Banner

Geheimtipp: "King of the Castle", Borrowdale

Geheimtipp: "King of the Castle", Borrowdale

1
Diesen Lauf wollte ich euch nicht vorenthalten. Ich war im letzten Herbst in der Jugendherberge Borrowdale im englischen Lake District; da liegt ein Buch aus mit der Streckenbeschreibung und den sehr lesenswerten Kommentaren der bisherigen Läufer, die sich das angetan haben. Ich hatte vor, eine Woche später an einem 10K Berglauf im englischen Peak District teilzunehmen, also habe ich mir eine zusätzliche Berglauf-Trainingseinheit spontan gegönnt ... mehr davon später!

Der Lauf ist extrem kurz (2,5km) und auch extrem brutal (200HM des bösartigsten Schotters, der mir je unter die Sohlen kam). Er findet jedes Jahr am 2. Sonntag im Januar im englischen Borrowdale statt; es gibt keine Website. Er ist aber in der Szene nicht gänzlich unbekannt; der Rekord wird gehalten von einem australischen Ex-Trailrunning-Weltmeister, der dafür extra angereist ist!

Der Lauf entstand, als die Mannschaft der Jugendherberge sich einmal nicht darüber einigen konnten, wer einen besonders ungeliebten Job machen sollte. Also wurde kurzer Hand ein Rennen veranstaltet: Start mit einer Hand an der Bar der Jugendherberge, dann 1,5km von der Jugendherberge den Fluss runter. Danach steil den Castle Crag rauf, und anschlagen auf dem Kriegsdenkmal auf dem Gipfel. Es ist nicht überliefert, wer gewonnen hat in welcher Zeit, und wer den Müll sortieren musste.

Da es in 2 Stunden dunkel sein würde, hatte ich keine Zeit, mir die Strecke vorher in Ruhe anzuschauen. Also musste ich mich mit der Wegbeschreibung im Buch begnügen, und die las sich etwa so:

"Von der Bar aus laufe zum Eingangstor. Wärme dich dann auf mit einem landschaftlich sehr schönen Jog am Fluss lang, bis zum ersten Gatter. Hier nicht links, sondern geradeaus über eine Weide, bis du einen zweiten Weg kreuzt. Links bergauf in den Wald; dieser hört bald auf, und du siehst steilere Weiden vor dir. Rase diese hoch, dabei zwei Trockenmauern leichtfüßig überspringend, bis du auf den Schotterhaufen vom alten Schiefer-Bergwerk triffst. An der linken Seite ist dieser erkletterbar (Wegspuren); sprinte glücklich den Schotterhaufen hoch, bis du am Gipfelplateau bist. Ein letzter Spurt, und du schlägst am Kriegsdenkmal an".

Das klang schon unterhaltsam, und 2,5km sind ja gar nichts, also freute ich mich richtig darauf. Der Rekord liegt übrigens bei 12:40; ich dachte, ich würde die 20 Minuten schon unterbieten können; da hatte ich also mein Ziel.

Also eine Hand an der Bar, meine Freundin hat ein Foto gemacht, ich habe die Uhr gestartet und rannte los. Ich bin zum Tor gesprintet, und dann wie beschrieben am Fluss lang. Steiniger weg, immer leicht ansteigend, aber ich war froh über jeden Höhenmeter, den ich nicht im Schotter verbringen musste. Nur passte die Beschreibung nicht so genau; nach 1,2km immer noch kein Gatter, es gab Weggabelungen, die Wege wurden immer unscheinbarer. Als ich nach 1,5km mich im sehr steilen und pitschnassen Moor befand, mit keinem Zeichen von irgendeinem Crag in Sicht, wusste ich, dass ich mich schon am Anfang verlaufen haben muss.

Also zurück zu meiner Freundin an der Bar gejoggt: "Wow, du warst schnell! Geil!" Kurze Erklärung, und hysterisches weibliches Gelächter. Inzwischen war der Barmann eingetroffen. Der hat mich aufgeklärt: es gibt zwei Tore zur Jugendherberge, und ich hatte natürlich das falsche genommen. Er hat auch nebenbei erwähnt, dass seine Bestzeit bei 16:00 stand, und dass der Lauf "a lot of fun" sei.

Also gleich der zweite Versuch; aufgewärmt war ich auf jeden Fall. Wieder eine Hand an der Bar, wieder ein Foto; das Versprechen eines Pints bei der Rückkehr, und los. Diesmal habe ich das richtige Tor erwischt.

"Wärme dich dann auf mit einem landschaftlich sehr schönen Jog am Fluss lang"

Du läufst auf einem sehr schmalen abschüssigen Matschpfad voller großen Steinen und Wurzeln; rechts fallen die teilweise unterspülten Ufer senkrecht 1-2m ab zum Fluss, und links ist ein rostiger Stacheldrahtzaun. Ich hatte mir hier einen 4-er Schnitt erhofft; mehr als ein 5:30er war für mich nicht drin. Das ging gut los.
Der Weg war gut zu finden; die ersten Weiden und der Wald waren steil, aber nicht übermäßig so. Und den Gipfel konnte ich schon sehen, 200m über mir.

"...du siehst steilere Weiden vor dir. Rase diese hoch, dabei zwei Trockenmauern leichtfüßig überspringend"

Steil war kein Ausdruck; dabei waren sie natürlich nass, rutschig, und mit Kuhfladen übersät. Schon hier ging ich nur noch und bildete mir ein, ich würde Kraft für den Schotter sparen. Die zwei Mauern waren in einem Meer von Kuhscheiße und Matsch eingebettet, das mir die Schuhe fast von den Füßen saugte; trotzdem habe ich mich bemüht, für die zuschauenden Dohlen möglichst leichtfüßig zu wirken. Und dann kam der Schotterhaufen.

"Sprinte glücklich den Schotterhaufen hoch"

Ich hab´s versucht, ganz ehrlich, aber es ging nicht. Ich glaube nicht, dass ich je mehr Laktat in den Oberschenkeln hatte. Drei Schritte vor, zwei zurück, beide Schuhe voll mit scharfem Splitt ... aber irgendwann war ich oben, hab mich die 50m übers Plateau noch geschleppt, und auf die Uhr gedrückt. 21:30 ... ein Pace von ca.14:00 für den letzten Kilometer! ... und ich war trotzdem glücklich. Und das Pint (und die, die folgten) war eines der Besten. Kann ich also sehr empfehlen, falls ihr mal im Lake District seid! Einen Eindruck vom Rennen kriegt ihr bei YouTube hier.(Mein Lieblingsmoment ist ab ca. 00:55, konnte ich sehr gut nachempfinden!)

Die Bar ist übrigens in meinem Avatar zu erkennen; das war das 1. Startfoto.

Happy running,
Ben
Antworten

Zurück zu „Laufberichte“