So, dann wollen wir mal:
Tokyo Marathon 2019
Zum M kam ich wie die Jungfrau zu Kinde. Niemand rechnete mehr damit, dass ich tatsächlich noch einen Startplatz erhalte. Vor 19 Wochen bekam ich den Anruf, dass wir für deutlich höhere Konditionen als im Net beschrieben, den Startplatz übernehmen können. Was hatten wir nicht alles getan, um den Vorletzten der Big Six Majors für mich, doch noch laufen zu können. Selbst Österreich und Indien wollten mir keinen Startplatz verkaufen. Wir haben es tatäschlich versucht.
Wir wohnen direkt im Startgebiet vom M und konnten gestern und in der Nacht verfolgen, wie die Aufbauten liefen. Der Weg zum Start war also mal nicht weit. Leider ist dieser M kein Rundkurs und so mussten wir heute durch die halbe Stadt, vom Ziel nach Hause.
Seit Tagen schauen wir uns schon alle Wetter-Apps an und die Hoffnung schwand von Tag zu Tag mehr. Gestern 10 h Sonne satt und heute ging der Regen los. 7:15 Uhr direkt, als ich aus dem Hotel ging. Wer Sonne im Herzchen hat, kann auch den Regen ab.
Uns war nicht so klar, wie ich heute Morgen loslaufen sollte. 4° und Regen satt. Wat ziehste an. Da unsere Koffer wieder da waren, hatte ich eine reichliche Auswahl.
Ich entschied mich für kurze Hose und Laufrock. Da ich in den letzten Tagen etwas zunahm, rutschte das Röckchen noch etwas höher als sonst. Da stehe ich drüber, ich wusste ja, dass nach dem M alles wieder passen würde.
Auf der Messe bekamen wir das offizielle T-Shirt, kurzer Arm. Drunter dann ein Funktionshemdchen und ein Single-Shirt vom Verein, also Sommer, kurz/kurz. Wir gingen 7:15 Uhr los und mein Mann gab mich direkt 7:17 Uhr zur Einlasskontrolle ab. Heute wurden Armband, Startnummer und Foto, welches auf der Messe angefertigt wurde, verglichen. Es passte und ich begab mich in den Bereich des Startes. Ich war im Startblock G. Da hatte ich wohl einen kurzen lichten Moment, offenbar gab ich die M-Zeit von HH an. So war ich etwas entspannter, was die Cut-off Zeiten anbelangt. Ich wartete dann also im Startblock G und es regnete und regnete. Meine Schuhe waren zu Beginn des M patschenass. Kurz vor dem M wurden 3 Lieder von Kindern gesungen. Wer mich kennt, weiß, wie mein Herzchen bei Kindern höher schlägt.
Dann wurde die Nationalhymne gespielt und los ging es für mich gegen 9:18 Uhr.
Ich hatte es hier noch nicht berichtet, mein MRT-Befund ergab vor 3 Monaten als mir die Kniescheibe rausrutschte, dass ich erneut im Innen- und Außenmeniskus Risse erlitten habe, neben dem Ganglion und Wasseransammlungen im Knie. Der Orthopäde konnte nicht glauben, dass ich damit laufe. Er wollte das 3. Mal operieren, ich lehnte ab. Nun hatte ich jedoch überhaupt keine Ahnung, ob mein Knie heute die Strecke schafft. Vielleicht ist es so für euch verständlicher, warum ich mich selbst mit 5:30 h noch wie Bolle gefreut hätte.
Zum M selbst:
Zuerst geht es ca. 5 km zumeist leicht abwärts. Nur um die paar Höhenmeter ergänzt, wo wir wieder hochsocken mussten. Ich lief und merkte, dass ich heute recht gut drauf war, also frohen Mutes weiter. Unterwegs traf ich einen Barfussläufer und dies bei 4 ° und Regen ohne Ende. Ebenso lief einer mit solch Latschen, die Gecko oft trug. 2 sehbinderte Läufer liefen mit Guide. Ein Läufer mit Down-Syndrom war auch mit Begleitung unterwegs. Ich habe mich unheimlich für ihn gefreut, dass er trotz Behinderung, selbst M laufen konnte.
Die Stimmung war großartig unterwegs, trotz Regen satt. Man hat durch die Regenschirme nicht viel gesehen, aber die Zuschauer gingen am Straßenrand mit und freuten sich richtig, wenn man abklatschte oder gewunken hat. Der Kurs selbst war gewöhnungsbedürftig und verlief die meiste Zeit, dass man entweder die schnelleren Läufer auf der anderen Straßenseite sah oder man selbst zu den schnelleren Läufern
gehörte, wobei dann die langsameren Teilnehmer entgegenkamen.
Auf km 26 - 27, bei mir war es der km 11, kamen mir die Eliteläufer entgegen. Eine Stimmung war das, herrlich. Die grätschten die Schritte. Es war eine Freude zuzuschauen.
An der Strecke gab es einige Sehenswürdigkeiten zu betrachten. Der Toyio Tower, Tempelanlagen, Kaiserpalast, verschiedene Museen und wunderschöne gepflegte Parkanlagen. Ich nahm an Eindrücken mit, was ging.
Die Verpflegung habe ich nicht angerührt. Bananen werden in Tokyo zum M halbiert und mit angeschnittener Schale an die Läufer gereicht.
Ich hatte im Vorfeld gelesen, was alles angeboten wird. Da mir das alles zu risikoreich war, beschränkte ich mich auf's Wasser. Die Zeit vergang und viele Läufer gingen dann schon ab km 25. Vielleicht waren sie auch alle nur zu warm angezogen. Sehr viele Läufer haben ihre Regenbekleidung nicht abgelegt und liefen dann auch noch mit Plastikmänteln. Drunter dann lang/lang. Die müssen gesaftet haben, ohne Ende.
Die Cut-off Zeiten waren an den dafür angekündigten Plätzen sehr gut zu sehen. Es stand die orginale Zeit und wann cut-off wäre. Als ich bei bei den 20gern Km war, sah ich tatsächlich auf der anderen Seite die "Lumpenbusse", die die Läufer einsammelten, weil sie ihre Zeiten nicht schaffen. 2 Busse kamen mit einzelnen traurigen Läuferleins schon beim Cut-off 9,9 km. Ich dachte nur immer, gehts mir gut. Heute läuft es. Die Strecke in Teilen gehend zurücklegen, wollte ich mir nicht antun. Und gut so. Also quälte ich mich heute laufend. Lief.
Bei km 40 brach ein Läufer vor mir zusammen. Sofort kamen 3 Ärzte und kümmerten sich. Das muss für ihn verdammt hart gewesen sein. Er war Ausländer und hat mit Sicherheit auch einiges versucht, um an den Startplatz zu gelangen.
Mich sprach bei km 37 ein Arzt an, ob es mir gut ginge. Ich meinte dann, ich wäre nur müde. Er akzeptierte und verschwand.
Insgesamt war der M für mich einer der Härtesten, die ich je gelaufen bin. Ich hatte für meine Verhältnisse nicht viel Vorbereitung und auch das hohe Fieber bremste mich 2 Wochen aus. Aber losgelaufen, eingesackt und mit 5:10:04 angekommen. Ich war und bin einfach nur glücklich.
Mein Mann hatte heute wieder "Damenprogramm" und stand an der Laufstrecke mit den anderen Partnern, die auf Familienangehörige treffen wollten. Bei km 14 verpassten wir uns zwar, aber km 30, da sahen wir uns. Foto und Küßchen und weiter ging es und später dann ab durch's Ziel.
Die Wege zu den Klamotten und weiter zum Umziehen sind unendlich lang. Ich habe gefroren, es war kaum auszuhalten. Leider konnte ich nur noch watscheln. Putzig war, dass eine Ampel, wo die Straße zu den Säcken mit Anziehsachen noch gesperrt war, auf Rot stand. Ein Helfer hielt uns an, wir mussten echt warten auf Grünschaltung.
Zur Medaille gab es ein Handtuch mit Aufschrift Tokyo Finisher. Die Medaille ist kleiner als bei den anderen Majors, aber für mich sehr viel wert. Immerhin fehlt mir nunmehr nur noch London, dann im kommenden Jahr zusammen mit meinem Trainer, dann hätte ich die Majors. Ich freue mich wie Bolle darauf.
Nun liege ich gebadet, habe die Badewanne im Zimmer Spaci,
mit Kühlakkus am Knie. Mein Mann ist vorhin dann los und hat noch Futter gekauft. Heute passiert nicht mehr viel. Aber ich schlafe mit den Gedanken ein, dass ich für mich heute was tolles geleistet habe.