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"Bayrische Begeisterung" beim München-Marathon

"Bayrische Begeisterung" beim München-Marathon

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München-Marathon am 08.10.2023


Wieder mal (zum 5x) mache ich mich an einem frühen Sonntagmorgen auf nach München.
Im vergangenen Jahr habe ich mich ja sozusagen mit dem vormals nicht "sonderlich geliebten"
München-MA versöhnt, da schaffte ich dort eine Zeit zu laufen die ich vorher bei einigen MA
nicht erreicht hatte - sub 4:30Std war mein Ziel, ich scheiterte (nicht nur in Berlin) einige
Male an diesem Ziel, dort schaffte ich unerwarteterweise eine 4:26 - heuer bin ich schon
mehrfach unter dieser 4:30 gelaufen. Auf der Autobahn überlege ich mir so, mit einer sub
4:30 wäre ich auch diesmal sehr zufrieden, ich habe nun schon einige intensive Wettkämpfe
in relativ kurzer Zeit hinter mir, ich sollte nicht ständig versuchen am Limit zu laufe - immerhin
möchte ich die 3Monate bis zum Jahresende noch ein paar MA's absolvieren.
So stehe ich ein paar Stunden später an der Startlinie im altehrwürdigen Olympiastadion zu
München ohne ganz großen Ambitionen, aber das Wetter (warm aber bewölkt - wir wohl so
bleiben) verspricht Lauflust ohne ganz großen Schweißfluss. 
Das Abholen der Startunterlagen, Kleiderbeutelabgabe und dergleichen klappte alles reibungslos
und nach ein paar Minuten Unterhaltung mit Manfred Kranz, ein alter Lauffreund den ich zuletzt 
in Bad Blumau (bei 10MA in 10Tagen) getroffen habe, geht es schon runter in den weiten ovalen
Rund des Stadions. Die erste Welle ist gerade gestartet und ich werde jetzt 5min später im Block B
auf die 42,2Km durch München geschickt.
Es ist wieder ein großer 1-Runden-Kurs, das habe ich schon anders erlebt - so ist es schöner, in
München gibt es ja viel zu sehen. Nach dem Startschuss laufen wir noch eine halbe Runde auf der
Tartanbahn, dann durch das Tor raus, es ist noch etwas eng hier, aber bald hat man seine Pace
und Platz im Feld gefunden. Nach dem 1.KM biegen wir auch schon auf die Ackermannstraße ab.
Nach dem 2KM habe ich mich etwas "freigeschwommen" und wir laufen auf der Elisabethstr./Franz-
Joseph-Str. durch Schwabing, ich kann minimal forcieren und pendle mich bei einer 5:45min/km ein.
Damit bin ich erstmal sehr zufrieden, als wir anschließend in die Leopoldstr. einbiegen kommen uns
kurz darauf die Führungsgruppe der Männer (die ja 5min vorher gestartet sind) entgegen. Sie 
haben hier bereits 10Km absolviert und hier ist es wohl irgendwo passiert: das Führungsfahrzeug
ist irgendwo etwas falsch abgebogen und dieser Läuferpulk hinterher, es wurden einige hundert
Meter zuviel gelaufen... mir fällt zu diesem Zeitpunkt nur auf (als die 15-20 Männer aus der Gruppe
an uns vorbei düsen) da läuft tatsächlich ein hellhäutiger Läufer vorne mit. Das kann nur Sebastian
Hendel gewesen sein - wie ich später im Ziel erfahre wurde Er mit einer Zeit von 2:10Std Fünfter.
Ich laufe weiter meine gewohnte Pace, gelegentlich sogar etwas darunter... mal sehen wie lange
das gutgeht? Wir laufen weiter ein ein erweitertes Straßenviereck mit gelegentlich Begegnungsstrecke,
in der Innenstadt mit Straßen wie Theresien-, Luisen- und Karlstr. usw.
Bei den führenden Frauen passiert übrigens auch ein Mißgeschick mit dem Führungsfahrzeug, hier
wird irgendwo zu früh abgebogen und die "gesparten Meter" müssen zuletzt im Stadion noch absolviert
werden. Zu diesem Zeitpunkt weiß ich nix davon, in der Nähe des Siegestor an einem Wasser-VP
wundere mich über mehrere leere Tische, ich sehe im Hintergrund total überforderte Helfer, die
an einem Hydranten die Becher nicht schnell genug befüllt bekommen, die werden Ihnen sofort
aus den Händen gerissen. Zum Glück ergattere ich auch Einen - ich verpflege mich fast bis
zuletzt an jedem VP-Stand auch wenn ich nicht extrem schwitze, doch warm ist es schon und
ich brauche Flüssigkeit zum Auffüllen.
Wir sind zurück in der Leopoldstr. und haben dabei KM10 erreicht, hier bemerke ich erstmals eine
Art Hotspot, auf jeden Fall wird ordentlich angefeuert - so gefällt mir das. Mein Tempo ist immer
noch identisch und so kann ich an der Zeitmatte deutlich unter 1Std verbuchen... das könnte so
weiter gehen.
Bei KM11 verlassen wir die Leopoldstr wieder, laufen diesmal Richtung Norden, etwas links die
Münchner Freiheit, später der Nordfriedhof, dabei überqueren wir den Isarring und laufen bald
am Rande des Englischen Garten, kurz vor KM14 geht's hinein in das Freizeitparadies der Münchner.
Fast bis zur Halb-MA-Marke werden wir nun durch diesen Park laufen, auch hier finden sich immer
wieder größere Publikumsansammlungen die Stimmung machen... mich beflügeln. Bis kurz nach
KM16 laufen wir nach Norden, dann drehen wir kurz vorm Föhringer Ring um und laufen nahe
der Isar im Park wieder nach Süden. Bei KM20 überqueren wir wieder den Isarring und verlassen
den Englischen Garten. Als wir auf den KM21 zulaufen wird es eng - hier startet nachher der
Halb-MA und die Wechselstelle für die MA-Staffel ist hier auch gleich - so ähnlich müssen sich
die Radfahrer beim Challenge in Roth fühlen wenn Sie auf den Solarer Berg zufahren, denke ich
mir ... eine Menschenmenge vor mir, man sieht kaum wie es weitergeht, als ich darauf zulaufe
teilt sich die Menge und ich entdecke den Weg den ich weiterlaufen muss, Hände recken sich
mir entgegen, die abgeklatscht werden wollen... die Anfeuerung artet hier fast in ein Schreien
aus und nebenan spielt noch eine herrliche Band - das facht die Motivation in mir an und nun
bin ich "on Fire" - als ich an der Halb-MA-Zeitmatte auf die Uhr blicke ist es um mich geschehen:
Ich konnte die Pace immer noch halten, nur in wenigen Ausnahmefällen nähere ich mich leicht
den 6min/KM - 2:02Std für 21,1KM... und ich mag noch nicht daran denken was möglich wäre,
könnte ich das Tempo nur annähernd halten.... wann und wie sehr kommt der Einbruch?
Doch für's Erste denke ich nur noch: Keep The Fire Burning - und da kommt mir jede Anfeuerung,
Trommelgruppe und ausgestreckte Hand entgegen... jetzt ist mein Ehrgeiz geweckt!
Bei aller Begeisterung hätte ich fast vergessen mir ein Gel reinzudrücken... aber nur fast, noch
ist es nicht zu spät. Mit entsprechenden Elan überquere ich die Isar an der Max-Joseph-Brücke,
nun wieder nordwärts über Montgelas- und Oberföhringer Straße. Bei einer fetzigen Musik am
Straßenrand lasse ich mich so richtig mitreißen und hüpfe was die Sprunggelenke hergeben.
Ein "laufaffiner Zuschauer" meint - der muss irgendwann weiterlaufen, die Höhenmeter zählen
nicht... bin auch schon weg...
Bei KM23 zeigt mir meine Uhr erstmalig den KM knapp über 6min, erklärbar da am vorgehenden
VP Verzögerung, gleich wieder Gas geben, ein kleines Querstück, dann wieder südlich - hier
kommt 25KM-Zeitmatte - kurze Zielbestimmung: Knapp über 2:25Std - das öffnet für mich
viel Raum für Spekulationen, was erreichbar ist. Doch einfach hochrechnen erlaube ich mir 
nicht. Auch wenn kein großer Einbruch kommen sollte - langsamer werde ich sicherlich, so
"schwebt" mal eine Zielzeit von 4:15-4:20 durch meinen Kopf ... abwarten!
Fast schnurgerade nach Süden bis zum Bahnlinienbündel Berg am Laim, ein Stück parallel,
dann südlich davon Richtung Ostbahnhof. Meine Pace scheint fast unbeirrt gleichbleibend -
KM30 zeigt einen Hauch unter 2:55Std - ich kann es kaum fassen das ich quasi ungebremst
mein Tempo weiterlaufen kann. Bei der nächsten Band gebe ich Anfeuerung und nehme mir
Motivation mit. Jeder Läufer hat schon diese Schilder gesehen: "Push The (Power-)Botton"-
von Zuschauern in die Laufbahn gehalten... und oft genug habe ich da schon drauf gehauen.
Nun steht da vorne Einer mit Riesenschild (steht auf dem Boden) - mich packt der blanke
Übermut, ich renne an Ihn vorbei, drehe mich mit dem Rücken zum Schild und mit meiner
Hacke treffe ich den "Botton" genau - fast wie ein Tor des Monats... entsprechend johlen
die Zuschauer um den "Schildhalter" - hoch die Hände... und eine La-Ola-Welle schickt mich
weiter - das macht Stimmung! 
Über die Rosenheimer Straße bzw Platz geht es nun auf bekanntes Terrain, diese Großbaustelle
an der Ludwigsbrücke über die Isar habe ich in diesem Jahr schon mehrfach angesteuert, da
rechts am Müllerschen Volksbad der Treffpunkt/Start+Ziel für einige Marathons von Andreas
Bettingen ist. 
Nun rein in die Innenstadt, am Isartor vorbei zum Viktualienmarkt, auch wenn heute keine
Marktstände geöffnet haben... nur ein paar Getränkestände sind offen... ist hier was los -
meine Begeisterung steckt an und lässt Manche vom Kaffeetisch aufspringen. Doch nun 
biegen wir nach links ab und erreichen den Marienplatz - er wurde zum Hotspot aufgerüstet,
wir laufen dort eine U-Schleife - Zuschauer ohne Ende säumen die Absperrung. Stimmung 
als würde oben auf dem Rathausbalkon mal wieder der FC Bayern eine Deutsche Meisterschaft
feiern. Ich juble in die Menge und aus vielen Kehlen höre ich meinen Namen rufen, zudem:
go, go, go - genau das mache ich. Kaum um die Ecke ist es bedeutet ruhiger, aber der Lärm
schallt noch Richtung Odeonsplatz. Hier ist wieder bei KM36 eine Biermeile aufgebaut: VP mit
alkfreien Bier kommt mir jetzt gerade recht, schnell das 2.Gel rein und weil die Becher nur
wenig gefüllt sind, da nehme ich mir doch gleich zwei... und weiter geht's - der Blick zur
Uhr verheißt nur Gutes... ich will nun einfach nur raushauen was noch drin ist, welche Zeit
dabei heraus kommt.... eventuell sogar schneller als vor 2Wochen in Berlin... das werde ich
sehen!
Jetzt wieder die Leopoldstraße raus, abbiegen zur Franz-Joseph-Str./Elisabethstr. KM38
ist durch... eine Trommelband mit zahlreichen Zuschauern, da komme ich nicht vorbei -
anfeuern und als Retourkutsche extra wilden Trommelwirbel und strahlende Gesichter:
"I'm on Fire". Ein Läufer vor mir fällt mir auf - Er bewegt sich "irgendwie richtig flott",
da frage ich mich warum der hier läuft und nicht weiter vorne... sieht es nur flott aus?
Das muss ich testen, hänge mich dran (sieht bei mir sicher langsamer aus) - so schnell
ist Er wirklich nicht, bin schon auf gleicher Höhe... Er guckt rüber, versucht zu forcieren -
da hat Er schon "verloren" - ich fliege an Ihm vorbei, sehe in meinen Augenwinkel wie
Er verzweifelt abwinkt - das beflügelt weiter. Ein letztes Male Kurzstopp am VP, nun 
muss mein Iso aus dem Trinkgurt genügen... KM40 zeigt mir 3:54Std - das wird auf 
jeden Fall eine bessere Zeit als Berlin, eventuell sogar meine Jahresbestzeit (liegt bei 
4:07)... das geht mir durch den Kopf, als ich über die Ackermannstr. auf das Stadion
zu sause.
Auf der Straße vorm Ziel bei KM41 ist auch mächtig was los - hier warten die Staffeln
 auf Ihren Schlussläufer(in), um dann zusammen die letzten paar hundert Meter zu finishen.
Nochmal wird's laut: Mucke zum Abzappeln (vom Feinsten) - genau das tue ich auch kurz,
dann Endspurt Richtung Marathontor, im Tunnel Lichtblitze und schon die Stimmung vom
Einlauf, die Moderatoren sind schon zu hören ... einbiegen auf die Tartanbahn, ich sehe die
Zeit übern Ziel: irgendwas mit 4:11, kurzer Schreck - ja ich bin ja 5min später gestartet!
Endspurt als Flieger über die Ziellinie: offizielle Nettozeit 4:06:50, nicht nur meine schnellste
Marathonzeit in diesem Jahr, auch der letzten 5Jahre. Schneller war ich Mitte 2018 und vorher,
selig lasse ich mir von einem Mädel im Dirndl die Medaille umhängen und freue mich auf das
Finisherbier - einen kleinen Nachteil hat mein schnelles Finish - keiner meiner Laufbekannten
ist am Bierstand zu entdecken, doch damit kann ich leben...
Ich beginne leicht zu frösteln und ziehe mich im Stadion auf einer Toilette um - kurz danach
bin ich schon auf der Heimfahrt und kann im Wahllokal noch rechtzeitig meine 2Stimmen
abgeben.
Die München-Medaille gucke ich mir noch ein paarmal an... und denke bei mir:
"Bayrische Begeisterung" - das war echt Klasse!

I'm on Fire - Roland


Zu den Fotos: Versammlung der Zielzeitenläufer
Die Ruhe vor dem Sturm im Stadion
Dropbagabgabe
runners.high - Nomen est omen :logik:
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