Ex_Sprinter hat geschrieben: 06.12.2022, 11:12
Als Läufer und Ausdauersportler überschätzt man gerne die Wirkung von Kraft- oder Muskelaufbauträining.
Ich würde eher sagen, dass viele die Möglichkeiten von BWEs stark unterschätzen.
Beim Muskelaufbautraining sind Intensität und Progression zentrale Aspekte.
Wer meint, dass man mit Eigengewichtsübungen da sehr schnell an Grenzen stößt, der kann sich ja mal überlegen wie viele einarmige Liegestütz/Klimmzüge/Handstand-Push-Ups/etc. er/sie schafft. Das werden für die meisten wohl eher nicht so viele sein und da kann man sich über verschiedene andere Übungen hinarbeiten.
Ich sehe es aber auch so, dass es einige Bereiche gibt, die man sehr gut und bis zu einem sehr hohen Niveau nur mit Eigengewicht trainieren kann und andere Bereiche, für die es deutlich schwieriger ist. Hätte ich oben z.b. nach einbeinigen Kniebeugen gefragt, wäre die Antwort, gerade hier im Laufforum, wohl eine deutlich höhere Zahl.
Natürlich gibt es hier auch individuell große Unterschiede. Ich finde es z.B. auch schwierig die Brustmuskulatur wirklich nur mit Eigengewichtsübungen gut anzusprechen – d.h. anzuschreien.
Deshalb verwende ich zum Eigengewichtstraining auch eine Gewichtsweste und Widerstandsbänder – das sind dann eigentlich natürlich keine BWEs mehr, aber wir sind ja hier nicht bei den BWE-Puristen.
Widerstandsbänder finde ich für zu Hause auch toll und bzgl. der Zugkraft sind die nach oben ziemlich offen. Mein stärkstes liegt im Bereich des eigenen Körpergewichts und damit kann ich dann auch solala Kniebeugen-Training machen.
Ich stand testweise auch schon mal in einem drin, das etwa so dick wie das Gummi von einem Autoreifen war und mit dem ich gerade mal 1-2 Wiederholungen geschafft habe, aber das würde ich niemandem empfehlen – eine wackelige Angelegenheit und für mich fast unmöglich da eine saubere Ausführung hinzubekommen. Das ist bei dem Band mit der Zugkraft des Eigengewicht schon grenzwertig, weshalb ich da immer Kniebeugen mit der Langhantel vorgezogen habe, wenn ich in diesem Bereich trainieren wollte.
Wenn ich Eigengewichtsübungen(+) für die größeren Muskelgruppen mache, dann kaum mit weniger als 10 Wiederholungen, weil es einfach wesentlich unkomfortabler als mit den schweren Gewichten ist und das Kosten-/Risiko-Nutzen-Verhältnis einfach nicht stimmt.
Es gibt aber etliche Studien, bei denen ein gutes Muskeldickenwachstum, auch bei +20 Wiederholungen festgestellt wurde – wobei, bei allen mir bekannten dieser Studien, bis zum Muskelversagen trainiert wurde, während man bei weniger Wiederholungen mit mehr Prozent des 1RM für die gleiche Wirkung nicht bis zum Muskelversagen gehen musste und das deckt sich auch mit meinen eigenen Erfahrungen.
Womit wir bei der Intensität wären. Ich glaube, dass mangelnde Intensität bei vielen ein wesentlich größerer Faktor als die Auswahl/Anzahl an Trainingsgeräten und Wiederholungen ist.
Wer zum Beispiel meint, BWE-Training wäre leichter, als mit hohen Gewichten zu trainieren, der täuscht sich. Training bis zum Muskelversagen ist immer hart.
Meinem persönlichen Empfinden (und auch hier scheinen einige Studien mit RPE-Skala zu einem ähnlichen Ergebnis zu kommen) nach, sind BWEs mit 10-20 Wiederholungen bis zum Muskelversagen dabei härter, als z.B. Maximalkrafttraining mit der Langhantel im Bereich 1-5 Wiederholungen.
Muskelversagen heißt dabei eben nicht, dass ich jetzt meine vorgenommenen 15 Wiederholungen gerade so geschafft habe und das schon ganz schön anstrengend war. Bei Anfängern im Krafttraining versagt häufig der große Muskel im Kopf vor den eigentlich anzusprechenden.
Gerade bei höheren Wiederholungszahlen, kommt erst der Schmerz, dann der größere Schmerz, dann das Zittern und dann ist der Muskel wirklich ziemlich leer. Konzentrisch. Dann kann man ihm ggfs. exzentrisch den Rest geben. Das ist mental ziemlich belastend und für die meisten wohl wesentlich weniger effektiv als das Training mit schwereren Gewichten und die Entwicklungsmöglichkeiten sind mMn. schon geringer.
Aber auch für's Studio gilt - ob man immer und immer wieder 3x15 Wiederholungen bei vlt. gefühlt hoher, aber an der möglichen persönlichen Maximal-Leistung gemessener, eigentlich niedriger Intensität nur mit dem Körpergewicht oder an einem Gerät macht, spielt kaum eine Rolle – der Trainingsreiz bleibt gering.
Auch mit BWEs kann ich bis zu einem gewissen Niveau (Professionelles Bodybuilding, Powerlifting, etc. mal außen vor) mit wenigen Mitteln zu Hause sehr gute Reize setzen.
Das relativ grobe Ziel - „fit im Alter“ - können die meisten sicherlich ohne Studio und eine Unmenge an Geräten erreichen.
Den großen Vorteil eines guten Studios sehe ich allerdings für Anfänger in der hoffentlich kompetenten Anleitung und des Erlernens der Grundlagen.
Aber das ist alles natürlich sowieso interindividuell sehr unterschiedlich. Was im Krafttraining für den einen sehr gut funktioniert, kann für jemand anderen eine Katastrophe sein. Und während manche Gewichte nur anschauen müssen, um enorme Trainingsfortschritte zu machen, müssen andere für jede kleinste Entwicklung größte Mühen auf sich nehmen.
Genauso auch mit den Alterungsprozessen – während einige schon sehr früh Kraft verlieren, schießt anderen noch mit 70 das Testosteron aus den Ohren und Muskelschwund ist kaum feststellbar.