Mein erster Ultra WK – der Rennsteiglauf 2017
Vorgeschichte:
Nachdem ich letztes Jahr im Herbst meine Marathon Ziel Zeit erreichen konnte, musste ein neues Hauptziel für 2017 her und wurde schnell gefunden, es sollte ein Ultra werden. Ein Arbeitskollege schwärmt schon seit Jahren vom Rennsteig und auch hier im Forum hat es Spaß gemacht die letzten Jahre die Berichte dazu zu lesen. Also wenn schon der erste Ultra WK, dann auch richtig und schon war ich angemeldet.
Über den Winter bin ich „viele“ Höhenmeter gelaufen, auch einige 30+ Läufe und vor kurzem zwei M auf Zeit. Aufgrund der Kniegeschichte und den Wettkämpfen (Tapering) waren es die letzten 12 Wochen nur 59 km im Durschnitt pro Woche, eigentlich viel zu wenig für so einen Ultra

, zumindest zwei Wochen mit ~100 WKm waren dabei.
Die Anreise:
Losgefahren bin ich direkt nach der Arbeit bei 28 Grad und Sonnenschein, gute 250 km lagen vor mir und trotz Klima war durch die direkte Sonneneinstrahlung schwitzen angesagt. Kurz vor Erfurt änderte sich das Wetter dann aber schlagartig, dunkle Wolken zogen auf und Blitze waren in der Ferne zu sehen, oh je und genau da fährst du drauf zu. Ein paar Kilometer später ging es dann mit 30-50 km/h über die Autobahn, Starkregen und Gewitter waren angesagt, große Wasserlachen auf der Fahrbahn, Aquaplaning vom Feinsten. Kurz nach Erfurt lies es dann glücklicherweise nach, es hatte sich deutlich abgekühlt.
Im Hotel eingecheckt, alle Laufutensilien sehr genau auf Vollständigkeit untersucht und top

, dieses Mal hatte ich tatsächlich nix vergessen! Dann mit dem Auto ein paar Kilometer in die Innenstadt, die Startunterlagen abgeholt und zum Festzelt. Dieses war restlos ausgefüllt, eine super Stimmung mit Musik. Der Geruch von Bratwurst zog mir in die Nase, in dem Augenblick war dann auch der geplante Italiener Besuch passe, auch auf die Knödel habe ich wegen dem Sitzproblem verzichtet, schon wieder so ein Rennsteig Fauxpas, ich weiß, nächstes Jahr ... War dann noch eine ganze Weile in der Halle und nach einem Köstritzer und zwei leckeren Bratwürsten ging es wieder zurück ins Hotel.
Der Morgen:
Bin relativ spät ins Bett was aber kein Problem war, ab 3:00 Uhr war ich wach und konnte nicht mehr schlafen. Die Bratwürste lagen mir noch im Magen und ich war froh, dass ich kein Frühstück genommen hatte, hätte nichts runter bekommen. Also hatte ich nun genug Zeit für eine gründliche Laufvorbereitung, abkleben, einschmieren, Schuhe fest binden, Rucksack packen usw. Dabei alles richtig gemacht, bzw. nichts vergessen, nach dem Lauf keine Blasen oder Abschürfungen!
Dann ging es los zum Start, bereits nach dem Aussteigen aus dem Auto und auf dem Weg zum Marktplatz hat sich die gewisse Stelle am Knie gemeldet, die letzten Tage war dort gar nichts zu spüren … Frust kam kurz auf, kann doch nicht wahr sein

. Egal, kannst es nun eh nicht ändern und so stand ich dann 10 Minuten vorm Start am Startbogen, nicht ganz vorn, aber in der Nähe. Die Wege solcher Läufe sind spätestens im Wald meisten schmal, kenne ich schon und so war es dann auch. Die Stimmung war gut, dass die Stimmung nach dem Festzelt am Vorabend und dem Start um 6:00 Uhr nicht super war, konnte ich irgendwie nachvollziehen. Hatte einen kleinen, leichten Rucksack mit wo alles Wichtige drin war, samt Handy und genug Geld für ein Taxi, hoffte aber dieses nicht zu brauchen.
Der Lauf:
Der Startschuss fiel und es ging eine Weile durch die Gassen von Eisenach. Da dieses mein erster profilierter Ultra war, hatte ich natürlich auch keinerlei Vorstellung was die Renntaktik angeht. Also habe ich einfach eine M "Taktik" genommen, bis zur M Marke wird es funktionieren, danach wird es schon irgendwie weiter gehen. Es sollte im Durchschnitt also eine Pace zwischen 5:30-5:40 werden, bis zur Halbzeit hat dieses sogar ganz gut gepasst.
Kaum war Km 1 passiert, kam auch schon die erste Steigung und es ging raus aus der Stadt, so schnell hatte ich dieses nicht erwartet. Nun wurde die Strecke enger, das Überholen begann und plötzlich war da eine junge Dame vor mir, „dkf“ vom Nachbarfaden. Hab kurz überlegt ob ich sie anspreche, sie wirkte sehr konzentriert und sich mit meinem Forum - Namen „vorzustellen“ ist auch nicht so ganz einfach, kenne ich bereits

. Einfach vorbeilaufen wollte ich dann aber auch nicht, also habe ich sie „angequatscht“. Nach ein paar Worten haben wir uns gutes Durchkommen gewünscht und schon fing der Thüringer Wald an.
Bei Km ~2 flog ein Hubschrauber ein paar Meter neben dem Läuferfeld her, wo gefilmt und fotografiert wurde, da war kurz Stimmung angesagt. Wer bis dahin noch nicht warm war, wurde es dann ganz sicher, zwischen Km 3–5 kam die erste lange Steigung mit 130 Höhenmetern. Aber man war ja ausgeruht, es ging voran. War froh die dünne Wind Jacke nicht angezogen zu haben, spätestens jetzt hätte ich diese weggepackt. Es waren geschätzte 8-10 Grad, bewölkt und wenig Wind. Beim ersten Verpflegungspunkt (Km 7)habe ich mir ein Wasser geschnappt, hatte einen trockenen Mund. Also wenn man schon nicht frühstückt, kann man ja wenigstens vorher was trinken

… vergessen … ich schiebe es einfach mal auf die Uhrzeit, zu früh für mich.
Laut Streckenprofil ist bei Km 7,4 die Einmündung auf den Rennsteig, lässt sich dort gut laufen. Der Weg ist größtenteils aufgeschüttet, kein Schlamm oder Pfützen. Es gab auf der gesamten Strecke aber auch Abschnitte quer durch den Wald (Wurzeln), steinige Abschnitte, oder Schotterwege mit größeren Steinen, wo man sich richtig konzentrieren muss. Die Km 7-20 (~430 Hm) liefen so vor sich hin, mal hoch, dann wieder runter, das Feld zog sich langsam auseinander, man konnte nun frei laufen. Die Pace der gelaufenen Km lag zwischen 4:55 – 6:07, bergab habe ich versucht Tempo zu machen, zumindest wo es von der Strecke her ging.
Der erste steile Anstieg kam bei Km 20, zumindest war das der Punkt, wo 93% HFmax (Ø78%) erreicht wurde. Ein steiler Abschnitt, den man eigentlich nur gehend bewältigen „kann“. Bei leichten / mittleren Anstiegen habe ich durch meine kurzen Beine einen Vorteil, beim Gehen sieht das dann allerdings ganz anders aus. Da werde ich prinzipiell überholt, wo anderen Läufer einen Schritt machen, muss ich zwei machen. Also hoch gegangen, so schnell es halt ging, die Zeit wurde genutzt um die Arme mal auszuschütteln. Noch 5 Km zur Spitze, da der Puls so weit oben war, begann sich die Strecke nun zu ziehen.
Bei Km 22,5 begann dann der Anstieg zum Großen Inselsberg, 185 Hm verteilt auf 3 Km, auch dort war noch mal ein Anstieg dabei wo man gehen „musste“. Was am Anfang der Strecke noch gut machbar war, wurde jetzt schon übel. Die Aussicht, dass es gleich lang bergab geht und zumindest die Höhenmeter gute 16 Km danach ausgeglichen sind, half mir dabei mental sehr. Die Km 24/25 gingen in 7:41/7:19 weg, die ersten Ausreißer. Der höchste Punkt des Gr. Inselsberg’s war in Sichtweite, als mir der Nächste aus dem Nachbarfaden ins Auge fiel, der Rumlaeufer (Eckhard). Ein Blick auf die Uhr, ich wusste von seinem Zeit Ziel von sub 7, sah gut aus! Nach einem kurzen Plausch haben wir uns alles Gute gewünscht und schon begann der Abstieg, gute 1,3 km (~190 Hm) bergab.
Der Abstieg war teilweise richtig übel, eine „Treppe“ mit nassen Holzdielen, oder es ging so steil runter, dass nur Trippelschritte möglich waren. Den Tag vorher hatte es stark geregnet, so war es auch noch rutschig, die Gefahr eines Sturzes bestand jederzeit. Überstanden, mit der nun erhofften 10 km halbwegs geraden Strecke laut Foto vom Höhenprofil lag ich falsch, es ging weiter schön hoch und runter, die Zeiten schwankten nun zwischen 4:51 bis 6:15, lag damit aber noch gut in meiner vorgenommenen „M“ Zeit. Bei Km 27 gab es den nächsten VP und nun wechselten die Getränke von Wasser zu Apfelschorle, oder Cola. Normalerweise beginnen sich bei mir so ab Km 28 die Beine zu melden, dieses Mal komischerweise gar nicht, nur schwerer wurde diese immer mehr.
„Genau“ bei der Streckenhälfte (Km 37,5) gab es den nächsten, größeren Verpflegungspunkt mit allen möglichen Sachen. Ich glaube dort hat eine Kapelle gespielt, bin mir da aber nicht mehr so ganz sicher, kurz vor dem VP hatte mich der körperliche und mentale Hammermann voll erwischt . Die letzten 10 km hoch und runter hatten Spuren hinterlassen, ab dem Zeitpunkt war ich jedes Mal richtig froh in der Ferne Musik zu hören, bedeutete, dort ist ein Verpflegungsstand! Jedenfalls war mir ab da jegliches Zeit Ziel egal, das Haupt Ziel wurde reduziert auf: „Durchkommen!“.
Also in Ruhe umgeschaut was es dort so alles gab, vielleicht sollte ich nun ja doch mal was essen … sind ja
nur noch 37 Km. An den auch vor Ort laut angepriesenen „Schleim“ habe ich mich nicht ran getraut, dabei aber etwas anderes entdeckt, Heidelbeersuppe. Für meinen Geschmack etwas zu süß, ansonsten aber superlecker

! In Ruhe ausgetrunken, noch eine Cola geschnappt und weiter ging es … 20 Meter … dann kam der nächste, steilere Abschnitt … Super! … gehen war wieder angesagt. Der Km ging mit 8:07 weg, ab dem Zeitpunkt wurde ich auch deutlich langsamer, es waren dann öfters 6:xx Zeiten dabei.
Nach weiteren 3 Km (Km 41) kam bereits der nächste Getränkestand, wieder in Ruhe was getrunken und schon kam der nächste Anstieg. Im normalen Training würde ich solche Steigungen locker hoch laufen, zu dem Zeitpunkt hatte ich da aber keinerlei Bock mehr drauf. Zumindest hat mich beruhigt, dass es da nicht nur mir so ging, die meisten waren da gehend unterwegs. Wurde dort vielfach überholt, der mentale Hammermann trommelte weiter auf mich ein

und von hinten kam jemand regelrecht angeflogen und war nach ein paar Minuten nicht mehr zu sehen, der „Rumlaeufer“. Ein weiterer Blick auf die Uhr, sieht gut aus, er hat sich seinen Lauf richtig eingeteilt

!
Km 43 (9:21) war mit 104 Hm der höchste Kilometer, kann ich mich nicht mehr dran erinnern, muss ich geistig abwesend gewesen sein

. Es ging dann ein paar Km leicht bergab, war mal kurz im Busch und der Hammermann verschwand zum Glück wieder, nur die schweren Beine blieben. Die Sonne kam nun öfters mal raus und ab und an konnte man nun auf der Straße laufen, eine Wohltat für die Füße. Es lief nun wieder, wenn auch langsam, es kam wieder gute Stimmung auf und die schöne Natur samt Nebelschwaden tat ihr Übriges. Nun gab es bei jedem VP Standpausen beim Trinken, dort war alles liebevoll hergerichtet mit diversen Schnittchen, Wurst, Obst. etc. Keine Ahnung warum, ich hab zur Zitronenscheibe gegriffen, herrlich sauer

.
Sehr schön beim Rennsteig ist, dass man so gut wie von jedem an der Strecke angefeuert wird, egal ob Helfer, PolizistIn, oder Wanderer! Schön finde ich auch, dass man beim Lauf einfach mal so von einem anderen Läufer angesprochen wird, z.B. „Klasse! Weiter so! , vielleicht sah ich aber einfach auch nur total fertig aus

. Bis zum Grenzadler (Km 54,7) bei Oberhof gab es keine Vorkommnisse, dort hätte man die Möglichkeit mit offizieller Zeit seinen Lauf zu beenden. Aber mal ehrlich, wer bis dorthin kommt, wird auch die nächsten 20 Km noch irgendwie schaffen (Verletzte natürlich ausgenommen)!
Bei dem VP gab es für mich ein Highlight, meine erstes Stück Banane, dass ich jemals bei einem Lauf gegessen habe

. Noch eine Cola + Apfelschorle geschnappt und langsam gehend in Ruhe getrunken, die 8:46 für den Km waren mir total egal. Ein nächstes Ziel zur Motivation war schnell gefunden, in 10 Km gibt’s Bier

. Ich hoffe von den steileren Anstiegen danach gibt’s keine Bilder, bin dort wie Quasimodo hochgestapft … tief gebückt, Arme weit baumelt vor mir, leidender Gesichtsausdruck

. Aber auch das war mit total egal, es war entspannend und machte das Anlaufen danach einfacher.
Kurz vorm Gipfel des höchsten Punktes der Strecke, dem Großen Beerberg, sprach mich ein Läufer an ob ich denn gewusst hätte wie profiliert der Lauf eigentlich ist und dass es ihm nun
wirklich reicht. Konnte ihm nur dasselbe erwidern und zumindest soweit etwas aufmuntern, dass die letzten 10 Km wohl nur bergab gehen (was so auch nicht ganz stimmt, wie sich später herausstellte).
Bei Km 64,8 gab es dann das versprochene Bier zum Wohl auf Tommi

und keine 6 Km später das Bier für mich. Die letzten Km gingen zum Großteil bergab, teilweise auf plattgedrückter Wiese, wieder eine Wohltat für die Füße. Auf den letzten 8 Km kann man noch mal etwas Tempo machen, das Bier hat beflügelt, da waren dann auch wieder mal 5:0x Zeiten dabei. Trotzdem zogen sich diese Km wie Kaugummi, wir sind dort dann auf die 17 Km Wanderer aufgelaufen, die auch fast alle jeden Läufer energisch angefeuert haben, vielen Dank dafür!
Endlich in Schmiedefeld angekommen, ein paar Wege noch durch die Stadt und es ist fast vollbracht. Der Zielbogen ist in der Ferne zu sehen, eine längere Gerade und an beiden Seiten Zuschauer die einen anfeuern, das beflügelt noch mal richtig, sogar ein kurzer „Sprint“ ist noch drin … der Lauf durch den Bogen … GESCHAFFT!!!

… und ein dickes Grinsen im Gesicht.
Normalerweise verschwinden bei mir Medaillen gleich in den Schieber, diese ist aber etwas Besonderes. Nicht nur wegen dem bestandenen Lauf allgemein, diese ist golden und poliert, viel zu schön für den Schieber

.
Noch ein Bier + Bratwurst im Festzelt und mit dem Bus zurück nach Eisenach. Beim gesamten Lauf war die Stelle am Knie spürbar, bergab besonders. Im Ruhezustand fing dann das Knie an sich zu melden und wurde schlimmer, auf Party hatte ich da nicht wirklich Lust.
Fazit:
Persönlich habe ich viel aus dem Lauf mitnehmen können, eine sehr interessante Erfahrung. Zum Beispiel zu was der Körper in der Lage ist, wenn er denn „muss“. Auch mental, wenn man so etwas schafft, kann man alles schaffen! Hatte zwar keinen Hungerast, den Hammermann bei Km 37 hätte ich aber vermutlich durch ein erzwungenes Frühstück vermeiden können, immerhin war ich zu dem Zeitpunkt schon 3,5h unterwegs.
Das nächste Mal auch eine ordentliche Vorbereitung, da geht zeitlich noch was, schon wenn ich daran denke, dass die Pausen an den VP insgesamt mindestens 10 Minuten gekostet haben. Bei dem Lauf habe ich diese aber auch wirklich gebraucht

.
Rennsteig ich komme wieder! Mal schauen wie es dieses Jahr so weitergeht (auch orthopädisch), eventuell nächstes Jahr das Double, wie es „dkf“ dieses Jahr vorhat („Rennsteiglauf“ / „thüringenUltra“), man muss sich ja neue Ziel setzen

.