burny hat geschrieben:Jan, du bringst eine moralische Komponente hinein.
Vielleicht. Oder vielleicht habe ich versucht, mein eigenes Gefühl zu formulieren, wenn ich solche Vorhaben lese. Christian schreibt was von Respektlosigkeit, da mag was dran sein. Aber stimmt schon, die tatsächliche Frage, ob sowas möglich ist oder nicht, ist ja wichtiger, alles andere ist irgendwie Gefühlsduselei.
burny hat geschrieben:Man darf den entscheidenden Punkt nicht aus den Augen verlieren: Das Leistungsvermögen wird bestimmt und begrenzt durch das vorhandene Talent.
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Beides ist trainierbar, aber ein hoher Grundstock an Grundschnelligkeit muss bereits vorhanden sein, will man wirklich vorne mitlaufen. 1000 m ist Mittelstrecke und erster Indikator für Grundschnelligkeit. Vereinfacht und unspezifisch kann man sagen:
Wer 1000 m schnell laufen kann, hat Chancen, über 10 km schnell zu laufen.
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Wer 1000 m langsam läuft (über ein bestimmtes Tempo nicht hinauskommt), wird nicht schnell werden über 10 km.
Über 1000 m, erst recht über 400 m, hat man nach 1 Jahr Laufftraining bereits einen großen Teil seiner Grundschnelligkeit erreicht. Das bedeutet, dass man da schon mal schauen kann, wo man in etwa liegt, nicht in dem Sinne, dass man Werte für 10 km berechnen kann, aber wie groß etwa das Fenster sein könnte, in das man gelangen kann, wenn die Ausdauer entsprechend entwickelt ist.
Ich denke, dass da viel Wahres dran ist. Nach einem Jahr Training zu schauen, wie es mit der Grundschnelligkeit ausschaut. Für mich ist aber auch wichtig, dass man sich dann das Training während dieses Jahres anschaut. Wenn ich es mal auf mich beziehe: Ein Jahr Lauftraining, mehr oder weniger kontinuierlich ausgeführt, bestand daraus, langsam die Distanzen zu erhöhen und ab und an auch mal flotter zu laufen. Intervalle gab es, aber unstrukturiert. TDL gab es, aber die bin ich zu lasch gelaufen. Jedenfalls: Optimal war das Training nicht. Vor allen Dingen nicht im Hinblick auf die Verbesserung der Grundschnelligkeit, weil darauf nicht mein Fokus lag, geschweige denn ich Ahnung davon hatte oder auch nur wusste, dass es nötig ist, diese zu trainieren.
burny hat geschrieben:Nehmen wir das mal für 40 min, weil das mehr Läufer betrifft als 35 min. Wer 40 min laufen will, sollte nach 1 Jahr in etwa 4 min über 1000 m halten können, nicht viel darüber. Wer das nicht kann und noch nicht einmal über eine Stadionrunde, also 400 m, im 4 min-Tempo laufen kann, also 1:36 min, der hat null Chance, jemals 40 min zu erreichen. Die gleiche Betrachtung gilt für andere Distanzen. Wahrscheinlich ist die genannte Anforderung sogar zu schwach, sprich die 1000 m-Zeit müsste wohl noch besser sein, um in schnelle Bereiche vorzustoßen.
Ich tu' mich mit der formulierten Absolutheit ein bisschen schwer und muss da gleich an den Wandtattoo/Internetmotivationsbildchen-Spruch denken "Alle sagten 'das geht nicht' - da kam einer, der das nicht wusste und tat es.", albern, aber es hat irgendwie was, weil man entgegen der Wahrscheinlichkeiten etwas schafft und sich auch noch gegen die Masse durchsetzt oder sowas.
Wenn ich nach einem Jahr Lauftraining mein jetziges 10km-Tempo über 1km hätte laufen sollen, hätte ich das auf keinen Fall geschafft. Es kommt ja schon auch darauf an, wo man her kommt und wie man während dieses Jahres trainiert hat. Wenn null Fokus auf Verbesserung der Grundschnelligkeit liegt, wie soll man dann anhand dieser Faustregel ein klares Ergebnis, du sagst, er habe null Chance, über sein Potential erhalten?
burny hat geschrieben:Die Antwort auf deine obige Frage ist also simpel: Wenn er das Tempo nicht einmal über 400 m halten kann, dann ist die Chance auf 35 min gleich Null. Aber selbst wenn er das laufen kann: Es ist etwas anderes, sich Tabellen und Pläne anzuschauen und am grünen Tisch über Muskel- und Fettanteil zu grübeln, oder einmal das angestrebte Tempo, wenn auch nur kurz, am eigenen Körper zu erleben. Bisher entsteht der Eindruck, dass der Blinde von der Farbe redet.
Ich denke auch, dass wenn man vorher fragt, wie der optimale Muskelanteil eines flotten 10km-Läufers aussieht und sich anhand irgendwelcher Werte diesem anzunähern, man irgendwie das Pferd von der falschen Seite aufzäumt. Nicht die Zahlen machen einen flott, sondern das Training, das dann bewirkt, dass sich im Körper entsprechendes tut. Jemanden mit wenig Lauferfahrung mal spüren lassen zu wollen, wie sich sein vorgestelltes Zieltempo im jetzigen Zustand anfühlt, hat für mich aber was von Lektion erteilen, um mehr Demut vor dem Ziel zu entwickeln. Vielleicht wäre das wirksam. Ich vermute eher, nein.
burny hat geschrieben:Ich verfolge regelmäßig die Fußballbundesliga und wenn sich die Saison dem Ende nähert, erzähle ich meiner Frau, dass ab dem abgelaufenen Spieltag nur noch folgende Mannschaften Deutscher Meister werden könnten. Sie antwortet dann immer, dass das Quatsch sei, weil die Münchner weit vorne lägen und höchstens Dortmund eine Chance hätte. Dann erkläre ich ihr, dass aber rein rechnerisch alle ab Platz X es noch schaffen könnten, wenn nämlich die Bayern alle Spiele verlieren und Mannschaft Y alle gewinnen würde. Ihre Antwort lautet: Unmöglich! Genauso ist dein "unmöglich" oben einzuordnen.
Richtig, die Wahrscheinlichkeit dürfte sich wahrscheinlich wirklich in diesem Bereich bewegen.