur weil meine Form mich dazu zwingt und dann wird es gleichermaßen hart werden, wie in besserer Form plus Ehrgeiz … Natürlich wäre der Spartathlon so etwas wie – du drückst es so aus – der Gipfel auf meinem (vergleichsweise) kurzen Marathon- und Ultraweg. Doch jeder Bergsteiger wird dir sagen, dass der höchste seiner Gipfel, nicht unbedingt die Tour mit dem höchsten Schwierigkeitsgrad war und vielleicht auch nicht die - fasst man alle Aspekte zusammen - schönste seiner Bergfahrten. Ich finde in meinem Gedächtnis eine Reihe von absoluten Traumläufen. Traumhaft schön vom Erlebniswert her. Wobei der Erlebniswert sich aus unterschiedlichen Komponenten zusammensetzt. Beispiel: Wenngleich sportlich nur von minderem Rang, blieb mir der Montafon-Arlberg-Marathon als eines der grandiosesten Lauferlebnisse im Gedächtnis. Bei der Bestimmung meiner bisherigen "Nummer 1" kann ich mich aber nicht entscheiden. Mein erster 24h-Lauf 2008 in Berlin oder 2014, die 100 Meilen von Berlin, der Mauerweglauf??? Weiß nicht, welchem der Läufe ich - alles in allem - den Vorzug gebe. Ob am Ende der Spartathlon meine Hitliste anführen wird, hängt vom Verlauf ab. Mit Platzierungen werde ich dort kaum glänzen können, wird doch ein Großteil der Ultralauf-Weltelite an den Start gehen, sicher auch in den Altersklassen. Es wird also davon abhängen, wie mir der Lauf „vom Fuß geht“. Was ich mir wünsche ist eine Wiederholung des Gefühls bei den 100 Meilen von Berlin: Mehr als 160 km und keine Minute der Schwäche. Noch bei 140, 145 km das Gefühl der Unbesiegbarkeit und in der Verfassung aufs Tempo zu drücken. Am Ende die Empfindung bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag immer so weiter laufen zu können ...
Sollte mir ein glückliches Finish, verbunden mit relativer (!) Leichtfüßigkeit (wie bei den 100 Meilen) beschieden sein, dann – und nur dann – wird der Spartathlon aller Voraussicht nach der Höhepunkt meiner läuferischen Anstrengungen werden.
Goldi2503 hat geschrieben:Ich will hier gar keine Vergleiche a la "Badwater ist härter als Spartathlon..." o. Ä, weil diese Diskussion endlos wäre, sondern einfach eine Aussage, ob es für Dich persönlich noch etwas ÜBER dem Spartathlon gibt/geben kann/geben würde. Wäre nett, wenn Du hierzu einmal Stellung nehmen könntest....
Veranstaltungen miteinander zu vergleichen ist schon auf kleineren Distanzen reichlich sinnlos. Für die Elite gibt es Meisterschaften, damit sie ihren Ehrgeiz im Wettstreit austragen, sich miteinander vergleichen und den „Besten“, den „Härtesten“, den „Cleversten“ untereinander ausmachen können. Der Rest von uns folgt mehr oder weniger seinem läuferischen Glaubensbekenntnis. Meines, das hast du sicher in einem der Laufberichte schon gelesen, „läuft“ darauf hinaus, dass ich möglichst jeden Meter eines Wettkampfs (im Training ohnehin) laufen möchte. Also niemals gehen, sofern mich nichts dazu zwingt. Auch keine Pausen in einem Wettkampf, es sei denn sie sind nicht zu vermeiden (Essen, Trinken, Toilette, Umziehen, so was …). Es ergibt für mich nur ausnahmsweise Sinn mich zu einem 24h-Lauf anzumelden – als Beispiel –, wenn ich vorher schon weiß, dass ich keine 24h laufen kann. „Ausnahmsweise“ meint zum Beispiel das: Angenommen ich brauche einen Trainingswettkampf über 150 km als Vorbereitung auf mein Saisonziel. Dass ich den ausgerechnet am „Wunschwochenende“ in erreichbarer Nähe fände, wäre purer Zufall. Wenn sich dann ein 24-Stünder anböte, bei dem ich nach 150 km, nach vielleicht 17, 18 Stunden Schluss machen „müsste“, wäre das für mich vertretbar.
Mein läuferisches Glaubensbekenntnis schränkt die Palette der Veranstaltungen, die für mich in Frage kommen ein. Bewerbe, die mehr in Richtung „Durchschlageübung“ gehen, bei denen fast ausnahmsloses Laufen unmöglich ist, kommen nicht in Betracht. Zu dieser Kategorie gehört zum Beispiel der Zugspitzultra – als einheimischer Vertreter, wo phasenweise ein Weiterkommen den Einsatz von Armen und Händen erfordert … Das ist einfach nicht mein Ding. Auch dazu könnte ich mich im Ausnahmefall versteigen, aber nur wenn ich, wie oben dargelegt, eine „Trainingsdistanz“ oder „Trainingsdauer“ bräuchte. Was ich gleichfalls (für mich!) ablehne, sind Veranstaltungen, die mit animalischer Lebensgefahr verbunden sind. Es gibt da so Urwaldläufe, bei denen einem schon das eine oder andere giftige Tier begegnen kann. Dasselbe ist der Fall bei mehrtägigen Wüstenläufen, wo man diverse Gegenmittel im Laufrucksack und nachts im Zelt bereithalten muss. Das brauch ich echt nicht. Die Hitze, der Sand, die Steine, die Landschaft – das alles würde mich unheimlich reizen. Oh ja!!!! Und ich hielt mich auch schon im südamerikanischen Urwald auf, fühlte mich in diesem faszinierenden, ursprünglichen Terrain sogar sauwohl. Aber da war ich Tourist mit gewissen Annehmlichkeiten und unter der Obhut indigener Guides unterwegs. Dort ganz alleine auf mich gestellt zu joggen - zumal das gar nicht durchgehend möglich ist - wäre gleichfalls nicht mein Ding. Reizlos also für mich.
Weiterhin lehne ich Irrsinns-Veranstaltungen ab, zu der mir jetzt nur ein Beispiel einfällt: Marathon in der Antarktis. Für gut 10.000,- Euro wird man dort per Schiff hingekarrt, dann bauen die eine Strecke auf und dann läuft man … Das ist ökologisch, ökonomisch und in vielerlei anderer Hinsicht völliger Wahnsinn. Natürlich würde mich das reizen. Da war in der letzten Laufzeitschrift des Trägers dieses Forums ein Bericht … und dabei zog’s ganz verräterisch in meinen Beinen und in der Herzgegend … Zum Glück kann ich mir solche Eskapaden nicht leisten, so dass es mir leicht fehlt nicht wortbrüchig zu werden.
Geld ist überhaupt ein Argument, dasdie Auswahl meiner "Laufabenteuer" auch in Zukunft maßgeblich steuern wird. Badwater, die Hitze, das Extreme, das Verrückte … na klar würde ich gerne. Das ginge aber nur im Rahmen einer Urlaubsreise und die haben wir 2012 im Zusammenhang mit dem gescheiterten New York Marathon bereits „erledigt“. Bei dieser Gelegenheit war ich auch im Death Valley … übrigens bei weit unter 20°C tagsüber … Verrücktes Wetter!!!
Also was kann noch kommen? Es existieren noch viele läuferische „Aufgaben“, deren Schwierigkeits- bzw. Härtegrad ich eindeutig jenseits eines Spartathlon ansiedele, die mich folglich herausfordern könnten. Denn so liegen die Dinge für mich nun einmal: Wenn ich ein Ziel erreicht habe, richtet sich mein Trachten weniger nach einer Wiederholung – etwa, um die Laufzeit zu verbessern – als auf andere Ziele. Doch was könnte das sein? Etwa ein 48 h-Lauf? Reizt mich schon. Allerdings habe ich Aussagen von Finishern gelesen, man könne dergleichen ohne Pause nicht absolvieren. Wirklich nicht? Denn wenn nicht, wäre ein 48er nicht wirklich attraktiv für mich. Dann doch lieber eine mehrtägige Veranstaltung, 5, 6, 7 Tage in Folge und dabei jeden Tag jenseits Marathondistanz. Denn drunter tu’ ich’s nicht. Ist nicht überheblich gedacht oder gefühlt, aber da ist schließlich noch das langfristigste meiner Ziele, die absolute Zahl gelaufener Marathons und Ultras. Nicht, dass ich in dieser Hinsicht Weltbewegendes leisten könnte. Dazu fand ich zu spät, erst mit 48 Jahren, zum Marathon. Und ich mag auch nicht selber zweimal die Woche als Veranstalter auftreten und mit ein paar Nasen, die mich begleiten, meine Finishes in die Höhe katapultieren, wie ich das vom derzeitigen Weltrekordhalter gelesen habe. Für mich sollen es schon offiziell und von anderen veranstaltete Läufe sein.
Also was kommt nach dem Spartathlon – falls er gelingt? – Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Es wird sich „etwas“ finden. Und es muss keineswegs härter, mehr, weiter, länger sein als Bisheriges. Diesen Ehrgeiz empfinde ich eigenartigerweise nicht. Es wird so kommen, wie bisher immer: Irgendwann werde ich den Wunsch empfinden, dies oder das anzugehen. Und zwar im Rahmen meiner mutmaßlichen Möglichkeiten. So war es bisher immer. Und so wird es auch in Zukunft sein, so lange ich laufe.
Ich bin jetzt 62 Jahre alt. Kein Alter für einen Ultra. Wenn man Glück hat – und davon geht insgeheim wohl jeder aus, auch jene, die dann frühzeitiger passen müssen –, kann man in diesem Alter locker noch 10 Jahre draufsatteln, vielleicht mehr, wenngleich nicht mehr auf Strecken à la Spartathlon. Aus den „Unwägbarkeiten von Alter und Gesundheit“ ergibt sich für mich ein weiteres Langzeitziel: Ich will so lange irgend möglich Marathon laufen. Also mindestens Marathon. Ich will für mich herausfinden, wie lange das geht. Bedingung: Ich kann wirklich noch die komplette Strecke laufen und es besteht dabei keine Gefahr für meine Gesundheit. Micht treibt beileibe nicht der Ehrgeiz der älteste Mensch zu sein, der je einen Marathon gelaufen hat. Das werde ich schon deswegen nicht realisieren können, weil ich mir auferlege jeden Meter zu laufen. Wenn ich das nicht mehr schaffe ist Schluss. Wann wird das sein? Ich bin gespannt. Danach dann eben kleinere Brötchen und wohl auch nicht mehr in Wettkämpfen. Die verlieren dann für mich ihren Sinn ... oder nicht? Woher soll ich das jetzt schon wissen? Ist doch auch egal ...
Viel Text, wie bei mir üblich. Doch wenn jemand ehrliches Interesse bekundet, dann lass ich durchaus einen Blick auf das „Gespinst meiner Läufergedanken“ zu. Und das ist halt nun mal nicht ganz so einfach gewoben …
Alles Gute für dich
Gruß Udo