Für so ein unspektakuläres Thema hatte ich nicht mit so einer Post-Explosion gerechnet. In einem Läufer-Forum kann es doch kein Sommerloch

Nachdem die Meinungen jetzt konvergieren und sogar die Grabenkämpfe abgenommen haben

komme ich der Bitte nach dem Fazit nach.
Vorher möchte mich entschuldigen, denn ich bin sicherlich einigen zu nahe getreten. Ich habe die unangenehme Eigenschaft, noch vor dem Einschalten des Verstandes zuzubeissen, wenn ich
vermute, dass mich jemand angegriffen hat.
Zurück zum Ausgangspunkt, also Beitrag 1...
RioLouco hat geschrieben:Zum Laufstil sind in letzter Zeit einige Threads gelaufen, die immer wieder Interessantes, Wiedersprüchliches, Fundiertes, Fragwürdiges und auch schlicht Falsches enthielten.
War hier auch nicht anders

. Immerhin haben wir es geschafft, einen einzelnen Aspekt halbwegs zu quantifizieren.
RioLouco hat geschrieben:Als Ingenieur sehe ich mich geradezu genötigt, auf provozierende Art einige Fakten aus der Physik des Laufens beizusteuern und hoffe, dass die Threads zum Denken anregen, und lade Euch zur Diskussion ein. Gleichzeitig bitte ich Euch, die Threads nicht mit Bekleidungsthemen, Abnehmtipps oder sonstigem zu verwässern, ja?
Manchmal ist etwas Rechnung nötig. Wers nicht nachrechnen kann oder will, muss es halt glauben. In diesem Fall bitte ich aber darum, ebenfalls nicht zu verwässern.
Das hat geklappt. Sowohl die Provokation

als auch das Denken und die lebhafte Diskussion. Es gab (fast) keine Posts zu Gewichts- oder Bekleidungsfragen...
RioLouco hat geschrieben:These: Der Luftwiderstand existiert, aber er spielt beim Laufen (fast) keine Rolle.
Dazu folgende Überlegung: Wenn der Luftwiderstand eine große Rolle spielen würde, würde leichtester Gegenwind unsere Laufzeiten völlig in den Keller ziehen.
Ich gebe zu, das
fast war etwas schwammig. Ich halte es aber so: wenn schlüssig gezeigt werden kann, dass ein Effekt sehr klein gegenüber anderen ist, kann ich ihn vernachlässigen bzw. mich anderen, wichtigeren Themen zuwenden. Die Lauftechnik und die auftretenden Effekte sind komplex und ich bin dankbar für jeden Aspekt, den ich unter den Tisch fallen lassen kann. Das Tolle ist, jetzt muss ich garnicht mehr genau rechnen, die Diskussion, ob der cw-Wert eines Läufers nun 0,7 ist oder 0,9, ist eigentlich überflüssig, wenn es mir um die Lauftechnik geht.
RioLouco hat geschrieben:Beleg
Ich nehme die Laufgeschwindigkeit mal mit 12km/h an (5min/km). Würde ein gleich starker Gegenwind herrschen (das ist etwa Windstärke 2, also eine leichte Brise), vervierfacht sich bereits die Kraft, die die Luft auf uns ausübt (quadratische Abhängigkeit). Wäre der Luftwiderstand eine entscheidende Größe, müsste sich die 10km Zeit also schon bei einer leichten Brise von vorn um Größenordnungen verändern. Ich schätze die objektive Beeinträchtigung auf weniger als 30 Sekunden. Das heisst aber im Umkehrschluss, dass wir ohne Luftwiderstand (also mit 1/4 weniger Gegenkraft) gerademal 7 Sekunden (!!!) schneller wären. Damit kann der Luftwiderstand keinesfalls einen bedeutenden Einfluss auf die Laufgestaltung oder Technik haben.
Alles, was hier steht, hat aus meiner Sicht Bestand. Die 30 Sekunden in meinem Beitrag sind deutlich als
Schätzung ausgewiesen, ich bin offen für andere Werte. Dass allerdings bei einem Rückenwind mit Laufgeschwindigkeit (das heisst, der Läufer bewegt sich genausoschnell wie der Wind) der Zeitgewinn genau ein Viertel des Zeitverlustes bei gleichstarkem Gegenwind ausmacht, leitet sich direkt aus der Physik ab (bei doppelter Windgeschwindigkeit ist die Luftkraft viermal so hoch). Wenn jemand also meint, der Zeitverlust bei leichtem Gegenwind sei eine Minute, kann er für sich von 15 Sekunden ausgehen, die er ohne Luftwiderstand schneller wäre.
Das Beispiel Möllemann ist allerdings viel besser und es wurmt mich, dass ausgerechnet das beste Beispiel von einem Physiker kommt

, das sollte doch eigentlich Stärke der Ingenieure sein. Aus dem Beispiel konnten wir den Luftwiderstand eines Läufers bei 12 km/h auf etwa 2,5 Newton bestimmen, und das mit nur einer trivialen Formel, und die nötige Körpervorlage auf 0,2 Grad. Die Körpervorlage wird uns im nächsten Beitrag wieder begegnen...
Für diejenigen, die Zahlen lieben: Aus Leistung = Kraft * Geschwindigkeit folgt direkt, dass man bei 12km/h (also 3.33m/s) etwa 8.3 Watt zur Überwindung des Luftwiderstandes verbraucht. Aus Energie (oder Arbeit) = Leistung * Zeit folgt, dass man über die 50 Minuten eines 10km Laufs 25 Kilowattsekunden (=KJoule) draufgehen, nach Umrechnung etwa 6 Kcal.
Zur Plausibilitätsprüfung können wir den cw-Wert jetzt übrigens
berechnen: Umstellung der Gleichung für den Luftwiderstand liefert
cw = 2*F / (ro*A*v*v)]hier[/url] genannten Wert von 0,78.
RioLouco hat geschrieben:Anders wird das erst bei starkem Gegenwind ab etwa Stärke 5 oder 6. Der hat dann aber auch über 30 km/h und die Kraft steigt damit etwa auf das 20-fache (!) der Situation bei Windstille. Hier würde ich mit einer Abweichung der 10 km Zeit um wenige Minuten rechnen.
Das wurde in zahlreichen Posts später wiederholt und scheint daher richtig zu sein.
RioLouco hat geschrieben:Fazit
Bei jeglichen Betrachtungen über den Laufstil können wir das Thema vernachlässigen, ebenfalls bei der Frage, ob Laufen auf dem Laufband wohl anders ist auf dem Asphalt.
Gilt, aber jetzt wissen wir es präziser:
Ein Läufer braucht eine durchschnittliche Vorlage von 0,2 Grad, um den Luftwiderstand zu kompensieren. Das Thema mit dem Laufband hat leider etwas verwirrt und dem Thema nicht geholfen.